Leitsatz (amtlich)
1. Im Falle einer Beiladung hat das Gericht in der Kostenentscheidung stets auch über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu befinden.
2. Unterbleibt ein Ausspruch nach § 139 Abs. 4 FGO, so ist die Entscheidung auf Antrag nach § 109 FGO zu ergänzen.
Normenkette
FGO §§ 109, 139 Abs. 4
Tatbestand
Streitig ist, ob der im Verfahren der Hauptsache Beigeladenen (Bfin.) die außergerichtlichen Kosten zu erstatten sind.
Mit Beschluß vom 12. Mai 1966 erlegte das FG dem FA - Bg. - die Kosten auf, nachdem der Kläger, die Bfin. und das FA übereinstimmend die Hauptsache für erledigt erklärt hatten. Zur Begründung führte das FG aus, den Sachanträgen des Klägers sei bei der außergerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits in vollem Umfang stattgegeben worden. Außergerichtlich hatten sich die Prozeßbeteiligten zuvor damit einverstanden erklärt, daß der umstrittene Einheitswert einer Gewerbeberechtigung nicht - wie ursprünglich vom FA durchgeführt - dem Kläger, sondern der Bfin. zugerechnet wird.
Die Bfin. beantragte, die ihr entstandenen außergerichtlichen Kosten für ihre Bevollmächtigten festzusetzen. Dem FA seien die Kosten des Verfahrens auferlegt. Sie selbst hätte durch ihre Mitwirkung die Erledigung in der Hauptsache ermöglicht.
Am 20. September 1966 teilte die Geschäftsstelle des FG der Bfin. fernmündlich mit, ihrem Antrag könne nicht stattgegeben werden, weil das FG im Beschluß vom 12. Mai 1966 keine Entscheidung nach § 139 Abs. 4 FGO getroffen habe. Gegen den Beschluß vom 12. Mai 1966, der ihr am 19. Mai 1966 zugegangen sei, legte die Beigeladene nunmehr am 21. September 1966 - beim FG am 23. September 1966 eingegangen - "Beschwerde" ein und beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Sie sei davon ausgegangen, ein Antrag nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO sei noch jederzeit nach Ergehen eines Urteils möglich. Das müsse auch für § 139 Abs. 4 FGO gelten.
Das FG gab dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus den von der Bfin. genannten Gründen statt. Der Beschwerde half es nicht ab, sondern legte die Sache dem BFH zur Entscheidung vor.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Der Rechtsbehelf der Bfin. vom 21. September 1966 ist - entgegen seinem Wortlaut - nicht als Beschwerde, sondern als Antrag nach § 109 FGO anzusehen. Denn auch bei prozessualen Erklärungen ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Ausdruck zu haften, falls solche Erklärungen überhaupt einer Auslegung fähig sind (vgl. auch Beschluß des BFH III R 69/67 vom 5. Dezember 1967, BFH 91, 20, BStBl II 1968, 203). Der Wille der Bfin. im Schriftsatz vom 21. September 1966 geht dahin, die Kostenentscheidung des FG daraufhin nachprüfen zu lassen, ob ihre außergerichtlichen Kosten als Beigeladene des Hauptsacheverfahrens erstattungsfähig sind. Für eine diesem Willen entsprechende Umdeutung der "Beschwerde" in einen Antrag nach § 109 FGO spricht noch, daß bei Einlegung der "Beschwerde" nicht geklärt war, ob die Entscheidung nach § 139 Abs. 4 FGO in die Entscheidung des Gerichts über die Kostentragung oder in das Kostenansatzverfahren gehört. Das FG hätte hierauf nach § 109 Abs. 1 FGO die Kostenentscheidung vom 12. Mai 1966 ergänzen müssen. Denn der Ausspruch des Gerichts nach § 139 Abs. 4 FGO ist - im Gegensatz zur Erklärung nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO - Teil der gerichtlichen Kostenentscheidung nach §§ 143, 144 FGO (BFH-Beschluß Gr. S. 5-7/66 vom 18. Juli 1967, BFH 90, 150, BStBl II 1968, 56).
Die zu der Kostenentscheidung gehörende Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten eines Beigeladenen ist - wie jede andere Kostenentscheidung - von Amts wegen zu treffen; sie setzt also keinen Antrag voraus (vgl. v. Wallis-List in Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung, § 139 FGO, Anm. 56). Ist eine Beiladung erfolgt, so ist deshalb stets von Amts wegen eine Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu treffen (vgl. auch Urteil des BVerwG V C 58/63 vom 7. April 1965, Verwaltungs-Rechtsprechung, Bd. 17 S. 638; ebenso Schunck-de Clerck, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Aufl., § 162, Anm. 3a bb). Andernfalls ist die Kostenentscheidung unvollständig. Nach dem Urteil des BVerwG V C 62/61 vom 23. Mai 1962 (BVerwGE, 14, 171 [174]; ebenso BVerwG-Urteil V C 58/63, a. a. O.) kann allerdings eine Entscheidung des Gerichts "in unzweifelhaften Fällen" auch gegeben sein, wenn über die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen weder im Tenor noch in den Gründen der Entscheidung etwas gesagt ist. Dann soll davon auszugehen sein, daß der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Der BFH folgt dieser Einschränkung für "unzweifelhafte Fälle" nicht. Das Gericht hat seine Erwägungen - auch über die Kostentragungspflicht - erkennbar darzulegen, damit die Beteiligten die tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts kennen. Nur so können sie prüfen, ob und mit welcher Begründung sie gegen die Entscheidung nach § 139 Abs. 4 FGO angehen wollen. Auch die höhere Instanz muß die Erwägungen, die das FG bei der Ausübung des richterlichen Ermessens ("aus Billigkeit") geleitet haben, erfahren, um sie würdigen zu können. Das ergibt sich auch aus § 113 Abs. 2 Satz 1 FGO. Könnte aber auch im Schweigen des FG eine Entscheidung zu sehen sein, wäre es häufig nicht klar erkennbar, ob ein bewußtes Schweigen - im Sinne einer Ablehnung der Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen - oder ob nur ein unbeabsichtigtes Schweigen vorliegt.
Der Senat geht aber davon aus, daß das Gericht in jedem Falle einer Beiladung auch über die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu entscheiden hat. Somit hat das FG im Streitfall bei der Entscheidung die Kostenfolge zum Teil übergangen; die Kostenentscheidung ist damit unvollständig und ergänzungsbedürftig.
Der Rechtsbehelf der Bfin. vom 21. September 1966 ist zwar nicht innerhalb der Frist des § 109 Abs. 2 FGO eingelegt. Die Bfin. hat jedoch rechtzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt. Das FG gab diesem Antrag - allerdings in der unrichtigen Annahme, er sei wegen Versäumung einer Beschwerdefrist gestellt - statt. Es hat seine Kostenentscheidung vom 12. Mai 1966 bisher nicht ergänzt. Der Beschluß, der Beschwerde nicht abzuhelfen, kann nicht als eine solche Ergänzung angesehen werden; denn dieser Beschluß entschied über eine vermeintliche Beschwerde der Bfin. statt über einen Antrag nach § 109 FGO. Er holte nicht in erkennbarer Weise die Entscheidung über die Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nach.
Da das FG bei dem Erlaß seiner Entscheidung vom vom 12. Mai 1966 von anderen Rechtsgrundsätzen ausging, ist die unvollständige Kostenentscheidung nunmehr zu ergänzen. Der Beschluß über die Nichtabhilfe der Beschwerde ist gegenstandslos geworden, weil der Rechtsbehelf der Beigeladenen nicht als Beschwerde, sondern als Antrag nach § 109 FGO anzusehen war. Die Sache geht zur Entscheidung unter Beachtung der vorherigen Ausführungen an das FG zurück.
Fundstellen
Haufe-Index 67709 |
BStBl II 1968, 441 |
BFHE 1968, 559 |