Entscheidungsstichwort (Thema)
Beteiligtenvernehmung
Leitsatz (NV)
1. Eine beantragte Beteiligtenvernehmung kann unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann, oder wenn nichts an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens des Beteiligten erbracht ist.
2. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist nicht verletzt, wenn das FG den Vortrag eines Beteiligten als bloße Schutzbehauptung würdigt.
3. Eine unrichtige Sachverhaltswürdigung ist kein Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, § 82; ZPO § 450
Verfahrensgang
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.
1. Das Finanzgericht (FG) hat durch Unterlassen einer Beteiligtenvernehmung gemäß § 81 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Verfahrensvorschriften nicht verletzt. Der Senat unterstellt insoweit zugunsten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), daß der von ihr nach der Beweisaufnahme wiederholte Antrag aus dem Schriftsatz vom 4. Februar 1994 als ausreichende Rüge einer unterlassenen Beweisaufnahme i. S. des § 155 FGO i. V. m. § 295 der Zivilprozeßordnung (ZPO) verstanden werden könnte.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Beteiligtenvernehmung nur ein letztes Hilfsmittel. Sie dient nicht dazu, einem Beteiligten Gelegenheit zu geben, seine eigenen Behauptungen zu bestätigen und ggf. zu beschwören. Sie kann unterbleiben, wenn sich das Gericht mit Hilfe anderer Beweismittel eine Überzeugung bilden kann oder wenn nichts an Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorbringens erbracht ist (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 27. September 1991 VI R 1/90, BFHE 166, 61, BStBl II 1992, 195 m. w. N.; vom 4. Juni 1992 IV R 79/91, BFH/NV 1992, 809 m. w. N.; vom 6. Februar 1985 I R 87/84, BFH/NV 1985, 104; vom 3. August 1984 VI R 147/81, Betriebs-Berater -- BB -- 1986, 1497, und vom 3. Februar 1993 IV R 4/92, BFH/NV 1994, 42; Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 18. Aufl., § 448 Rdnr. 2 m. w. N.). Wenn das FG im Urteil ausführt, daß unter Berücksichtigung der Zeugeneinvernahme und der sonstigen Umstände die Ausführung der Klägerin, sie habe ab 1. Januar 1993 in D überhaupt keine Geschäftsräume mehr gehabt, nur eine Schutz behauptung sei, so hat es damit zum Ausdruck gebracht, daß nichts an Wahrscheinlichkeit für den Vortrag der Klägerin spricht. Diese Auffassung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie widerspricht weder allgemeinen Denkgesetzen noch Erfahrungssätzen und ist durch die Zeugenaussage und die eingereichten Unterlagen belegt. Der als Zeuge vernommene Postbedienstete hat bekundet, daß sich im ersten Halbjahr 1993 und darüber hinaus am Briefkasten der H-Straße ... in D ein Namensschild der Klägerin befunden habe. Ferner ist ausweislich der Postzustellungsurkunde nachgewiesen, daß Herr A dort Post für die Klägerin entgegengenommen hat, was unverständlich wäre, wenn die Klägerin dort keine Geschäftsräume mehr unterhalten hätte. Auch gab die Klägerin selbst in den mit Schriftsatz vom 22. April 1993 beim FG eingereichten Steuererklärungen die H-Straße in D als ihre Anschrift an. Außerdem enthält auch die von der Klägerin vorgelegte und vom Notar im Dezember 1992 unterzeichnete Urkunde den Hinweis: "Die Geschäftsräume der Gesellschaft befinden sich nunmehr in D, H-Straße ... "
2. Das FG hat in diesem Zusammenhang auch nicht den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes -- GG --) verletzt. Das FG hat den Vortrag der Klägerin, daß sie die Geschäftsräume in der H-Straße ab 1. Januar 1993 nicht mehr genutzt habe, zur Kenntnis genommen. Davor, daß es diese Ausführungen inhaltlich als bloße Schutzbehauptung qualifiziert, schützt Art. 103 Abs. 1 GG nicht.
3. Soweit die Klägerin eine Verletzung des § 76 FGO mit dem Hinweis rügt, daß kein Beweis darüber erhoben worden sei, ob A zur Entgegennahme von Post der Klägerin bevollmächtigt gewesen sei, ist diese Rüge in nicht zulässiger Form erhoben. Insoweit fehlt es an der Angabe der -- nach Auffassung der Klägerin -- zur Erhebung geeigneten Beweismittel (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 17. Mai 1989 II B 45/89, BFH/NV 1990, 576).
Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang auch noch erhobene Rüge, das FG habe die von ihr vorgelegten Unterlagen nicht richtig gewürdigt, begründet -- sollte sie sachlich zutreffen -- keinen Verfahrensfehler i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO. Im übrigen bestätigen die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen nur, daß A Gesellschafter der M GmbH ist. Zu der Tatsache, daß A nicht zur Entgegennahme von Post für die Klägerin bevollmächtigt gewesen sein soll, enthalten sie nichts.
Fundstellen
Haufe-Index 420400 |
BFH/NV 1995, 793 |