Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Revision wegen Zweifeln an der Gültigkeit von Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (NV)
Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung genügt es, wenn dargetan wird, daß zu einer Vorlage an den EuGH führende Zweifel an der Gültigkeit einer entscheidungserheblichen Norm des Gemeinschaftsrechts bestehen können.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3
Gründe
Zuzulassen ist die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Soweit die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) unter Berufung auf den gemeinschaftsrechtlichen Gleichheitssatz Bedenken gegen die Gültigkeit von Art. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 611/93 des Rates vom 15. März 1993 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften L 66/1) hinsichtlich der darin bestimmten endgültigen Vereinnahmung von Sicherheitsleistungen für den vorläufigen Antidumpingzoll (nur) für den Zeitraum bis 17. Januar 1993 -- Rechtsgrundlage der von der Vorinstanz bestätigten Vereinnahmung durch den angegriffenen Steuerbescheid -- geltend macht, hat sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache hinreichend dargelegt (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Es ist nicht auszuschließen, daß in einem Revisionsverfahren die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in Betracht kommt (Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Zwar besteht eine Vorlagepflicht nach der Rechtsprechung des Senats (zuletzt Urteil vom 27. September 1994 VII R 75/93, BFHE 176, 83, 89, m. N.) nur, wenn das einzelstaatliche Gericht die Gemeinschaftsrechtsnorm für ungültig hält oder zumindest Zweifel an ihrer Gültigkeit hegt. Im Verfahren über die Zulassung der Revision braucht jedoch noch nicht festzustehen, daß es zu einer Vorlage wegen Beurteilung der Gültigkeit eines Gemeinschaftsrechtsakts kommt. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes muß es für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung vielmehr genügen, daß die (nicht entfernte) Möglichkeit diesbezüglicher rechtlicher Zweifel -- damit die einer Vorlage -- aufgezeigt wird. Diesen Anforderungen entspricht die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, und zwar sowohl unter dem Blickwinkel der Klärungsbedürftigkeit (Gleichheitswidrigkeit der Vereinnahmungsregelung selbst unter Berücksichtigung der Begründung im 46. Erwägungsgrund der vorbezeichneten Verordnung? Vgl. wegen der Möglichkeiten des Gemeinschaftsgesetzgebers Lux in Bail/Schädel/Hutter, Zollrecht, F III 1/12 Rz. 10) als auch unter dem ihrer Klärungsfähigkeit (Möglichkeit einer für die Klägerin günstigeren Neuregelung bei Ungültigkeit der Vereinnahmungsvorschrift?). Ob eine Vorlagepflicht nach den dafür maßgebenden Gesichtspunkten wirklich besteht, wird erst im Revisionsverfahren zu entscheiden sein.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß nach Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 423711 |
BFH/NV 1997, 272 |