Leitsatz (amtlich)
Der zusätzliche Sonderausgabenabzugsbetrag für Versicherungsbeiträge nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG 1977 - früher sog. Vorwegabzug - steht zusammen veranlagten Ehegatten gemeinsam zu und ist nicht mit je 1 500 DM auf jeden von Ihnen aufzuteilen. Die Kürzung nach Satz 2 dieser Vorschrift ist daher auch dann von dem vollen Abzugsbetrag in Höhe von 3 000 DM vorzunehmen, wenn ihre Voraussetzungen nur in der Person eines Ehegatten erfüllt sind.
Normenkette
EStG 1977 § 10 Abs. 3 Nr. 2, § 26b
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hatte im Streitjahr 1978 aus seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt und Notar Einkünfte aus selbständiger Arbeit bezogen. Seine - mit ihm zusammen veranlagte - Ehefrau war als beamtete Lehrerin tätig gewesen und hatte als solche Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 45 206,66 DM erzielt. In der Einkommensteuerklärung für 1978 machten die Ehegatten Versicherungsbeiträge in Höhe von 16 347 DM als Sonderausgaben geltend. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) erkannte davon nur einen Betrag in Höhe von 7 200 DM an. Das FA ging davon aus, daß der zusätzliche Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes 1977 - EstG - (in Höhe von 3 000 DM) nicht gewährt werden könne, weil er im Streitfall durch die Kürzung gemäß Satz 2 Buchst. b, aa dieser Vorschrift in vollem Umfang aufgezehrt werde.
Entscheidungsgründe
Die vom Kläger erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) vermochte der Auffassung des Klägers nicht zu folgen, der Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG stehe bei einer Zusammenveranlagung jedem Ehegatten jeweils gesondert in Höhe von 1 500 DM zu, so daß im Streitfall eine Kürzung nur von dem Abzugsbetrag der Ehefrau vorzunehmen sei. Es hat seine Entscheidung in erster Linie darauf gestützt, daß zusammen veranlagte Ehegatten hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs als Einheit zu behandeln seien (Hinweis auf die Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1965 VI 82/64 U, BFHE 81, 488, BStBl III 1965, 176, und vom 30. August 1966 VI 287/65, BFHE 86, 757, BStBl III 1966, 676). Wie es für die Abziehbarkeit als Sonderausgaben als solche nicht darauf ankomme, wer von den Ehegatten die Aufwendungen getragen habe, so sei es auch unerheblich, in welcher Person die Voraussetzungen für eine Kürzung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG vorlägen. Hinzu komme, daß das Gesetz für Zusammenveranlagungsfälle in § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 EStG - wie auch in § 10 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 - nur einen für beide Ehegatten gemeinsamen Höchstbetrag vorsehe. Das Gesetz gewähre nicht jedem Steuerpflichtigen einen selbständigen Abzugsbetrag in Höhe von 1 500 (bzw. 2 100) DM. Die Kürzung nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG von einem einheitlichen Abzugsbetrag rechtfertige sich auch daraus, daß dem Kläger im Fall des Ablebens seiner Ehefrau auch persönlich Versorgungsansprüche aufgrund der nichtselbständigen Tätigkeit der Ehefrau zustünden.
Diese Gesetzesauslegung stehe auch im Einklang mit dem Grundgesetz (GG). Insbesondere wurden zusammen veranlagte Ehegatten hinsichtlich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt als getrennt veranlagte Eheleute. Denn § 26a Abs. 2 EStG verweise für die Ermittlung des bei getrennten Veranlagungen insgesamt abziehbaren Sonderausgabenbetrages auf die für die Zusammenveranlagung geltenden Vorschriften. Auch eine Verletzung des Art. 6 GG liege nicht vor. Denn der Kläger sei ja gerade durch die Eheschließung erst in den Genuß der erhöhten Sonderausgabenabzugsbetrage des § 10 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 EStG gekommen. Der Kürzung des Betrages nach Nr. 2 der Vorschrift müßten die Versorgungsansprüche gegenübergestellt werden, die die Ehefrau für die Familie erwerbe.
Mit seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beruft sich der Kläger auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Er ist der Auffassung, die vom FG zur Begründung seiner Entscheidung genannten BFH-Urteile in BFHE 81, 488, BStBl III 1965, 176 und in BFHE 86, 757, BStBl III 1966, 676 berücksichtigten die von ihm (dem Kläger) vorgetragenen Einwände nicht. Diese Urteile beruhten "auf der ohne jede Begründung getroffenen Feststellung, der Vorwegabzug stehe zusammen veranlagten Eheleuten doppelt und gemeinsam zu ..." In dieser umfassenden Form sei diese Aussage unrichtig. Das FG-Urteil und die genannten BFH-Urteile setzten sich auch nicht mit der Frage auseinander, ob die für ihn nachteilige Zusammenfassung der Sonderausgaben "auch im Hinblick auf die den Streitfall bestimmende andersgeartete Gesetzesregelung des Jahres 1978 noch eine Benachteiligung ist, die ,eine nur selten auftretende Nebenwirkung einer im ganzen verfassungsgerechten gesetzlichen Norm ist, deren wirtschaftliche Auswirkung für die Beteiligten überdies nicht erheblich ist' (BFH-Urteil vom 22. Januar 1965 VI 82/64 U, a. a. O.)".
Das FA hat sich gegen eine Zulassung der Revision ausgesprochen.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Die grundsätzliche Bedeutung fehlt, wenn die Behandlung der Rechtsfrage durch das FG der eindeutigen Rechtslage und der allgemeinen Auffassung im Schrifttum entspricht (vgl. den BFH-Beschluß vom 23. Februar 1973 VI B 26/72, BFHE 108, 538, BStBl II 1973, 446). So verhält es sich im Streitfall.
1. Der BFH ist zu § 10 Abs. 3 Nr. 2d EStG in den Fassungen vor 1975 - dem sog. Vorwegabzug - in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß es sich bei dem - in Fällen der Zusammenveranlagung sowie der getrennten Veranlagung von Ehegatten - verdoppelten Abzugsbetrag um einen den Ehegatten gemeinsam zustehenden Höchstbetrag handele. Außer in dem vom FG genannten Urteil in BFHE 86, 757, BStBl III 1966, 676, das einen Fall der Zusammenveranlagung betraf, hat er dies in dem Urteil vom 11. November 1966 VI 352/65 (BFHE 87, 301, BStBl III 1967, 114) auch ausdrücklich für die getrennte Veranlagung ausgesprochen. Es trifft auch nicht zu, daß der BFH "ohne jede Begründung" von der Einheitlichkeit des Höchstbetrages bei Ehegatten ausgegangen sei. Er hat sich in dem Urteil in BFHE 86, 757, BStBl III 1966, 676 vielmehr ausdrücklich auf den Wortlaut sowie den Sinn und Zweck des Gesetzes berufen (siehe den letzten Absatz dieser Entscheidung). Auch das Urteil in BFHE 87, 301, BStBl III 1967, 114 stützt sich "auf den Willen des Gesetzgebers".
2. Neue Gesichtspunkte, die nach § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG i. d. F. vom 5. Dezember 1977 eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch für den Senat ersichtlich.
a) Anders als in den Fassungen des Einkommensteuergesetzes vor 1975, in denen die Kürzung des Vorwegabzugs wie folgt angeordnet war: "... diese Beträge vermindern sich, wenn in dem Gesamtbetrag der Einkünfte solche aus nichtselbständiger Arbeit enthalten sind, um ...", heißt es in den Gesetzesfassungen ab 1975 zwar: "Diese Beträge vermindern sich bei Arbeitnehmern um ..." oder später ab dem Einkommensteuergesetz 1977 zusätzlich: "... bei Steuerpflichtigen, die ... um ...". Doch hat der Gesetzgeber mit dieser Fassungsänderung nicht die Einheitlichkeit des zusätzlichen Ehegatten-Abzugsbetrags in Frage stellen oder gar beseitigen wollen.
Das Gesetz spricht nach wie vor von einer Verminderung "dieser Beträge", nämlich des unmittelbar zuvor festgelegten Grundbetrages und dessen Verdoppelung im Fall der Zusammenveranlagung. Es ordnet damit auch für Zusammenveranlagungsfälle die Minderung eines einheitlichen - freilich verdoppelten - Abzugsbetrages an. Für diese Auslegung des Gesetzes spricht auch die gleichzeitige Neufassung des § 26b EStG durch das Einkommensteuer-Reformgesetz vom 5. August 1974 - EStRG - (BGBl I 1974, 1769, BStBl I 1974, 530). Denn danach sind Ehegatten bei der Zusammenveranlagung nach Zusammenrechnung und gemeinsamer Zurechnung ihrer Einkünfte (nunmehr) ausdrücklich im Grundsatz "sodann gemeinsam als (ein) Steuerpflichtiger" zu behandeln. Gemäß § 2 Abs. 4 EStG 1975 gilt dies insbesondere auch für den Abzug der Sonderausgaben. Die Begründung zu § 90 des Entwurfs eines Dritten Steuer-Reformgesetzes vom 9. Januar 1974, auf den die geänderte Fassung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG 1975 zurückgeht, enthält lediglich Ausführungen zur damals beabsichtigten Anerkennung der Vorsorgeaufwendungen als Steuerermäßigungsposten. Da zur Natur der Höchstbeträge, innerhalb deren eine Berücksichtigung der Aufwendungen möglich sein sollte, nichts gesagt wurde (siehe Drucksache des Deutschen Bundestags - BT - VII/1470, 287), sollte es insoweit also bei der bisherigen Rechtslage verbleiben.
b) Eine Änderung der vom BFH vertretenen Auffassung ist auch nicht durch die Ausführungen des Klägers zur ab 1. Januar 1978 geltenden Fassung des § 10 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 EStG 1977 veranlaßt.
Der Kläger übersieht, daß diese Gesetzesänderung lediglich den Kreis der Personen vergrößert hat, die eine Minderung des zusätzlichen Höchstbetrages nach Satz 1 dieser Vorschrift hinnehmen müssen. Auswirkungen auf die Qualifizierung des Höchstbetrages als solchen ergeben sich daraus jedoch nicht. Das gilt auch im Hinblick auf das vom Kläger zitierte Urteil des Senats in BFHE 81, 488, BStBl III 1965, 176. Dieses Urteil betraf die Frage, wie zu verfahren ist, wenn ein Ehegatte über den Pauschbetrag (nach § 10c EStG 1961) hinausgehende Sonderausgaben nachweist, der andere Ehegatte aber keine Sonderausgaben in Höhe des Pauschbetrags gehabt hat. Der BFH hat entschieden, daß in solchen Fallen die Sonderausgaben beider Ehegatten zusammenzurechnen und nur mit dem Betrag, der den doppelten Sonderausgaben-Pauschsatz übersteigt, abzusetzen seien. Er hat in diesem Ergebnis keinen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG erblickt. Die gleiche Auffassung hat auch das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluß vom 25. Januar 1972 1 BvL 30/69 (BVerfGE 32, 260, BStBl II 1972, 325) vertreten.
Es ist nicht ersichtlich, welche Bedeutung das vorgenannte BFH-Urteil - auch bei Zugrundelegung der ab 1. Januar 1978 gültigen Fassung des § 10 Abs. 3 Nr.2 Satz 2 EStG - für den Streitfall haben könnte.
§ 10c EStG ist durch das Einkommensteuer-Reformgesetz für Veranlagungszeiträume ab 1975 grundlegend geändert worden: Bei einer Zusammenveranlagung wird nicht mehr der für jeden einzelnen Ehegatten in Betracht kommende Sonderausgaben-Pauschbetrag gesondert gewährt; die Pauschbeträge und Pauschalen werden jetzt vielmehr grundsätzlich verdoppelt (§ 10c Abs. 4 Nr. 1 EStG 1975/1977 bzw. § 10c Abs. 5 Nr. 1 EStG 1979/1981). Dabei genügt es für die Verdoppelung der sog. Vorsorgepauschale, des höchsten Pauschalabzugs, wenn nur ein Ehegatte als Arbeitnehmer tätig gewesen ist (§ 10c Abs. 4 Nr. 2 EStG 1975/1977 bzw. § 10c Abs. 5 Nr. 2 EStG 1979/1981 ). Die übrigen Pauschbeträge sind mit 240 bzw. 300 DM (§ 10c Abs. 1 und 2 EStG 1975 bis 1979) so niedrig gehalten, daß die durch das Urteil in BFHE 81, 488, BStBl III 1965, 176 entschiedene Rechtsfrage kaum mehr akut werden dürfte. Ungeachtet dessen würde der Steuerbelastungsunterschied im Vergleich zu einer gesonderten Zurechnung der Pauschbeträge noch weit unter dem vom BFH in dem vorgenannten Urteil noch als "nicht erheblich" bezeichneten Betrag liegen.
3. Diese Auslegung der insoweit eindeutigen Vorschrift des § 10 Abs. 3 Nr. 2 EStG ist bisher - soweit ersichtlich - auch noch nicht bezweifelt worden. Sie entspricht vielmehr der einhelligen Auffassung in der Literatur (siehe z. B. Gericke in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 RdNr. 62, 2. Absatz; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Sonderausgaben", Anm. C II 1 e - S. 244 -; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10 EStG Anm. 399 am Ende; Brockhoff in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 10 Anm. 338 und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 12. Aufl., § 10 RdNr. 179).
Fundstellen
Haufe-Index 413658 |
BStBl II 1981, 709 |