Leitsatz (amtlich)
Gegen die Festsetzung von Gesellschaftsteuer auf Grund des § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG kann die steuerpflichtige Kapitalgesellschaft nicht einwenden, sie habe ihren wirtschaftlichen Entscheidungen das Urteil des BFH II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55 [65 ff.], BStBl III 1965, 19) zugrunde gelegt.
Normenkette
KVStG § 6 Abs. 1 Nr. 4
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH. Sie ist persönlich haftende Gesellschafterin einer KG. Deren Kommanditisten haben im Jahr 1965 nach jeweiliger Erhöhung ihrer Haftsummen der KG Einlagen erbracht. Weitere Einlagen erhielt die KG in den Jahren 1967/68 nach Aufnahme neuer Kommanditisten. Aus diesen Beträgen hat das FG gegen die Beschwerdeführerin in zwei Bescheiden Gesellschaftsteuer festgesetzt. Das FG hat die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerden sind unbegründet.
Die Steuerfestsetzungen beruhen teils auf § 2 Nr. 2, teils auf § 2 Nr. 1 KVStG 1959, je in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, §§ 8, 9 Nr. 1, § 10 Abs. 1 KVStG. Sie stimmen mit den genannten Vorschriften des KVStG überein (vgl. Urteile des BFH II 141/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 320 [324], BStBl II 1970, 99; II 210/65 vom 21. Oktober 1969, BFH 97, 147 [148 f.], BStBl II 1969, 736; II R 22/70 vom 16. Juni 1970, BFH 99, 423, BStBl II 1970, 668; II R 21/70 vom 10. November 1970, BFH 100, 472, BStBl II 1970, 105). Der Einwand, die Steuerfestsetzungen verstießen gegen Treu und Glauben, greift nicht durch.
Allerdings hat der BFH in dem Urteil II 12/61 S vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 55 [65 ff.], BStBl III 1965, 19) § 6 Abs. 1 Nr. 4 KVStG für nichtig erachtet. Dieses Urteil schafft jedoch Rechtskraft nur für den entschiedenen Fall. Das FA, das die angefochtenen Steuerbescheide erlassen hat, hat sich - ebenso wie die Finanzverwaltung überhaupt - den Standpunkt des BFH nicht zu eigen gemacht. Daher ist nicht zu ersehen, inwiefern es gegen Treu und Glauben verstoßen sollte, daß das FA nunmehr eine Vorschrift anwendet, die es stets für anwendbar gehalten hat und deren Gültigkeit durch den gesetzeskräftigen (Art. 94 Abs. 2 des Grundgesetzes - GG -, § 31 Abs. 2 Satz 1, § 13 Nr. 6 BVerfGG) Beschluß des BVerfG vom 2. Oktober 1968 - 1 BvF 3/65 - (BVerfGE 24, 174) bestätigt worden ist.
Die Besteuerung der Beschwerdeführerin beruht allein auf den eingangs erwähnten gesetzlichen Vorschriften und nicht auf dem Beschluß des BVerfG. Dieser ist nur insofern von Belang, als er unnachprüfbar festgestellt hat, daß diese Vorschriften mit dem GG vereinbar sind. Von einer Rückwirkung belastender Steuerrechtsnormen kann daher nicht die Rede sein. Ebenso scheidet der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes aus. Da den Entscheidungen des BFH keine Gesetzeskraft zukommt, mußte die Beschwerdeführerin damit rechnen, daß das BVerfG im gegenteiligen Sinne entscheiden könnte (vgl. BFH-Beschluß II B 3/66 vom 27. Juli 1966, BFH 86, 504, BStBl III 1966, 546).
Damit erübrigt sich, auf Fälle einzugehen, in denen ein begünstigendes Steuergesetz für nichtig erklärt wurde. Auch braucht nicht erörtert zu werden, inwieweit bei Änderungen der Rechtsprechung § 131 AO herangezogen werden darf oder gar muß. Der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit rechtfertigt jedenfalls nicht, den vorliegenden Fall gegen das Gesetz zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 424403 |
BStBl II 1971, 336 |
BFHE 1971, 429 |