Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorläufiger Rechtsschutz bei negativem Feststellungsbescheid
Leitsatz (NV)
1. Vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einem gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b AO 1977 ergangenen negativen Gewinnfeststellungsbescheid wird im Wege der Aussetzung der Vollziehung gewährt.
2. Für die Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht reicht es nicht aus, wenn andauernde Verluste vorliegen. Erforderlich ist vielmehr, daß bei längeren Verlustperioden aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein muß, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt.
Normenkette
FGO §§ 69, 114; AO 1977 § 180; EStG § 2
Tatbestand
Der Antragsteller kaufte 1979 für 500 000 DM eine Yachtschule. Nachdem er in den folgenden Jahren nur Verluste erzielt hatte, verkaufte er die Yachtschule 1983 für 50 000 DM. Das Finanzamt (- FA -) bewertete den Yachtschulbetrieb als ,,Liebhaberei". Es erließ deshalb für die Streitjahre (1981 bis 1983) negative Feststellungsbescheide. Hiergegen erhob der Antragsteller Einspruch und beantragte beim Finanzgericht (FG) im Wege einer einstweiligen Anordnung (§ 114 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), das FA anzuweisen, vorläufig Verluste festzustellen.
Das FG lehnte den Antrag ab, weil kein Anordnungsgrund gegeben sei.
Hiergegen hat der Antragsteller Beschwerde eingelegt, mit der er nach dem Ergehen des Beschlusses des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14. April 1987 GrS 2/85 (BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637) beantragt, den Antrag auf einstweilige Anordnung in einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung umzudeuten und folgende Verluste aus der Yachtschule vorläufig festzustellen: für 1981 . . . DM, für 1982 . . . DM und für 1983 . . . DM.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Der Große Senat (BFHE 149, 493, BStBl II 1987, 637) hat unter Aufgabe der früheren Rechtsprechung entschieden, daß vorläufiger Rechtsschutz gegenüber einem negativen Gewinnfeststellungsbescheid im Wege der Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) in der Weise zu gewähren ist, daß bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren von einem vorläufig festzustellenden Verlust auszugehen sei.
Dies gilt auch für negative Gewinnfeststellungsbescheide, die, wie im Streitfall, nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b der Abgabenordnung (AO 1977) ergehen. Auch sie wirken als Grundlagenbescheide; das Wohnsitz-FA ist gehindert, Besteuerungsgrundlagen abweichend von der negativen Feststellung zu berücksichtigen. Die Gründe, die den Großen Senat dazu geführt haben, die Vorschriften über die Aussetzung der Vollziehung anzuwenden, treffen daher auch hier zu.
Im Streitfall geht es um vorläufigen Rechtsschutz gegen negative Gewinnfeststellungsbescheide. Der zulässige vorläufige Rechtsschutz ist im Streitfall daher die Aussetzung der Vollziehung und nicht - wie nach der bisherigen Rechtsprechung angenommen - die einstweilige Anordnung (§ 114 FGO).
Die angefochtene Entscheidung konnte der geänderten Auffassung der Rechtsprechung nicht Rechnung tragen. Das FG hat das Begehren des Antragstellers auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung durch Beschluß abgelehnt. Aufgrund der geänderten Rechtsprechung kann der Antrag des Antragstellers aber trotz der abweichenden Bezeichnung wegen seines sachlichen Gehalts als Antrag auf Aussetzung der Vollziehung angesehen werden (vgl. Gräber / Koch, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 114 Anm. 84, mit Rechtsprechungshinweisen). Der Antragsteller hat seinen Antrag auch entsprechend geändert.
Es ist jedoch nicht möglich, die Entscheidung des FG in eine solche über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung umzudeuten und hierüber im Beschwerdeverfahren zu entscheiden. Dem steht schon Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs über die beschränkte Zulässigkeit von Beschwerden gegen Entscheidungen des FG über die Aussetzung der Vollziehung entgegen (BFH-Beschlüsse vom 17. Juli 1987 IX B 68/84; vom 16. September 1987 IV B 65 /84, und vom 28. September 1987 IV B 38/85, sämtliche nicht zur Veröffentlichung bestimmt). Der Senat mußte deshalb den Beschluß des FG aufheben und die Sache, wie auch im Beschwerdeverfahren zulässig, zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Das FG wird nunmehr prüfen müssen, ob an der rechtlichen Beurteilung des FA, daß ein einheitlicher Gewinnfeststellungsbescheid nicht in Betracht kommt, weil hinsichtlich der Yachtschule keine Gewinnerzielungsabsicht des Antragstellers gegeben gewesen sei, ernstliche Zweifel bestehen. Es wird dabei zu beachten haben, daß nach dem BFH-Urteil vom 15. November 1984 IV R 139/81 (BFHE 142, 464, BStBl II 1985, 205) es für die Annahme einer fehlenden Gewinnerzielungsabsicht nicht ausreichte, wenn andauernde Verluste vorliegen, sondern daß bei längeren Verlustperioden aus weiteren Beweisanzeichen die Feststellung möglich sein muß, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt.
Fundstellen
Haufe-Index 415585 |
BFH/NV 1990, 435 |