Entscheidungsstichwort (Thema)
NZB: Ablehnung der Terminsverlegung und rechtliches Gehör
Leitsatz (NV)
1. Die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Prozessvertreters verletzt den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht, wenn die behauptete plötzliche Erkrankung des Prozessvertreters weder durch ein ärztliches Attest noch durch eine nachvollziehbare Darlegung der näheren Umstände der Erkrankung und des Bemühens, ein Attest rechtzeitig beizubringen, glaubhaft gemacht ist.
2. Hat das FG eine Schätzung aufgrund einer Geldverkehrsrechnung geprüft und bestätigt, so reicht die Behauptung, die Hinzurechnung liege weit außerhalb der Wahrscheinlichkeit und sei deshalb willkürlich, zur Darlegung eines schwerwiegenden Fehlers des FG-Urteils, der die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO rechtfertigt, nicht aus.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4; FGO §§ 90-91, 96, 115 Abs. 2 Nrn. 2-3; ZPO § 227 Abs. 2
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 08.12.2003; Aktenzeichen 10 K 2730/01) |
Gründe
Der Senat verzichtet auf eine Darstellung des Sachverhalts (§ 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Beschwerde ist unbegründet. Sie ist deshalb durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Ein die Zulassung der Revision rechtfertigender Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) liegt nicht vor. Das Finanzgericht (FG) hat das rechtliche Gehör des Klägers und Beschwerdeführers (Klägers) nicht dadurch verletzt, dass es dem Antrag des Prozessbevollmächtigten auf Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben hat.
Die Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne Anwesenheit des (ordnungsgemäß) geladenen Prozessbevollmächtigten (§§ 90, 91 FGO) kann zwar das rechtliche Gehör (§ 96 Abs. 2 FGO) verletzen, wenn einem vor dem Termin gestellten Antrag auf Verlegung nicht stattgegeben worden ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das FG aber nicht verpflichtet, einem Antrag auf Terminsverlegung, der "in letzter Minute" gestellt und mit einer plötzlichen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten begründet wird, stattzugeben, wenn die Gründe für die Terminsverlegung nicht ausreichend dargelegt und mit der Antragstellung glaubhaft gemacht werden. Erforderlich ist regelmäßig die Vorlage eines ärztlichen Attests, aus dem sich die Verhandlungsunfähigkeit des Beteiligten ergibt, oder eine so genaue Schilderung der Erkrankung samt Glaubhaftmachung, dass das FG selbst beurteilen kann, ob die Erkrankung so schwer ist, dass ein Erscheinen zum Termin nicht erwartet werden kann (BFH-Beschlüsse vom 14. Mai 1996 VII B 237/95, BFH/NV 1996, 902; vom 31. Juli 1996 V B 35/96, BFH/NV 1997, 53). Diesen Anforderungen genügte das Verlegungsbegehren des Klägers nicht.
Der Prozessbevollmächtigte hat lediglich vorgetragen, er sei in der Nacht vor dem Termin erkrankt und habe am Verhandlungstag gegen 9.00 Uhr eine seiner Kanzleiangestellten telefonisch gebeten, beim FG anzurufen, dort die Erkrankung mitzuteilen und darum zu bitten, dass der Termin verlegt werde. Da er zu Beginn der mündlichen Verhandlung noch nicht von einem Arzt habe untersucht werden können, sei es ihm nicht möglich gewesen, die Krankheit glaubhaft zu machen. Das reicht unter den konkret gegebenen Umständen jedoch nicht aus, eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör auf Grund der Durchführung der mündlichen Verhandlung ohne ihn darzulegen. Nach dem in der mündlichen Verhandlung verlesenen Aktenvermerk der Geschäftsstelle des FG ist dem Sekretariat des Prozessbevollmächtigten anlässlich des Anrufs um 8.55 Uhr mitgeteilt worden, dass die Sitzung gleichwohl stattfinde. Mindestens dieser Hinweis hätte den Prozessbevollmächtigten --auch ohne förmliches Nachweisverlangen des Gerichts gemäß § 227 Abs. 2 der Zivilprozessordnung-- veranlassen müssen, dem Gericht die näheren Umstände seiner Erkrankung und sein Bemühen, ein ärztliches Attest beizubringen, darzulegen.
2. Ebenfalls kein Zulassungsgrund liegt in der Rüge des Klägers, das Urteil sei insoweit willkürlich, als das FG eine weit außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende Besteuerungsgrundlage geschätzt habe, weil nicht nachvollziehbar sei, wie auf Grund von Geldverkehrsrechnungen Fehlbeträge von insgesamt … DM ermittelt und auf welcher Basis für die Streitjahre entsprechende Zuschätzungen vorgenommen worden seien.
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist. Das ist nach der Rechtsprechung des BFH u.a. der Fall, wenn das Urteil des FG an einem derart schwerwiegenden Fehler leidet, dass es willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2002 III B 28/02, BFH/NV 2002, 1474; vom 29. Oktober 2003 III B 15/03, BFH/NV 2004, 166, und vom 9. März 2004 X B 68/03, BFH/NV 2004, 1112). Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn Verfahrensgrundrechte oder das aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und Art. 19 Abs. 4 GG abzuleitende Recht eines Beteiligten auf willkürfreie gerichtliche Entscheidung durch das Urteil des FG verletzt werden.
Der Kläger hat einen solchen schwerwiegenden Fehler, der den Fortbestand des erstinstanzlichen Urteils mit grundrechtlich geschützten Positionen als nicht vereinbar erscheinen ließe, nicht schlüssig vorgetragen.
Das FG ist auf Grund der dem Kläger bekannten, für den privaten Vermögensbereich erstellten Geldverkehrsrechnung der Fahndungsprüferin davon ausgegangen, dass festgestellte Differenzen zwischen laut Buchführung zur Verfügung stehenden Mitteln und verwendeten Mitteln es rechtfertigen, das Buchführungsergebnis für die Streitjahre zu verwerfen und die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Die Geldverkehrsrechnung ist eine anerkannte Schätzungsmethode, die die Beweiskraft einer formell ordnungsmäßigen Buchführung widerlegen und in Höhe der errechneten Fehlbeträge nicht verbuchte Betriebseinnahmen nachweisen kann (BFH-Urteil vom 8. September 1994 IV R 6/93, BFH/NV 1995, 573).
Das FG hat die Zuschätzungen des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) und die Einwendungen des Klägers unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme in seinen Entscheidungsgründen gewürdigt. Dem Beschwerdevorbringen ist nicht zu entnehmen, was der Kläger diesen Ausführungen entgegenzusetzen hat.
Fundstellen