Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an die Darlegung von Verfahrensmängeln und eines schwerwiegenden Rechtsfehlers
Leitsatz (NV)
1. Es liegt kein Verfahrensmangel vor, wenn die Finanzbehörde zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist versagt und das FG eine deswegen erhobene Anfechtungsklage ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts als unbegründet abweist.
2. Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil auch dann zuzulassen, wenn dieses unter einem so schwerwiegenden Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde. Von einem solchen schwerwiegenden Fehler kann im vorliegenden Streitfall angesichts der auf eine Würdigung der Umstände des Einzelfalles abhebenden und im Übrigen auf die Rechtsprechung des BFH gestützten Argumentation des FG nicht die Rede sein.
3. Die schlüssige Rüge der sich nur auf einzelne Feststellungen des FG beziehenden Verletzung des rechtlichen Gehörs sowie eines Verstoßes gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO setzt u.a. substantiierte Ausführungen darüber voraus, dass die angefochtene Entscheidung ‐ auf der Grundlage des vom FG vertretenen materiell-rechtlichen Standpunkts ‐ ohne den (angeblichen) Verfahrensmangel anders hätte ausfallen können.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nrn. 2-3, § 116 Abs. 3 S. 3, § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
Niedersächsisches FG (Urteil vom 20.01.2005; Aktenzeichen 14 K 274/04) |
Gründe
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entspricht.
1. Der Kläger hat seine Beschwerdebegründung nicht ausdrücklich auf einen der in § 115 Abs. 2 FGO statuierten Revisionszulassungsgründe gestützt. Seine Ausführungen in der Beschwerdebegründungsschrift erschöpfen sich im Kern --nach Art einer Revisionsbegründung-- in Einwänden gegen die vom Finanzgericht (FG) vertretene Rechtsauffassung, wonach der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der versäumten Einspruchsfrist (vgl. § 110 Abs. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) zu Recht abgelehnt habe.
Hiermit hat der Kläger allerdings lediglich einen materiell-rechtlichen Fehler gerügt, welcher für sich genommen eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigt (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 24 und 46, sowie § 116 Rz. 27 und 34). Es ist kein Verfahrensmangel, auf dem das Urteil des FG beruhen kann, wenn die Verwaltungsbehörde --wie vom Kläger gerügt wird-- zu Unrecht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist versagt und das FG eine deswegen erhobene Anfechtungsklage ohne Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts als unbegründet abweist (Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 27. Juni 2002 VII B 282/01, BFH/NV 2002, 1473).
2. Zwar ist nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO die Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil u.a. auch dann zuzulassen, wenn das erstinstanzliche Urteil unter einem so schweren Rechtsfehler leidet, dass sein Fortbestehen das Vertrauen in die Rechtsprechung beschädigen würde. Einen derart schwerwiegenden Rechtsfehler des angefochtenen Urteils hat der Kläger indes nicht schlüssig darlegen können. Hiervon kann im Streitfall angesichts der auf eine Würdigung der Umstände des Einzelfalles abhebenden und im Übrigen auf die Rechtsprechung des BFH (vgl. Beschluss vom 11. April 2001 I R 30/00, BFH/NV 2001, 1285, 1286) gestützten Argumentation des FG nicht die Rede sein.
3. Sollte der Kläger mit seinem Vortrag, das FG habe dem von ihm (Kläger) in der mündlichen Verhandlung dargelegten Umstand keine Bedeutung beigemessen, dass er am 16. Mai 2003 einen mehrmonatigen Lehrgang in L begonnen habe, währenddessen er sich nur "sporadisch und auch teilweise nur an Wochenenden" zu Hause aufgehalten habe, eine Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes; § 96 Abs. 2 FGO) und/oder des § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO (Nichtberücksichtigung des Gesamtergebnisses des Verfahrens) geltend machen wollen, so genügten auch diese (Verfahrens-)Rügen nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Hierzu wären u.a. --woran es fehlt-- substantiierte Ausführungen darüber erforderlich gewesen, dass die angefochtene Entscheidung --auf der Grundlage des vom FG vertretenen materiell-rechtlichen Standpunkts-- ohne den (angeblichen) Verfahrensfehler anders hätte ausfallen können (vgl. z.B. Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rz. 72, und § 119 Rz. 14, jeweils m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH).
Fundstellen