Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerausweis in Scheinrechnungen
Leitsatz (NV)
§ 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 ist kein Strafgesetz im Sinne des Art.103 Abs. 2 GG, sondern ein als Gefährdungstatbestand ausgestalteter Steueranspruch. Er setzt nicht die Beeinträchtigung des Steueraufkommens durch den Rechnungsempfänger voraus. Art.21 Nr.1 Buchst. c der Sechsten EG-Richtlinie bedingt keine einschränkende Auslegung.
Normenkette
UStG 1980 § 14 Abs. 3 S. 2; EWGRL 388/77 Art.21 Nr. 1 Buchst. c
Tatbestand
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhielt Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer in Höhe von 13 v.H. über die Lieferung von . . ., ohne daß die berechneten Lieferungen an sie ausgeführt wurden. Sie selbst erstellte Rechnungen mit gesondert ausgewiesener Umsatzsteuer von 7 v.H. über die Weiterlieferung der Waren, führte jedoch die Lieferungen an die Empfänger der Rechnungen ebenfalls nicht aus. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) nahm die Klägerin gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG 1980) wegen der in ihren Rechnungen ausgewiesenen Umsatzsteuer in Anspruch. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.
a) § 14 Abs. 3 UStG 1980 verstoße gegen Art.103 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG), weil auf seiner Grundlage eine Bestrafung ohne Schuldspruch erfolge. Zumindest in Verbindung mit den Billigkeitsregelungen der Finanzverwaltung in Abschn. 190 Abs. 3 der Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) und ihrer Anwendung in der Praxis werde § 14 Abs. 3 UStG 1980 zur Strafnorm, weil dem schuldlos irrenden Rechnungsaussteller die Berichtigung im nachhinein gestattet werde, während derjenige, der eine Rechnung bewußt unrichtig in den Verkehr bringe, den Rechtsfolgen des § 14 Abs. 3 UStG 1980 nicht entgehen könne. Außerdem entspreche § 14 Abs. 3 UStG 1980 nicht rechtsstaatlichen Grundsätzen.
Es sei deshalb durch den Bundesfinanzhof (BFH) zu klären, ob eine verfassungskonforme Einschränkung des Tatbestands des § 14 Abs. 3 UStG 1980 geboten sei, die dem Rechnungsaussteller die Vermeidung der Rechtsfolge ermögliche, wenn er nachweise, daß es ihm bzw. dem Rechnungsempfänger auf die unberechtigte Inanspruchnahme von Vorsteuern nicht angekommen, die Vorsteuer tatsächlich nicht abgezogen worden und die Gefahrenlage durch Einziehung der unrichtigen Rechnung beseitigt worden sei.
Diese Rechtsfrage sei umstritten, wie das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 17. Oktober 1985 VI 198/81 U (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 317f.) zeige. Nach Auffassung dieses FG greife § 14 Abs. 3 UStG 1980 nicht ein, wenn eine mißbräuchliche Verwendung der Rechnung durch den Rechnungsempfänger auszuschließen sei.
b) Bei richtlinienkonformer Auslegung des § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 könnten Scheinrechnungen nur in Verbindung mit einer Steuerhinterziehung eine Umsatzsteuerschuld auslösen. Art.21 Nr.1c der Sechsten EG-Richtlinie gelte nicht für Scheinrechnungen. Art.22 Abs. 8 der Richtlinie als Ermächtigungsgrundlage setze eine Steuerhinterziehung voraus (vgl. Autenrieth in Der Betrieb 1990, 456).
Entscheidungsgründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen entweder durch die Rechtsprechung geklärt sind oder sich ohne weiteres aus den maßgeblichen Rechtsnormen ergeben.
1. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Beschluß vom 5. Mai 1992 2 BvR 271/92 (Steuer-Eildienst 1992, 318) seine eigene bisherige Rechtsprechung zu § 14 Abs. 3 UStG 1980 bestätigt. Nach dieser Entscheidung bestehen keine Bedenken aus Art.3 Abs. 1 GG dagegen, daß § 14 Abs. 3 UStG 1980 als Gefährdungstatbestand formuliert ist. Die Vorschrift verstoße auch nicht gegen Art.103 Abs. 2 GG, weil sie verfassungsrechtlich unbedenklich als Steueranspruch angesehen werden könne.
Die Entscheidung des BVerfG bestätigt zugleich die ständige Rechtsprechung des BFH, wonach § 14 Abs. 3 UStG 1967/1980 als Gefährdungstatbestand gestaltet ist, der - im Falle fehlender Leistungen - die Besteuerung allein durch die mißbräuchliche Rechnungsbegebung auslöst, unabhängig davon, ob das Steueraufkommen durch den Vorsteuerabzug des Rechnungsempfängers beeinträchtigt wird oder nicht (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 10. Dezember 1981 V R 3/75, BFHE 135, 107, BStBl II 1982, 229). Der Senat ist im Urteil vom 21. Mai 1992 V R 33/86, BFH/NV 1993, 200, der hiervon abweichenden Auffassung des FG Düsseldorf im Urteil in EFG 1986, 317f. nicht gefolgt. Nach der Rechtsprechung kommt es auch nicht darauf an, ob - wie die Klägerin für sich in Anspruch nimmt - der Rechnungsaussteller nicht die Absicht hatte, dem Rechnungsempfänger den unberechtigten Vorsteuerabzug zu verschaffen (BFH-Urteil vom 21. Mai 1987 V R 129/78, BFHE 150, 90, BStBl II 1987, 652).
2. Diese Rechtsauffassung des BFH bedarf keiner Überprüfung im Hinblick auf Regelungen der Sechsten EG-Richtlinie vom 17. Mai 1977. Gemäß Art.21 Nr.1 der Richtlinie schuldet die Mehrwertsteuer nicht nur der Steuerpflichtige, der einen steuerpflichtigen Umsatz bewirkt (Buchst. a), sondern jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist (Buchst. b). Diese Richtlinie läßt nach ihrem Wortlaut und systematischen Zusammenhang keine Einschränkung dahingehend erkennen, daß die Inanspruchnahme des Rechnungsausstellers bei fehlender Leistung vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung abhängig sein soll.
Fundstellen