Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines auf Rechtsfrage bezogenen Beweisantrags; Darlegung von Divergenz
Leitsatz (NV)
1. Die Ablehnung eines Beweisantrags, der sich auf eine Rechtsfrage bezieht, deren Beurteilung den Gerichten obliegt, begründet keinen Verfahrensmangel.
2. Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen.
Normenkette
FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 116 Abs. 3 S. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Beratung über Konzeption und Durchführung von organisatorischen und personellen Entwicklungsmaßnahmen, Auswahl geeigneter technischer Unterstützungselemente, Projektmanagement sowie Konzeption, Recherche und Erstellung von Medien.
Die Klägerin erhielt vom Land X Zahlungen im Rahmen des Landesprogramms "Qualifizierung, Arbeit, Technik, Reorganisation". Mit diesem Programm wollte das Land die Anpassung der Arbeitskräfte an den industriellen Wandel und die Veränderung der Produktionssysteme unterstützen. Schwerpunkte waren Qualifizierungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien, neuer Organisationskonzepte, neuer Produkte sowie neuer Umweltstandards. Zielgruppe waren die Beschäftigten, insbesondere von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitskräfte in kleinen und mittleren Unternehmen. Bezuschusst werden sollten --in der Regel mit Festbeträgen-- Ausgaben für Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen. Die Unternehmen mussten sich angemessen an den Maßnahmekosten beteiligen.
Die Klägerin erhielt aus diesem Programm Zahlungen für die Maßnahme "B". Die Klägerin führte dieses auf die Teilnahme von 130 Personen ausgelegte Projekt zwischen August 1998 und Mitte 2000 in mehreren Betrieben durch. Nach einer Bescheinigung des Versorgungsamtes … kamen die Ergebnisse des Projekts den einzelnen Beschäftigten zugute bzw. wurden anderen Beschäftigten direkt oder indirekt über Bildungsträger durch Transfer der Projektergebnisse übermittelt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) war der Auffassung, dass die der Klägerin für das Projekt B vom Land gewährten Zuschüsse umsatzsteuerpflichtiges Entgelt seien, und setzte die Umsatzsteuer für 1998 entsprechend fest. Der Einspruch blieb erfolglos.
Im Klageverfahren beantragte die Klägerin, ein Sachverständigengutachten zu der Behauptung einzuholen, dass das Projekt B keine Leistung für einen Dritten ausweise und das Projektergebnis ausschließlich dem Bereich Forschung und Entwicklung zuzuordnen sei, und einen namentlich bezeichneten Zeugen zu diesem Beweisthema zu vernehmen. Das Finanzgericht (FG) lehnte die Beweisanträge mit der Begründung ab, die Frage, ob das Projekt eine Leistungserbringung für einen Dritten ausweise, beziehe sich auf eine vom Gericht zu entscheidende Rechtsfrage und nicht auf Tatsachen oder tatsächliche Verhältnisse. Wenn man die Behauptung, dass das Projektergebnis ausschließlich dem Bereich Forschung und Entwicklung zuzuordnen sei, als eigenständiges Beweisthema ansehe, sei den Beweisanträgen schon deshalb nicht nachzugehen, weil es für die Frage, ob ein steuerpflichtiger Leistungsaustausch stattgefunden habe, darauf nicht ankomme.
Das FG wies die Klage mit der Begründung ab, die der Klägerin vom Land für das Projekt B gewährten Zuschüsse seien umsatzsteuerrechtlich Entgelt. Sie hätten nicht der Förderung der Klägerin gedient, sondern der Anpassung der Arbeitskräfte an den industriellen Wandel und die Veränderung der Produktionssysteme durch Qualifizierungsmaßnahmen insbesondere für von Arbeitslosigkeit bedrohte Arbeitskräfte in kleineren und mittleren Unternehmen. Dieser Zielsetzung entsprechend habe die Klägerin im Rahmen des Projekts B bei verschiedenen Unternehmen u.a. Seminare mit Mitarbeitern durchgeführt, Arbeits- bzw. Projektgruppen zu bestimmten Themen gebildet sowie unternehmensinterne Workshops und Schulungen durchgeführt. Auch überbetriebliche Schulungsmaßnahmen seien vorgesehen gewesen. Die Förderung sei u.a. von der Anzahl der Teilnehmer und der Anzahl der Qualifizierungsstunden pro Teilnehmer abhängig gewesen. Die Klägerin habe die Beratungs- und Qualifizierungsmaßnahmen durch Bestätigungen der Unternehmen bzw. Teilnehmerlisten erbringen müssen. Sie habe danach Aufgaben des Landes aus dessen Kompetenzbereich um der erhaltenen Beträge willen übernommen. Es sei dabei um arbeitsmarktpolitische Maßnahmen mit dem Ziel gegangen, ein weiteres Ansteigen der Arbeitslosigkeit zu verhindern bzw. abzumildern. Die Klägerin sei zudem verpflichtet gewesen, für wissenschaftliche Untersuchungen Informationen über die geförderten Maßnahmen zur Verfügung zu stellen.
Die Klägerin stützt ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auf Verfahrensmängel, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, die Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und Unrichtigkeit der Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von der Klägerin angeführten Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor, soweit sie die Klägerin den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend dargelegt hat.
1. Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO)
Es liegt kein Verfahrensmangel darin, dass das FG den Beweisanträgen der Klägerin nicht entsprochen hat.
a) Die Verfahrensrüge ist in zulässiger Form erhoben worden. Da das FG die Beweisanträge im Urteil ausdrücklich abgelehnt hat, brauchte die Klägerin die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht weiter zu begründen (BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007 IV B 51/05, BFH/NV 2007, 1089).
b) Das FG hat die beantragte Beweiserhebung zu Recht abgelehnt. Das von der Klägerin benannte Beweisthema, nämlich die Frage, ob das Projekt B keine Leistungserbringung für einen Dritten ausweist, bezeichnet keine zu ermittelnden Tatsachen, sondern eine Rechtsfrage, deren Beurteilung den Gerichten obliegt und weder regelmäßig noch in bestimmten Einzelfällen durch ein Sachverständigengutachten oder eine Zeugenvernehmung vorbereitet werden muss (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. Februar 2007 X B 7/06, BFH/NV 2007, 1167, und vom 16. März 2007 III B 179/06, BFH/NV 2007, 1181).
Soweit sich das Beweisthema auf die Behauptung der Klägerin bezieht, das Projektergebnis sei ausschließlich dem Bereich Forschung und Entwicklung zuzuordnen, hat das FG die Beweisanträge aus materiell-rechtlichen Gründen abgelehnt. Da es für die Frage, ob in der unterlassenen Aufklärung des Sachverhalts ein Verfahrensmangel liegt, auf den materiellen Rechtsstandpunkt des FG ankommt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. Januar 2007 I B 55/06, BFH/NV 2007, 978, m.w.N.), scheidet insoweit von vornherein das Vorliegen eines Verfahrensfehlers aus. Es handelt sich insoweit zudem ebenfalls um eine Rechtsfrage, deren Beantwortung den Gerichten obliegt, und nicht um eine Frage der Tatsachenermittlung.
2. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)
Nach Ansicht der Klägerin hat die Angelegenheit schon deshalb grundsätzliche Bedeutung, weil ein Kofinanzierungsanteil der EU betroffen sei und diese offensichtlich nicht von einem steuerbaren und steuerpflichtigen Leistungsaustausch ausgehe. Dies sei schon deshalb anzunehmen, weil anderenfalls der deutsche Fiskus an EU-Fördergeldern partizipiere.
Diese Ausführungen genügen nicht den Begründungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Klägerin hat weder dargelegt, aus welchen europarechtlichen Vorschriften sich ergeben soll, dass die Verwendung von Fördergeldern der EU im Rahmen eines umsatzsteuerbaren und -steuerpflichtigen Leistungsaustausches generell ausgeschlossen sei noch hat sie dargelegt, dass und inwieweit diese Behauptung den Streitfall betreffe.
3. Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO)
Die Beschwerdebegründung genügt auch insoweit nicht den gesetzlichen Anforderungen.
a) Zur schlüssigen Darlegung einer Divergenzrüge gehört u.a. eine hinreichend genaue Bezeichnung der vermeintlichen Divergenzentscheidungen sowie die Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits, um eine Abweichung erkennbar zu machen (BFH-Beschlüsse vom 21. August 2006 X B 154/05, BFH/NV 2006, 2295; vom 23. Januar 2007 VI B 17/06, BFH/NV 2007, 950, und vom 1. Februar 2007 III B 165/05, BFH/NV 2007, 954).
b) An einer solchen Gegenüberstellung tragender, abstrakter Rechtssätze fehlt es im Streitfall. Die von der Klägerin angeführten BFH-Urteile vom 28. Juli 1994 V R 19/92 (BFHE 176, 66, BStBl II 1995, 86) und vom 25. Januar 1996 V R 61/94 (BFH/NV 1996, 715) betreffen die Gewährung von Forschungszuschüssen und nicht die Zahlung von öffentlichen Mitteln für die Durchführung von näher bestimmten Qualifizierungsmaßnahmen in Unternehmen wie im Streitfall.
4. Unrichtigkeit der Vorentscheidung
Mit ihren Einwendungen gegen die Richtigkeit der Vorentscheidung macht die Klägerin keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. September 2005 II B 135/04, BFH/NV 2006, 306; vom 16. November 2006 XI B 178/05, BFH/NV 2007, 477, und vom 22. Februar 2007 VI B 29/06, BFH/NV 2007, 969). Die Klägerin vertritt selbst nicht die Ansicht, dass die Vorentscheidung auf sachfremden Erwägungen beruhe und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar und deshalb objektiv willkürlich oder greifbar gesetzeswidrig sei und dass deshalb ein Grund für die Zulassung der Revision vorliege (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 13. Oktober 2003 IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom 5. Juli 2005 VI B 150/04, BFH/NV 2005, 2025; vom 10. Februar 2005 IV B 62/03, BFH/NV 2005, 1319, und in BFH/NV 2007, 969).
Fundstellen