Entscheidungsstichwort (Thema)
Prozessführungsbefugnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Leitsatz (NV)
Im Prozess hat der Insolvenzverwalter Kraft gesetzlicher Prozessstandschaft die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Schuldners. Dieser ist nicht prozessführungsbefugt.
Normenkette
FGO §§ 121, 40 Abs. 2; InsO § 80 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und seine mit ihm zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau erhoben am 23. November 1998 beim Finanzgericht (FG) unter anderem wegen geänderter Einkommensteuerbescheide 1993, 1994 und 1996 Klage. Mit Urteil vom 18. Juni 1999 wies das FG die Klage als unzulässig ab, weil innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist keine wirksame Vollmacht beim FG eingegangen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu gewähren sei. Das Urteil, das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2001, 381 veröffentlicht ist, wurde dem damaligen Prozessvertreter des Klägers am 12. August 1999 zugestellt. Am 28. August 1999 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Schriftsatz vom 10. September 1999 legten die jetzigen Prozessvertreter des Klägers für diesen und seine Ehefrau Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG ein. Der Senat ließ die Revision mit Beschluss vom 13. September 2000 zu (X B 113/99). Am 7. November 2000 erhoben die Prozessvertreter daraufhin für den Kläger und seine Ehefrau Revision (X R 61/00). Während des Revisionsverfahrens setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) am 20. März 2003 den Senat (erstmalig) über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Kenntnis. Der daraufhin um eine Stellungnahme gebetene Insolvenzverwalter teilte am 18. September 2003 Folgendes mit:
Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Herrn X (Kläger) wurde am 28. August 1999 eröffnet. Nach diesem Zeitpunkt hat er, ohne Kenntnis des Unterzeichners, Revision gegen ein Urteil des FG Münster eingelegt. Seine Handlung ist unwirksam. In meiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gebe ich die Erklärung ab, dass die Handlung nicht genehmigt wird.
Mit Beschluss vom heutigen Tage wurde das Verfahren des Klägers vom Verfahren X R 61/00 abgetrennt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig. Sie ist deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§§ 126 Abs. 1, 124 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger ist nicht zur Prozessführung befugt (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 40 Abs. 2 FGO).
Nach § 80 Abs. 1 der Insolvenzordnung verliert der Schuldner mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Befugnis, sein zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen zu verwalten und über dasselbe zu verfügen. Gleichzeitig geht das Verwaltungs- und Verfügungsrecht auf den Insolvenzverwalter über. Mit dem Verwaltungs- und Verfügungsrecht erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, die Insolvenzmasse betreffende Prozesse zu führen. Im Prozess hat der Insolvenzverwalter Kraft gesetzlicher Prozessstandschaft die uneingeschränkte Prozessführungsbefugnis unter Ausschluss des Schuldners. Dieser ist nicht prozessführungsbefugt (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Juni 1970 III R 128/67, BFHE 99, 348, BStBl II 1970, 665; vom 23. Mai 2000 IX S 5/00, BFH/NV 2000, 1134).
Der Insolvenzverwalter hat im Streitfall die Revision des Klägers nicht genehmigt (vgl. zur Genehmigung einer unzulässigen Klageerhebung BFH-Urteil vom 22. Januar 1997 I R 101/95, BFHE 182, 269, BStBl II 1997, 464).
Fundstellen
Haufe-Index 1212484 |
BFH/NV 2004, 1547 |