Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerveranlagung nach bestandskräftiger Einkommensteuerveranlagung von nicht gewerblichen Einkünften
Leitsatz (NV)
1. Für die Frage des Anlaufs der Festsetzungsfrist für die Gewerbesteuer kommt es nicht darauf an, ob der Kläger angenommen hat oder annehmen durfte, zur Abgabe einer Gewebesteuererklärung nicht verpflichtet zu sein. Dies gilt auch im "Grenzbereich" von Einkünfteerzielungs-Sachverhalten zwischen § 18 und § 15 EStG.
2. Daraus, dass die Einbeziehung in die Sozialversicherung u.a. auch den Schutz der Scheinselbständigen bezweckt, folgt nicht, dass der Gesetzgeber zu weiteren Schutzmaßnahmen, etwa einer Befreiung von der Gewerbesteuer verpflichtet wäre.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1, 3, § 115 Abs. 2; AO 1977 § 157 Abs. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; EStG §§ 15, 18
Verfahrensgang
FG Düsseldorf (Urteil vom 01.08.2002; Aktenzeichen 15 K 6635/99 G) |
Tatbestand
I. S --der Rechtsvorgänger der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin)-- hatte Mathematik mit Zusatzfach Wirtschaftswissenschaften studiert und war als freier Mitarbeiter einer Unternehmensberatungsfirma im EDV-Bereich zu einem fest vereinbarten Stundenhonorar und einem jährlichen Beschäftigungsvolumen von 1 600 Stunden tätig. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) erließ am 8. September 1998 erstmals Gewerbesteuermessbescheide für 1992 bis 1997. Zu diesem Zeitpunkt waren für die Jahre 1992 bis 1994 gegenüber S bereits bestandskräftige Einkommensteuerbescheide ergangen, in denen die Einkünfte als selbständige behandelt worden waren. Die Klage gegen den Gewerbesteuermessbescheid 1992 hatte keinen Erfolg.
Die Klägerin begehrt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, die zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung der Klärung durch eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) bedürfe. Außerdem habe das Finanzgericht (FG) verfahrensfehlerhaft unterlassen, die angebotenen Beweise zum Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes zu erheben.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet.
Nach §§ 116 Abs. 1, 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt nur für eine klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage von allgemeinem Interesse in Betracht (BFH-Beschlüsse vom 6. Juni 2003 III B 98/02, BFH/NV 2003, 1214, und vom 11. Juli 2003 XI B 33/01, BFH/NV 2004, 49). Im Allgemeinen besteht kein Klärungsbedarf mehr, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder bereits aufgrund der Rechtsprechung geklärt ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 20. August 1999 V B 74/99, BFH/NV 2000, 243, und vom 25. November 2002 XI B 81/00, BFH/NV 2003, 467). In der Beschwerdeschrift ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur darzulegen (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 116 Rz. 32 f.).
a) Die Klägerin trägt u.a. vor, es sei zu klären, ob es bei Einkünfteerzielungs-Sachverhalten im Grenzbereich zwischen § 18 und § 15 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter bestimmten Voraussetzungen geboten sei, § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) im Hinblick auf eine nachträgliche Gewerbesteuerveranlagung reduzierend dahin auszulegen, dass eine Gewerbesteuererklärung als mit der Einkommensteuererklärung abgegeben anzunehmen sei. Sie hält dies dann für geboten, wenn der Steuerpflichtige und das FA den Sachverhalt bei der Einkommensteuerveranlagung rechtlich übereinstimmend und damit abschließend qualifiziert hätten und diese Qualifikation damit gemäß § 157 Abs. 2 AO 1977 Teil des Steuerbescheides geworden sei - im Streitfall als Einkünfte aus nichtgewerblicher Tätigkeit. Es könne angesichts ein und desselben Sachverhalts nicht erwartet werden, dass ein Steuerpflichtiger alljährlich Gewerbesteuer-Nullerklärungen abgebe oder eine verbindliche Negativ-Auskunft zur Gewerbesteuerpflicht einhole.
Die von der Klägerin aufgeworfene Frage ist aus dem Gesetz und anhand der bereits vorliegenden Rechtsprechung ohne weiteres zu beantworten. Das FG hat zu Recht das Vorliegen einer Festsetzungsverjährung verneint. Die Festsetzungsfrist ist erst mit Ablauf des Jahres 1995 angelaufen, weil für die Gewerbesteuer 1992 eine Steuererklärung einzureichen war und S keine solche Erklärung eingereicht hatte. Darauf, ob S angenommen hat oder annehmen durfte, zur Abgabe einer Steuererklärung nicht verpflichtet zu sein, kommt es nach der Rechtsprechung nicht an (BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 112/94, BFH/NV 1996, 449).
Für den von der Klägerin angeführten "Grenzbereich" bei Einkünfteerzielungs-Sachverhalten zwischen § 18 und § 15 EStG kann nichts anderes gelten, auch wenn es zutreffen mag, dass S im Rahmen einer Gewerbesteuererklärung lediglich den identischen Sachverhalt wie in der Einkommensteuererklärung hätte vortragen können. Die Abgrenzung einer gewerblichen Tätigkeit von einer solchen des privaten Bereichs oder im Rahmen einer anderen Einkunftsart ist eine im Steuerrecht alltäglich auftretende Fragestellung. Die Pflicht zur Abgabe einer Gewerbesteuererklärung allein für den von der Klägerin bezeichneten "Grenzbereich" zwischen Einkünften gemäß § 18 und § 15 EStG gesondert zu regeln, wäre daher weder mit dem Gebot der Gleichbehandlung zu vereinbaren, noch würde es der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden dienen.
Der Klägerin kann auch nicht darin zugestimmt werden, der Einkommensteuerbescheid enthalte eine rechtlich übereinstimmende und damit abschließende Qualifikation, die gemäß § 157 Abs. 2 AO 1977 Teil des Steuerbescheides und damit verbindlich geworden sei (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 449, m.w.N.).
b) Soweit die Klägerin geltend macht, es sei eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, ob der Gesetzgeber Scheinselbständige der erheblichen Belastung durch Gewerbesteuer aussetzen dürfe, wenn er diese gleichzeitig eigens in den Schutz der Sozialversicherung einbeziehe, fehlt es bereits an der notwendigen schlüssigen Darlegung einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage. Daraus, dass die Einbeziehung in die Sozialversicherung u.a. auch den Schutz der Scheinselbständigen bezweckt, folgt nicht, dass der Gesetzgeber zu weiteren ganz andersartigen Schutzmaßnahmen verpflichtet wäre. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, dass bei Vorliegen der gewerbesteuerrechtlichen Voraussetzungen die Gewerbesteuerpflicht für Scheinselbständige gegen die Einheit der Rechtsordnung verstieße (vgl. BFH-Beschluss vom 17. Oktober 2003 V B 80/03, BFH/NV 2004, 379, und BFH-Urteil vom 2. Dezember 1998 X R 83/96, BFHE 188, 101, BStBl II 1999, 534).
c) Eine Entscheidung des BFH ist zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Streitfall nicht erforderlich. Soweit sich die Klägerin auf das Urteil des FG des Saarlandes vom 11. März 1994 1 K 249/93 (Entscheidung der Finanzgerichte --EFG-- 1994, 900) beruft, ist auf den BFH-Beschluss vom 19. Juni 2001 IV B 149/00 (BFH/NV 2001, 1527) zu verweisen, demzufolge das Urteil des FG des Saarlandes spätestens durch das BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 449 überholt ist.
2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers des FG zuzulassen.
Die Klägerin rügt insoweit, das FG habe hinsichtlich der Vertrauensfolge die beantragten Beweise nicht erhoben und nicht gewürdigt, dass S von einer Gewerbesteuererklärung deshalb abgesehen habe, weil das FA die Tätigkeit als Einkunft gemäß § 18 EStG behandelt und damit die Grundlage für einen Vertrauensschutz gelegt habe. Eine zutreffende Entscheidung bzgl. der Vertrauensfolge vorausgesetzt, hätte das FG das Vorliegen eines Vertrauenstatbestandes nicht dahin gestellt sein lassen dürfen, sondern hätte vielmehr die angebotenen Beweise hierzu erheben müssen.
Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf Verfahrensmängel gestützt (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO), so bedarf es nach ständiger Rechtsprechung hierfür des Vortrags der Tatsachen, die den gerügten Verfahrensmangel schlüssig ergeben (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz. 48 ff., m.w.N.). Außerdem muss dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG ausgehend-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann (BFH-Beschluss vom 9. Oktober 2003 V B 12/02, BFH/NV 2004, 97).
Die Verfahrensrüge der Klägerin könnte nach ihrem eigenen Vortrag allenfalls dann Erfolg haben, wenn das FG die Frage, ob S im Vertrauen auf den Nicht-Erlass von Gewerbesteuermessbescheiden bestimmte Maßnahmen getroffen oder unterlassen habe anders als bisher beantworten würde - und zwar im Sinne der Klägerin; die Rüge geht damit nicht vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG aus.
Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung allein vermag die Zulassung der Revision nicht zu begründen (BFH-Beschlüsse vom 10. Juli 2001 XI B 73/99, BFH/NV 2002, 17; vom 17. Januar 2002 V B 88/01, BFH/NV 2002, 748, und vom 18. August 2003 X S 5/03 (PKH), BFH/NV 2004, 66); eine Zulassung kommt allein aus den in § 115 Abs. 2 FGO aufgeführten Gründen in Betracht.
Fundstellen
Haufe-Index 1310329 |
BFH/NV 2005, 504 |