Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlerhafte materiell vorläufige Freistellung von der Grunderwerbsteuer
Leitsatz (NV)
1. Es bleibt weiterhin offen, ob eine fehlerhafte materiell vorläufige Freistellung von der Grunderwerbsteuer dann keine Tatbestandswirkung hat, wenn es im Zeitpunkt der Freistellung für das FA offensichtlich ist, daß der steuerbegünstigte Zweck nicht erfüllt werden kann. Eine Offensichtlichkeit liegt dann nicht vor, wenn das FA diese Frage nur auf Grund sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls entscheiden könnte.
2. Fehlt es an den tatsächlichen Voraussetzungen der Offensichtlichkeit, dann ist diese Rechtsfrage im Revisionsverfahren nicht klärungsfähig.
Normenkette
GrEStGWoBauG NW § 1 Nr. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet.
Die Rechtssache hat nicht die von der Klägerin behauptete grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m.w.N.). Die Rechtsfrage muß klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.
1. Die materiell vorläufige Freistellung von der Grunderwerbsteuer hat Tatbestandswirkung mit der Folge, daß sowohl die Entstehung der Grunderwerbsteuer als auch die Überprüfung der Voraussetzungen für die materiell endgültige Steuerbefreiung hinausgeschoben werden. Dies gilt auch für den Fall, daß die materiell vorläufige Freistellung fehlerhaft gewesen war. Diese Fragen sind durch die Rechtsprechung des erkennenden Senats geklärt (vgl. Beschluß vom 18. Dezember 1991 II B 91/91, BFH/NV 1992, 771; Urteil vom 13. Februar 1985 II R 74/82, BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374; vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609).
Der Senat hat allerdings bislang offengelassen, ob die sich aus der vorläufigen Freistellung ergebenden Rechtsfolgen möglicherweise dann nicht eintreten, wenn im Zeitpunkt der vorläufigen Freistellung für den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) ohne Prüfung offensichtlich ist, daß der steuerbegünstigte Zweck von dem Steuerpflichtigen nicht verwirklicht werden kann (vgl. BFH in BFHE 143, 163, BStBl II 1985, 374). Diese von der Klägerin für klärungsbedürftig gehaltene Rechtsfrage gibt der Rechtssache jedoch keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Klärung in einem Revisionsverfahren mangels Klärungsfähigkeit im Streitfall nicht zu erwarten ist. Das Finanzgericht (FG) hat das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalles verneint. Nach den vom FG getroffenen Sachverhaltsfeststellungen liegen derartige Umstände tatsächlich nicht vor. Angesichts der Aufteilung in mindestens drei Verträge kann keine Rede davon sein, daß das Fehlen der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung für das FA - auch wenn ihm alle Verträge vorgelegen haben sollten - offensichtlich gewesen wäre. Ohne sorgfältige Prüfung, zu der das FA im Verfahren über die vorläufige Freistellung aber nicht verpflichtet war, konnte diese Frage im Streitfall nicht entschieden werden.
Das weitere Vorbringen der Klägerin in diesem Zusammenhang läuft darauf hinaus, daß im Streitfall Sachverhaltsunterschiede zu den bisher vom BFH entschiedenen Fällen vorlägen (Ablauf von mehr als vier Jahren seit dem Ende des Jahres, in dem die Freistellungsbescheinigung erteilt, das Bauvorhaben fertiggestellt und die Erwerber - angeblich - im Grundbuch eingetragen worden seien und das FA davon Kenntnis erhalten habe). Mit der Behauptung von Unterschieden im Sachverhalt wird jedoch keine im Interesse der Allgemeinheit klärungsbedürftige Rechtsfrage herausgestellt.
2. Die von der Klägerin darüber hinaus aufgeworfene Frage, ob der Beginn der Festsetzungsfrist auch dann hinausgeschoben wird, wenn zwar keine Anzeige erfolgt, das FA aber von dem Vorgang in gleichem Umfang Kenntnis erhält wie bei einer Anzeige und nach außen erkennbare Ermittlungen anstellt, stellt sich im Streitfall schon deswegen nicht, weil nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt das FA derartige nach außen erkennbare Ermittlungen nicht angestellt hat. Aus demselben Grund ist auch im Streitfall die Rechtsfrage nicht klärungsfähig, ob in einem derartigen Fall eine konzeptmäßige Durchführung des Projekts überhaupt anzuzeigen wäre (vgl. Senatsbeschluß in BFH/NV 1992, 771).
3. Im übrigen ergeht die Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Angabe von Gründen.
Fundstellen
Haufe-Index 419293 |
BFH/NV 1994, 268 |