Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung; Zweifel an Rechtmäßigkeit der Rückforderung differenzierter Ausfuhrerstattung bei verspäteter Vorlage des Beförderungspapiers
Leitsatz (NV)
- In Sachen der Ausfuhrerstattung richtet sich die Aussetzung der Vollziehung (AdV) nicht nach EWGV 2913/92 Art. 244, sondern weiterhin nach nationalem Recht.
- Rechtsgrundlage für die Rückforderung von Ausfuhrerstattung ist ab dem 1. April 1995 das maßgebende Gemeinschaftsrecht.
- Hat das HZA die differenzierte Ausfuhrerstattung gewährt, ohne den Antragsteller auf die Nichtvorlage des Beförderungspapiers hinzuweisen, so kann sich der Antragsteller gegenüber der Rückforderung der Ausfuhrerstattung nicht auf Vertrauensschutz berufen.
- Es ist ernstlich zweifelhaft, ob eine bereits gewährte Ausfuhrerstattung auch dann zurückzufordern ist, wenn bei ihrer Gewährung übersehen worden ist, dass bestimmte Beförderungspapiere nicht vorgelegt worden sind, die aber vorhanden waren und nach Bemerken des Fehlers unverzüglich nachgereicht worden sind.
- Zum Verlangen von Sicherheitsleistung bei AdV.
Normenkette
EGV 3665/87 Art. 11 Abs. 3; EWGV 3665/87 Art. 18 Abs. 3, Art. 47 Abs. 2, 4-5; EWGV 2913/92 Art. 244; FGO § 69 Abs. 2-3; MOG § 10; VwVfG § 48 Abs. 2-4
Tatbestand
I. Die Antragstellerin, Beschwerdeführerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) führte mit Ausfuhranmeldung vom 10. Oktober 1995 Rinder der Marktordnungs-Warenlistennummer 0102 9071 0000 in die Türkei aus. Der Transport der Rinder sollte per LKW von Deutschland, von dort per Bahn nach Kroatien und von dort per Schiff in die Türkei erfolgen. Auf Antrag der Antragstellerin bewilligte der Antragsgegner, Beschwerdegegner und Beschwerdeführer (das Hauptzollamt ―HZA―) mit Bescheid vom 15. Dezember 1995 Ausfuhrerstattung in Höhe von … DM. Mit Schreiben vom 19. August 1999 teilte das HZA der Antragstellerin mit, eine Prüfung des Ausfuhrvorgangs habe ergeben, dass für den Transportweg von Deutschland bis Kroatien die Beförderungspapiere fehlten. Die Antragstellerin wurde insoweit um Stellungnahme gebeten. Daraufhin übersandte die Antragstellerin mit Schreiben vom 28. September 1999 Kopien der Bahnfrachtbriefe.
Mit Berichtigungsbescheid vom 5. Oktober 1999 setzte das HZA die Ausfuhrerstattung für die genannte Ausfuhrsendung auf 0 DM fest und forderte die gewährten … DM mit der Begründung zurück, dass das Beförderungspapier für die Strecke Deutschland - Kroatien nicht fristgemäß vorgelegt worden sei. Außerdem seien nach dem Primärnachweis der Fa. X vom 25. Oktober 1995 vier Tiere auf dem Transport verendet. Über den gegen den Berichtigungsbescheid gerichteten Einspruch der Antragstellerin ist noch nicht entschieden. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV) lehnte das HZA ab.
Daraufhin beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG) die AdV ohne Sicherheitsleistung und machte geltend, das HZA könne sein gegen Gemeinschaftsrecht verstoßendes Handeln nicht auf die Antragstellerin abwälzen, wenn es trotz des nicht vorhandenen Beförderungspapiers Erstattungen gewährt habe. Auf Grund der vorgelegten Dokumente sei es eindeutig, dass die Rinder aus dem Gemeinschaftsgebiet ausgeführt und in das Bestimmungsland verbracht worden seien. Die Antragstellerin beruft sich auf Vertrauensschutz und den Wegfall der Bereicherung. Außerdem sei die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verstrichen. Das Schreiben des HZA vom 19. August 1999, mit dem sie zur Stellungnahme bezüglich der fehlenden Beförderungspapiere aufgefordert worden sei, müsse als Fristverlängerung bzw. als Verzicht auf die Einhaltung der Frist zur Vorlage der Beförderungspapiere ausgelegt werden. Die AdV werde auch wegen unbilliger Härte beantragt. Die Antragstellerin werde auf Grund der gesamten Rückforderungsbeträge gezwungen, ihre Geschäftstätigkeit einzustellen und das Insolvenzverfahren zu beantragen.
Der Antrag hatte teilweise Erfolg. Das FG setzte die Vollziehung des Berichtigungsbescheids gegen Sicherheitsleistung in Höhe von … DM aus. Es führte im Einzelnen aus, dass ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestünden (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―), weil die Antragstellerin zwar die Beförderungspapiere erst nach Fristablauf vorgelegt habe, im Streitfall aber der Grundsatz von Treu und Glauben entgegenstehe, wenn sich das HZA auf den Fristablauf berufe. Ein solches Verhalten sei treuwidrig. Durch den positiven Bescheid sei die Antragstellerin in ihrem Irrtum bestärkt worden, alle erforderlichen Nachweise beigebracht zu haben, so dass kein Anlass mehr für sie bestanden habe, die Vollständigkeit ihres Erstattungsantrags zu überprüfen. Stelle sich erst nachträglich durch eine vom HZA veranlasste Prüfung das Fehlen erforderlicher Nachweisunterlagen heraus, so habe das HZA nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der Antragstellerin eine angemessene Nachfrist zu gewähren, um die fehlenden Unterlagen nachzureichen. Die Antragstellerin habe im Streitfall die Bahnfrachtbriefe innerhalb angemessener Frist nachgereicht.
Hinsichtlich der in dem angefochtenen Berichtigungsbescheid erwähnten 4 verendeten Tiere bestünden Zweifel tatsächlicher Art, ob die Tiere auf den der Antragstellerin zuzurechnenden Anteil von 93 Tieren entfielen.
In Anbetracht der Höhe des Rückforderungsbetrags und des Umstandes, dass die Antragstellerin nicht mehr am Erstattungsverfahren teilnehme, hielt das FG die Anordnung einer Sicherheitsleistung für angemessen.
Mit der Beschwerde möchte die Antragstellerin die AdV ohne Sicherheitsleistung erreichen. Sie macht im Einzelnen geltend, ihre Kreditlinien bei den Banken seien erschöpft, sie verfüge über keinerlei Sicherheiten, Einkünfte aus anderen Geschäften als dem Vieh- und Fleischhandel habe sie nicht. Zum Beweis dessen hat sie eine Bestätigung ihres Steuerberaters vorgelegt.
Das HZA beantragt, die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen und wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die AdV; es begehrt die Aufhebung der Vorentscheidung. Es hält die in der Vorentscheidung vertretene Auffassung nicht für richtig, dass bei endgültiger Gewährung der Ausfuhrerstattung zur Vorlage der Unterlagen eine Nachfrist zu setzen sei, wenn deren Fehlen erst nach Ablauf der Ausschlussfrist und der Gewährung der Ausfuhrerstattung festgestellt worden sei. Eine AdV komme auch nicht wegen unbilliger Härte in Betracht.
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat verbindet die Verfahren VII B 145/00 und VII B 146/00, weil es zweckmäßig ist, darüber gemeinsam zu entscheiden (§ 73 Abs. 1 Satz 1 FGO).
2. Die Beschwerde des HZA ist unbegründet. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts. Die Aussetzung seiner Vollziehung durch das FG begegnet im Ergebnis keinen Bedenken.
a) Rechtsgrundlage für die AdV ist im Streitfall nicht Art. 244 der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 (Zollkodex ―ZK―) des Rates vom 12. Oktober 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ―ABlEG― Nr. L 302/1), weil die Gewährung von Ausfuhrerstattungen nicht Teil der Regelung des ZK für die Ausfuhr von Gemeinschaftswaren ist, sondern ihre Grundlage in den Verordnungen zur Einführung gemeinsamer Marktorganisationen für verschiedene Agrarerzeugnisse hat (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften ―EuGH―, Urteil vom 17. Juli 1997 Rs. C-334/95, EuGHE 1997, I-4517 Rz. 39). Die AdV richtet sich daher grundsätzlich weiterhin nach nationalem Recht, wobei u.U. bestimmte vom EuGH aufgestellte Kriterien zu berücksichtigen sind (EuGH in EuGHE 1997, I-4517 Rz. 44). Im Streitfall, in dem es nicht um die Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht geht, sind daher weiterhin die Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO für die finanzgerichtliche AdV eines Verwaltungsakts zu beachten.
b) Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht die Vollziehung einer angefochtenen Entscheidung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an ihrer Rechtmäßigkeit bestehen. Ernstliche Zweifel sind anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung neben Umständen, die für die Rechtmäßigkeit sprechen, gewichtige Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Tatfragen auslösen. Eine überwiegende Erfolgsaussicht des Rechtsmittels ist für die AdV nicht erforderlich (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschluss vom 5. November 1998 VIII B 74/98, BFH/NV 1999, 468). Solche ernstlichen Zweifel bestehen im Streitfall an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts.
aa) Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gewährten Ausfuhrerstattung ist, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, Art. 11 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 (VO Nr. 3665/87) der Kommission vom 27. November 1987 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABlEG Nr. L 351/1) i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom 2. Dezember 1994 (ABlEG Nr. L 310/57), diese i.d.F. der Berichtigung gemäß ABlEG vom 16. Juni 1995 Nr. L 132/22 und i.d.F. der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1384/95 der Kommission vom 19. Juni 1995 (ABlEG Nr. L 134/14). Nach dieser Vorschrift, die auf alle Ausfuhren ab dem 1. April 1995 anzuwenden ist, hat der Begünstigte zu Unrecht erhaltene Beträge zurückzuzahlen. Da diese Vorschrift die Rückforderung zu Unrecht gezahlter Beträge abschließend regelt, ist § 10 des Marktordnungsgesetzes (MOG) daneben nicht mehr anzuwenden. Das bedeutet auch, dass die Vorschriften des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG, auf die § 10 MOG verweist, insoweit keine Anwendung mehr finden (vgl. Schrömbges, Zeitschrift für Zölle + Verbrauchsteuern ―ZfZ― 1995, 130, 135; Duric/Senn, ZfZ 1996, 98; Prieß, ZfZ 1996, 302, 303). Mit der durch den neuen Art. 11 VO Nr. 3665/87 getroffenen Gemeinschaftsregelung für die Rückforderung von Ausfuhrerstattung ist auch das Senatsurteil vom 27. Oktober 1992 VII R 46/92 (BFHE 169, 570) insofern überholt, als es ausgeführt hat, dass § 10 Abs. 1 Satz 1 MOG die Erstattung der auf Grund der zurückgenommenen Verwaltungsakte gewährten Ausfuhrerstattung abschließend regele.
bb) Die Antragstellerin hat das Beförderungspapier, von dessen Vorlage die Gewährung der Ausfuhrerstattung in jedem Fall abhängt, nicht rechtzeitig vorgelegt.
Im Falle der differenzierten Erstattung, wie sie in Art. 16 ff. VO Nr. 3665/87 geregelt ist, muss innerhalb der Frist von 12 Monaten nach Annahme der Ausfuhranmeldung außer den Nachweisen über die Abfertigung der Waren zum freien Verkehr des Bestimmungsdrittlandes in allen Fällen eine Kopie oder Fotokopie des Beförderungspapiers vorgelegt werden (Art. 18 Abs. 3, Art. 47 Abs. 2 VO Nr. 3665/87). Nach Art. 47 Abs. 4 VO Nr. 3665/87 kann die Frist auf Antrag verlängert werden, wenn u.a. das Beförderungspapier nicht vorgelegt werden konnte, obwohl der Ausführer alles in seiner Macht Stehende für dessen fristgerechte Beschaffung und Vorlage unternommen hat. Dieser Antrag muss laut ausdrücklicher Vorschrift in Art. 47 Abs. 5 VO Nr. 3665/87 innerhalb der in Abs. 2 der Vorschrift festgelegten Zwölf-Monatsfrist gestellt werden.
Die Antragstellerin hat das Beförderungspapier für die Sendung von Deutschland nach Kroatien weder innerhalb der vorgeschriebenen Frist vorgelegt noch einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt. Da sie innerhalb der Frist keinen entsprechenden Antrag gestellt hat, brauchte das HZA auch nicht zu prüfen, ob das Nichtverlangen des Beförderungspapiers Einfluss auf das Verhalten der Antragstellerin gehabt hat und ob deswegen eine Fristverlängerung in Betracht kommen würde (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 12. Juli 1990 Rs. C-155/89, EuGHE 1990, I-3265, 3305 Rz. 15).
cc) Der Senat vermag die Auffassung des FG, dass der Antragstellerin hinsichtlich der nicht fristgemäßen Vorlage des Beförderungspapiers Vertrauensschutz zu gewähren wäre, weil das HZA die Ausfuhrerstattung gewährt habe, ohne die Antragstellerin auf das Fehlen des Beförderungspapiers hinzuweisen, nicht zu teilen.
Ein Vertrauensschutz nach nationalem Recht, etwa nach den Regelungen des § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG oder den Grundsätzen von Treu und Glauben, scheidet im Streitfall aus, weil sich die Rückforderung von zu Unrecht gewährter Erstattung, wie bereits oben ausgeführt, allein nach Gemeinschaftsrecht richtet. Darin sind entsprechende Vorschriften nicht enthalten (vgl. Prieß, ZfZ 1996, 302, 303). Art. 8 Abs. 1 ZK, der bei Rücknahme von Entscheidungen im Zollrecht eine Vertrauensschutzregelung enthält, ist im Streitfall nicht anzuwenden, weil das Erstattungsrecht ein nicht von den Regelungen des Zollrechts erfasstes Rechtsgebiet ist (vgl. EuGH, Urteil in EuGHE 1997, I-4517).
Eine Regelung wie die des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG ist im Übrigen verfassungsrechtlich nicht geboten; sie dient allein der Rechtssicherheit des Begünstigten (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 8. September 1993 11 C 39.92, Deutsches Verwaltungsblatt 1994, 409). Außerdem wären ihre Voraussetzungen im Streitfall auch nicht erfüllt, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der zuständige Sachbearbeiter schon vor dem Ergebnis der Prüfung, die im Jahre 1999 stattgefunden hat, wusste, dass die Ausfuhrerstattung rechtswidrig gewährt worden ist.
Auch sonst gibt es für einen nach rechtsstaatlichen Grundsätzen erforderlichen Vertrauensschutz keine Gründe. Denn die Antragstellerin hat selbst durch eigenes vorsätzliches, zumindest leichtfertiges Unterlassen die Lage herbeigeführt, die zur Versagung von Ausfuhrerstattung hätte führen können und müssen, weil sie das Beförderungspapier nicht, wie gemeinschaftsrechtlich zwingend vorgeschrieben, rechtzeitig vorgelegt hat.
Selbst wenn aber ein Vertrauensschutz nach nationalem Recht in Betracht käme, könnte er jedenfalls nicht über den Vertrauensschutz hinausgehen, der im Gemeinschaftsrecht anerkannt ist. Wie der EuGH bereits entschieden hat, kann der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht gegen ―wie im Streitfall― klare gemeinschaftsrechtliche Bestimmungen angeführt werden (vgl. EuGH, Urteil vom 26. April 1988 Rs. 316/86, EuGHE 1988, 2213). Das gemeinschaftsrechtswidrige Verhalten einer für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts zuständigen nationalen Stelle ―hier des HZA― kann demnach kein berechtigtes Vertrauen des Betroffenen auf eine gemeinschaftsrechtswidrige Behandlung begründen (vgl. Senatsurteil vom 18. Mai 1993 VII R 70/92, BFH/NV 1994, 208). Das gilt hinsichtlich der Gewährung der Ausfuhrerstattung, ohne dass das Fehlen des Beförderungspapiers beanstandet wurde, und würde in gleicher Weise hinsichtlich einer vermeintlich durch das Schreiben des HZA vom 19. August 1999 gewährten Fristverlängerung für die Vorlage des Beförderungspapiers bzw. eines darin von der Antragstellerin gesehenen Verzichts auf die Einhaltung der Frist gelten.
Das FG bezieht sich für seine gegenteilige Auffassung auf sein Urteil vom 11. Juli 1975 IV 15/73 H (Entscheidungen der Finanzgerichte 1976, 93), in dem es das Entstehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses durch die Stellung des Antrags auf Erstattung angenommen hat, das die Verpflichtung der Behörde begründe, den gesetzlichen Anspruch des Antragstellers auf Ausfuhrerstattung nach Kräften zu unterstützen. Dazu gehöre auch, dass die Verwaltung nach Prüfung der eingegangenen Erklärungen den Antragsteller ggf. auffordern müsse, fehlende Erklärungen abzugeben oder weitere Nachweise zu erbringen. Diese Meinung stützt das FG aber zu Unrecht auf das EuGH-Urteil vom 22. Januar 1975 Rs. 55/74 (EuGHE 1975, 9). Denn der EuGH hat darin nur ausgeführt, dass es Sache der nationalen Behörden sei, im Einzelfall die ausreichende Beweiskraft der Eintragungen im Kontrollexemplar oder aber die Notwendigkeit weiterer Nachweise festzustellen. Damit hat der EuGH lediglich die Zuständigkeit der nationalen Behörden für die Tatsachenfeststellung hervorgehoben, nicht aber eine Pflicht der nationalen Verwaltung gegenüber einem Antragsteller festlegen wollen, die sie zu rechtzeitigen Hinweisen auf fehlende Unterlagen veranlassen würde. Es ist im Übrigen Sache des Antragstellers, sich die erforderlichen Kenntnisse des Gemeinschaftsrechts zu verschaffen (EuGH, Urteil vom 12. Juli 1989 Rs. 161/88, EuGHE 1989, 2415) und seine sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Pflichten zu erfüllen.
dd) Bei summarischer Prüfung ist aber ernstlich zweifelhaft, ob eine bereits gewährte Ausfuhrerstattung nach Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 auch dann zurückzufordern ist, wenn bei ihrer Gewährung übersehen worden ist, dass bestimmte Beförderungspapiere nicht vorgelegt worden sind, die aber vorhanden waren und nach Bemerken des Fehlers unverzüglich nachgereicht worden sind.
Gemäß Art. 11 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 muss der Begünstigte den zu Unrecht erhaltenen Betrag zurückzahlen. Fraglich ist, was unter dem "zu Unrecht erhaltenen Betrag" zu verstehen ist. Ist das Tatbestandsmerkmal schon als erfüllt anzusehen, wenn die formalen Vorschriften für die Gewährung der Ausfuhrerstattung, nämlich die Fristen für die Vorlage der notwendigen Unterlagen ―hier des Beförderungspapiers― nicht eingehalten wurden, so hätte das HZA im Streitfall die Ausfuhrerstattung mit Recht zurückgefordert. Ist die Bestimmung hingegen so zu verstehen, dass die Ausfuhrerstattung nur dann als zu Unrecht gewährt anzusehen ist, wenn die materiellen Voraussetzungen für die Gewährung der Ausfuhrerstattung nicht eingehalten wurden, nämlich z.B. das Beförderungspapier überhaupt nicht vorgelegt wird, wäre der Rückforderungsbescheid rechtswidrig.
Für die letztere Auslegung der Bestimmung spricht die Systematik der VO Nr. 3665/87. Nach deren Art. 18 Abs. 3 hängt die Gewährung der Ausfuhrerstattung nur davon ab, dass das Beförderungspapier vorgelegt wird. Die Fristenregelung befindet sich erst in der Verfahrensbestimmung des Art. 47 VO Nr. 3665/87. Sie bezweckt vor allem eine zügige Abwicklung des Verwaltungsverfahrens für die Zahlung der Erstattung. Ihre Einhaltung erscheint daher als Nebenpflicht im Verhältnis zu der in Art. 18 Abs. 3 VO Nr. 3665/87 begründeten Hauptpflicht zur Vorlage des Beförderungspapiers. Ist das Verwaltungsverfahren durchgeführt worden, ohne dass die Nichtvorlage des beim Ausführer vorhandenen Beförderungspapiers bemerkt worden ist, so hatte die Nichteinhaltung der Nebenpflicht keine Auswirkungen auf die im Erstattungsverfahren getroffene Entscheidung. Denn in diesem Fall ist das Verwaltungsverfahren weder ungebührlich verzögert worden, noch hätte sich eine andere Entscheidung ergeben, wenn die Nichtvorlage des Beförderungspapiers rechtzeitig bemerkt worden wäre und der Fehler dann ―wie im Streitfall― ohne weiteres hätte behoben werden können und behoben worden wäre. In einem solchen Fall ist bei summarischer Prüfung nicht ohne weiteres die Möglichkeit auszuschließen, die unverzügliche Nachreichung des versehentlich nicht rechtzeitig vorgelegten Beförderungspapiers zuzulassen, ohne dass allein dessen verspätete Vorlage die Rückforderung des Erstattungsbetrags zur Folge hat.
ee) Hinsichtlich der in dem Berichtigungsbescheid erwähnten 4 Tiere, die auf dem Transport verendet sind, hat das HZA die vom FG geäußerten Zweifel tatsächlicher Art nicht aufgeklärt. Daher ist auch insoweit die AdV gerechtfertigt.
3. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Festsetzung der Sicherheitsleistung ist unbegründet. Das FG hat das ihm insoweit zustehende Ermessen nicht erkennbar fehlerhaft ausgeübt, sondern mit dem Hinweis auf die konkrete wirtschaftliche Lage der Antragstellerin die Gefährdung des Rückforderungsanspruchs begründet (zu den in Betracht kommenden Gesichtspunkten vgl. auch BFH-Beschluss vom 17. Januar 1996 V B 100/95, BFH/NV 1996, 491, und Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 69 Anm. 144 ff., m.w.N.). Es wäre deshalb Sache der Antragstellerin gewesen, im Einzelnen die Umstände näher darzulegen und glaubhaft zu machen, die eine AdV ohne Sicherheitsleistung rechtfertigten (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Januar 1997 X S 11/96, BFH/NV 1997, 512, m.w.N.). Die Vorlage des Schreibens des Steuerberaters der Antragstellerin vom 4. April 2000, in dem dieser bestätigt, dass die Antragstellerin nicht zur Leistung einer Sicherheit in der Lage ist, reicht insoweit nicht aus. Die mit Schriftsatz vom 4. April 2000 angekündigte Bilanz hat die Antragstellerin bisher nicht vorgelegt. Die Ausnahme, dass eine Sicherheitsleistung nicht geboten ist, wenn das Hauptsacheverfahren mit großer Wahrscheinlichkeit einen für die Antragstellerin günstigen Ausgang nehmen wird (vgl. BFH, Beschluss vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, BFH/NV 2000, 827), ist im Streitfall nicht gegeben.
Fundstellen
Haufe-Index 509998 |
BFH/NV 2001, 75 |
HFR 2001, 103 |