Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätete Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde; Keine Wiedereinsetzung bei mangelhafter Vertretungsregelung durch den Prozeßbevollmächtigten
Leitsatz (NV)
1. Da die Frist von einem Monat für die Anfechtung der Nichtzulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO auch die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde umfaßt (anders als bei der Revision), ist eine rechtzeitig eingelegte, aber verspätet begründete Beschwerde unzulässig.
2. Beruht die Verspätung darauf, daß die Vertretungsregelung im Büro des Prozeßbevollmächtigten es zuließ, daß bei seiner Erkrankung über eine längere Zeitspanne kein weiterer für die Fristwahrung zuständiger Vertreter vorgesehen war, scheidet Wiedereinsetzung (§ 56 FGO) aus.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 3, § 56
Tatbestand
Gegen das in der Streitsache ergangene, den Bevollmächtigten der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) am 13. Oktober 1987 zugestellte Urteil des Finanzgerichts (FG) legte die Klägerin am 21. Oktober 1987 Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision ein. Sie kündigte an, die Begründung der Beschwerde werde in Kürze zugehen.
Mit Beschluß vom 16. November 1987 half das FG der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Bundesfinanzhof (BFH) vor.
Nach Hinweis der Geschäftsstelle des erkennenden Senats (den Bevollmächtigten der Klägerin am 2. Dezember 1987 zugestellt), die in § 115 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) vorgeschriebene Frist sei spätestens am 13. November 1987 abgelaufen, die Beschwerdebegründung liege bisher nicht vor, stellten die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 9. Dezember 1987 (beim FG eingegangen am 10. Dezember 1987) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO. Zur Begründung trugen sie vor: Die Begründung der mit Schreiben vom 20. Oktober 1987 eingelegten Beschwerde habe vor dem 13. November 1987 nachgereicht werden sollen. Mit der Einlegung der Beschwerde sei ein Mitarbeiter, der Steuerberater M beauftragt gewesen, der sie, die Bevollmächtigten, in der Zeit der außendienst- und seminarbedingten Büroabwesenheit vertrete. Da dieser in der Zeit vom 9. bis 27. November 1987 kurzfristig krankheitsbedingt ausgefallen sei, sei die fristgemäße Begründung der Beschwerde unterblieben. Dies habe letztendlich nur dadurch geschehen können, daß sie zwar über die fristgemäße Einlegung der Beschwerde, nicht aber über die noch ausstehende Begründung unterrichtet gewesen seien. Durch die überraschende Erkrankung ihres Mitarbeiters und Berufsangehörigen hätten sie erst am 30. November 1987 von dem Versäumnis erfahren.
Die Bevollmächtigten übersandten mit gleicher Post die Beschwerdebegründung.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA - ) hält die Nichtzulassungsbeschwerde für unzulässig, weil die Begründungsfrist schuldhaft - wegen Organisationsmangels - versäumt worden sei. Ausweislich des Fristenkontrollbuchs (Kopie der maßgeblichen Seite) sei der Vorgang am Vorlagetermin wegen Krankheit nicht vorgelegt worden. Dabei sei jedoch zu beachten, daß in der Sozietät zwei weitere Steuerberater tätig seien.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig. Gemäß § 115 Abs. 3 Sätze 1 und 3 FGO umfaßt die Frist von einem Monat für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde - anders als bei der Revision - auch die Begründung der Beschwerde. Die Bevollmächtigten der Klägerin haben zwar die Beschwerde innerhalb der Frist eingelegt, sie aber nicht begründet. Für die nach Ablauf der Beschwerdefrist (am 13. November 1987) am 10. Dezember 1987 eingegangene Beschwerdebegründung kommt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO nicht in Betracht. Nach § 56 Abs. 1 FGO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Nach Abs. 2 der Vorschrift ist der Antrag binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.
Die mit Schreiben vom 9. Dezember 1987 (innerhalb der Zwei-Wochen-Frist) vorgetragenen Tatsachen ergeben, daß die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin nicht ,,ohne Verschulden" an der Einhaltung der Beschwerdefrist für die Beschwerdebegründung gehindert waren. Der Vortrag der Bevollmächtigten zeigt, daß die von ihnen vorgesehene Vertretungsregelung bei eigener Büroabwesenheit die Möglichkeit zuließ, daß bei Erkrankung des vertretungsberechtigten Steuerberaters selbst über eine längere Zeitspanne (hier: drei Wochen) kein weiterer für die Fristwahrung zuständiger Vertreter vorgesehen war. Diese Gestaltung ist mit dem grundsätzlichen Erfordernis an eine Büroorganisation, die Fristversäumnisse ausschließen soll, nicht vereinbar.
Fundstellen
Haufe-Index 415703 |
BFH/NV 1990, 167 |