Entscheidungsstichwort (Thema)
PKH: hinreichende Aussicht auf Erfolg
Leitsatz (NV)
1. Bei Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung gem. § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO ist das Gericht nicht auf die vom Antragsteller im Hauptsacheverfahren aufgeworfene Rechtsfrage beschränkt.
2. Ein Antrag gemäß § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG 1975 auf Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG setzt auf seiten des Erklärenden einen entsprechenden Rechtsfolgewillen voraus, der aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers mit genügender Bestimmtheit feststellbar sein muß.
3. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache enthält keine Aussage darüber, ob die Rechtsverfolgung hinreichend aussichtsreich i.S.v. § 114 ZPO ist.
Normenkette
FGO § 142 Abs. 1; ZPO § 114; EStG 1975 § 13a Abs. 1 Sätze 2-3
Tatbestand
Streitig ist in der Hauptsache, ob durch einen nichtbuchführungspflichtigen Land- und Forstwirt ein Antrag auf Gewinnermittlung durch Vergleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben gestellt wurde.
Die Antragsteller beantragen für das Revisionsverfahren IV R 61/86 Prozeßkostenhilfe (PKH) sowie die Beiordnung des Prozeßbevollmächtigten im Wege der PKH.
Der Antragsteller sei nach Selbständigkeit arbeitslos geworden und beziehe keine Einkünfte. Die Antragsteller seien nicht in der Lage, die Prozeßkosten aus den Einkünften der Ehefrau zu bestreiten. Dies ergebe sich aus der beigefügten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der die Antragstellerin betreffenden Verdienstabrechnung.
Die Rechtsverfolgung biete hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheine nicht als mutwillig. Die Vorinstanz habe auf Nichtzulassungsbeschwerde die Revision in der Streitsache deshalb zugelassen, weil sie der Rechtsfortbildung diene und demnach grundsätzliche Bedeutung habe. Im übrigen sei zum gleichen Sachverhalt über ein Urteil des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 26. September 1985 IV 417/82 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 121) Revision anhängig. Die hinreichende Aussicht auf Erfolg ergebe sich im übrigen aus der in Fotokopie beigefügten Revisionsbegründung.
§ 142 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) lasse auch die Beiordnung eines Steuerberaters zu.
Das Finanzamt (FA) ist der Auffassung, daß hinreichende Erfolgsaussichten der Revision zu verneinen seien und deshalb der Antrag auf PKH abzuweisen sei.
Entscheidungsgründe
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter auf Antrag PKH, wenn er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die Bewilligung der PKH erfolgt für jeden Rechtszug besonders (§ 119 Satz 1 ZPO).
Der Senat ist der Auffassung, daß die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bietet.
Bei Prüfung dieser Frage kommt es wesentlich darauf an, ob das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund des ihm zugänglichen Sachverhalts für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält. Allerdings ist die im Urteil - hier zum Az. IV R 61/86 - getroffene Entscheidung für das PKH-Verfahren nicht maßgebend. Vielmehr ist entscheidend, ob bei summarischer Prüfung und Würdigung der wichtigsten Tatumstände, soweit sie für das Rechtsmittel der Revision berücksichtigt werden können (§ 118 Abs. 2 FGO), der vom Antragsteller begehrte Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Dezember 1986 VIII B 115/86, BFHE 148, 215, BStBl II 1987, 217; vom 25. März 1986 III B 5-6/86, BFHE 146, 223, BStBl II 1986, 526).
Dies ist nicht der Fall.
Ohne hinreichende Erfolgsaussicht ist die Auffassung der Antragsteller, daß mit der Einkommensteuererklärung 1973 konkludent ein Antrag auf Gewinnermittlung durch Vergleich der Betriebseinnahmen mit den Betriebsausgaben gestellt worden sei und daß dieser Antrag den Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) genüge. Denn der Antrag i.S. vom § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG ist auf ein bestimmtes Wirtschaftsjahr bezogen. Im Rahmen der Einkommensteuererklärung 1973 kam dafür nur das Wirtschaftsjahr 1973/74 in Betracht. Diesbezüglich galt ggf. aber noch das Gesetz über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen (GDL), wenn das Wirtschaftsjahr vor dem 1. Januar 1974 begonnen hatte (vgl. § 52 Abs. 17a EStG i.d.F. des Vermögenssteuerreformgesetzes - VStRG - vom 17. April 1974, BGBl I, 949, BStBl I 233). Die dann einschlägige Vorschrift des § 12 Abs. 2 GDL sah aber eine Wahlmöglichkeit zur Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG nicht vor. Zudem schrieb diese Vorschrift nur eine Bindung bis zum vor den Streitjahren 1975 und 1976 liegenden Wirtschaftsjahr 1973/74 vor.
Aber auch wenn man davon ausgeht, daß im Streitfall wegen des Erwerbs des landwirtschaftlichen Betriebs im Mai 1974 bereits § 13a EStG einschlägig sein könnte bzw. auch soweit sich die Antragsteller darauf berufen, daß sie jedenfalls für das Wirtschaftsjahr 1976/77 mit Einreichung der Einkommensteuererklärung für 1976 fristgerecht einen Antrag gemäß § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG gestellt hätten, hat ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Selbst wenn der Senat im Gegensatz zur fast einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. z. B. Urteile des Niedersächsischen FG vom 25. Oktober 1979 VII 6/79, EFG 1980, 77; vom 12. September 1983 XII 5/82, EFG 1984, 238; Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr. 479; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, Teil C, Tz. 144; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 6. Aufl., § 13a Anm. 5; Kuhlmann in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 13a Tz. 18) mit den Antragstellern davon ausgeht, daß der Antrag i.S. von § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG konkludent gestellt werden kann, muß doch ein solcher Antrag aus der maßgeblichen Sicht des Erklärungsempfängers (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1986 IX R 121/83, BFHE 148, 232, BStBl II 1987, 421) mit genügender Bestimmtheit feststellbar sein. Auch muß der Erklärende die Umstände kennen, die seine Handlung als Ausdruck eines Rechtsfolgewillens erscheinen lassen (vgl. für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 45. Aufl., Einführung vor § 116 Anm. 3a). Dies ist im Streitfall, für den PKH gewährt werden soll, augenfällig nicht erfüllt. Denn keiner der Einkommensteuererklärungen 1973 bis 1976 läßt sich ein Antrag - und sei er nur konkludent gestellt - i.S. von § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen. Die Steuererklärungen sind gerade in diesem Punkt nicht vollständig; denn der steuerlich beratene Antragsteller hat nicht jeweils die Anlage L beigefügt, obwohl er sich mit seiner Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG selbst als nichtbuchführender Landwirt eingeordnet und damit den Hinweis in Zeile 14 der jeweiligen Einkommensteuererklärung unstimmig unbeachtet gelassen hat. Hinzu kommt, daß der Antragsteller als Gewinnermittlungszeitraum jeweils das Kalenderjahr zugrunde gelegt und damit zu erkennen gegeben hat, daß sein Gewinnermittlungswille keinen Bezug auf das jeweilige Wirtschaftsjahr aufwies. Allenfalls hat der Antragsteller beantragt, den Jahresgewinn der Besteuerung zugrunde zu legen; dieser Antrag ist nach § 13a Abs. 1 Satz 2 EStG aber nicht vorgesehen.
Hiernach kann es auf die von den Antragstellern aufgeworfene Rechtsfrage, ob der Antrag gemäß § 13a Abs. 1 Sätze 2 und 3 EStG auch konkludent gestellt werden kann, nicht ankommen. Sie vermag demnach auch nicht eine hinreichende Erfolgsaussicht i.S. von § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO zu rechtfertigen.
Für die Prüfung der Erfolgsaussicht gemäß § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO unerheblich ist der Umstand, daß das FG die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Denn dieser Zulassungsgrund enthält grundsätzlich keine Aussage darüber, ob das Rechtsmittel auch (mutmaßlich) erfolgreich sein wird, sondern nur darüber, daß ein Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage besteht (vgl. im einzelnen z. B. BFH-Beschluß vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605; siehe auch Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Oktober 1961 VIII B 78.61, BVerwGE 13, 90).
Fundstellen
Haufe-Index 415581 |
BFH/NV 1988, 730 |