Entscheidungsstichwort (Thema)
Verletzung der Pflicht zur richtigen, vollständigen und deutlichen Sachverhaltsunterbreitung
Leitsatz (NV)
Der Steuerpflichtige verletzt seine Mitwirkungspflicht mit der Folge, dass der Steuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 geändert werden darf, wenn er Einkünfte zwar nicht verschweigt, aber im nach § 150 AO 1977 amtlich vorgeschriebenen Vordruck an unzutreffender Stelle einträgt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 1-2; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 150
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage nach der Bedeutung und dem Umfang der Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen in Fällen der Bescheidänderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) hat weder grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) noch rechtfertigt sie die Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO). Denn diese Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig.
a) Durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist bereits geklärt, unter welchen Voraussetzungen das Finanzamt (FA) gehindert ist, eine Einkommensteuerfestsetzung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wegen nachträglich bekannt gewordener steuererhöhender Umstände ―wie im Streitfall― zu ändern.
Danach ist das Recht des FA zur Änderung nach Treu und Glauben ausgeschlossen, wenn ihm die nachträglich bekannt gewordene Tatsache bei ordnungsgemäßer Erfüllung seiner Ermittlungspflicht nicht verborgen geblieben wäre. Der Steuerpflichtige muss dann aber seinerseits seine Mitwirkungspflicht gemäß § 90 Abs. 1 AO 1977 erfüllt haben. Bei der Bestimmung und Begrenzung der Ermittlungspflicht des FA kommt es wesentlich auf die Angaben des Steuerpflichtigen und insbesondere darauf an, ob damit der steuerlich relevante Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich dem FA zur Prüfung unterbreitet worden ist. Haben sowohl der Steuerpflichtige als auch das FA es versäumt, den Sachverhalt aufzuklären, trifft in der Regel den Steuerpflichtigen die Verantwortung mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden kann (BFH-Urteil vom 15. Oktober 1998 IV R 18/98, BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286; Senatsentscheidung vom 25. Februar 2002 X B 77/01, BFH/NV 2002, 1121, m.w.N.). Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Pflichtverletzung der Finanzbehörde die Verletzung der Mitwirkungspflicht seitens des Steuerpflichtigen deutlich überwiegt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 15. Oktober 1993 III R 74/92, BFH/NV 1994, 315, 318, linke Spalte, 2. Absatz).
b) Die angefochtene Entscheidung des Finanzgerichts (FG) beruht auf dieser ―ausdrücklich in Bezug genommenen― Rechtsprechung; die Beschwerdebegründung lässt keine Rechtsfragen erkennen, die durch die vorbezeichnete Rechtsprechung noch nicht geklärt sind. Dies trifft auch auf die von der Klägerin aufgeworfene Frage zu, ob der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht verletzt mit der Folge, dass der Steuerbescheid geändert werden darf, wenn er Einkünfte zwar nicht verschweigt, aber im nach § 150 AO 1977 amtlich vorgeschriebenen Vordruck an unzutreffender Stelle einträgt. Die Angaben des Steuerpflichtigen müssen, wie dargestellt, dem FA deutlich zur Prüfung unterbreitet werden. Dies trifft im Streitfall im Hinblick auf die sonstigen Einkünfte aus den vom FG genannten Gründen nicht zu.
Im Übrigen hat das FG die von der Klägerin vermisste Abwägung der Versäumnisse von Pflichtverstößen sowohl des Steuerpflichtigen als auch der Finanzbehörde vorgenommen. Im ersten Absatz der S. 10 f. des Urteilsabdrucks stellt das FG die jeweiligen Versäumnisse dar und stellt zusammenfassend fest (S. 11): "Die objektiv irreführenden Angaben der Klägerin stellten mithin eine Verletzung ihrer Erklärungs- und Mitwirkungspflicht von solchem Gewicht dar, dass demgegenüber auch eine Ermittlungspflichtverletzung des Beklagten nicht deutlich überwiegen würde." Selbst wenn diese Abwägung zu einem anderen Ergebnis führen könnte, würde sie keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen.
2. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung einschließlich Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO) erforderlich. Das Urteil beruht auf der Rechtsprechung des BFH und wendet sie auf den vorliegenden Einzelfall an. Eine Abweichung von den von der Klägerin zitierten BFH-Urteilen (in BFHE 187, 250, BStBl II 1999, 286) und vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83 (BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585) liegt nicht vor.
Letztlich rügt die Klägerin die fehlerhafte Rechtsanwendung durch das FG, womit jedoch die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (BFH-Beschluss vom 29. September 2003 IX B 64/03, BFH/NV 2004, 10, m.w.N.).
3. Von einer weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO ab.
Fundstellen
Haufe-Index 1153598 |
BFH/NV 2004, 1070 |