Leitsatz (amtlich)

1. Ein Rechtsanwalt darf Geschäftsreisen grundsätzlich mit dem eigenen Kraftwagen ausführen.

2. Sind jedoch bei besonders großen Entfernungen die Kosten für die Benutzung des eigenen Kraftwagens im Vergleich zu den Kosten der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unverhältnismäßig hoch und ist die Benutzung des eigenen Kraftwagens nicht aus anderen Gründen wirtschaftlich gerechtfertigt, sind Kilometergelder für die Kraftfahrzeugbenutzung insoweit nicht erstattungsfähig, als sie die Kosten der Beförderung mit einem öffentlichen Verkehrsmittel überschreiten.

 

Normenkette

FGO § 139 Abs. 1; BRAGO § 28 Abs. 1

 

Tatbestand

In einer unmittelbar vor dem BFH geführten Klage wegen Erstattung von Abschöpfungsbeträgen hatte die Kostengläubigerin zum überwiegenden Teil obgesiegt. Sie hatte einen Rechtsanwalt mit der Prozeßführung beauftragt, der eine mündliche Verhandlung vor dem BFH wahrgenommen hatte. Zu diesem Termin war der Rechtsanwalt mit dem eigenen Kraftwagen angereist. In ihrem Kostenfestsetzungsantrag machte die Kostengläubigerin folgende Reisekosten ihres Prozeßbevollmächtigten geltend:

Fahrkosten mit Pkw

1630 km zu 0,40 DM/km 652,- DM

2 Tage- und Abwesenheitsgelder 100,- DM

Übernachtungskosten für eine Nacht 70,- DM

Zwischensumme 822,- DM

5,5 v. H. Mehrwertsteuer 45,21 DM

Summe 867,21 DM

Da der Prozeßbevollmächtigte an diesem Tage noch weitere fünf gleichgelagerte Streitsachen vor dem BFH zu verhandeln hatte, rechnete die Kostengläubigerin von dieser Summe auf ihre Angelegenheit 1/6 = 144,54 DM.

In dem Kostenfestsetzungsbeschluß der Geschäftsstelle des Senats wurden die Kosten für die Benutzung des eigenen Pkw nicht als erstattungsfähig angesehen und statt dessen die niedrigeren Kosten einer Flugreise im Betrage von 350 DM zuzüglich eines geschätzten Betrags für Taxi-Kosten von 25 DM angesetzt.

In ihrer Erinnerung bringt die Kostengläubigerin vor, der eigene Kraftwagen sei in § 28 BRAGebO vom Gesetzgeber als das üblicherweise bei Geschäftsreisen zu benutzende Beförderungsmittel anerkannt. Eine Prüfung der Frage, ob die Fahrt mit der Bahn oder mit dem Flugzeug billiger gewesen wäre, sei nicht angängig. Die Wahl des benutzten Verkehrsmittels sei in das Ermessen des Anwalts gestellt. Durch die Benutzung eines Flugzeugs wäre kein größerer Zeitgewinn zu erzielen gewesen. Vielfach seien Flüge auf der in Betracht kommenden Strecke ausgebucht. Bei der Benutzung des eigenen Pkw habe es keine Schwierigkeiten mit der Gepäckbeförderung gegeben. Für die sechs wahrzunehmenden Termine seien umfangreiches Aktenmaterial und Fachliteratur nebst dem persönlichen Gepäck mitzunehmen gewesen. Zudem seien Kosten und Zeit bei der An- und Abfahrt gespart worden.

Der Kostenschuldner hält im vorliegenden Fall die Benutzung des eigenen Pkw für unangebracht und beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Erinnerung ist nicht begründet.

Nach § 139 Abs. 1 FGO kann der Kostengläubiger nur die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen erstattet verlangen. Diese erfahren damit begrifflich eine doppelte Einschränkung gegenüber möglichen oder auch tatsächlichen Aufwendungen. Sie müssen zunächst bei objektiver Betrachtung geeignet sein, das Verfahren zu fördern, und dürfen nicht ungewöhnliche oder gar neben der Sache liegende Maßnahmen betreffen. Sie müssen sich außerdem im Rahmen dessen halten, was ein am finanzgerichtlichen Verfahren Beteiligter für gewöhnlich bei objektiver und vorausschauender Betrachtung des zu führenden Rechtsstreits aufzuwenden für erforderlich hält (Ziemer-Birkholz, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 139 Rdnr. 9 ff.).

Zu erstatten sind auch die Auslagen, die der Kostengläubiger einem mit der Führung seines Prozesses beauftragten Rechtsanwalt zu ersetzen hat. Auslagen sind vorbereitende oder bei Ausführung des Auftrags gemachte Aufwendungen, die der Anwalt bei vernünftiger Überlegung für notwendig halten durfte (Tipke-Kruse, Reichsabgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 2.-5. Aufl., § 139 FGO Rdnr. 22). Zu diesen Auslagen zählen auch die Reisekosten des Anwalts, die anläßlich der Wahrnehmung einer mündlichen Verhandlung entstanden sind.

Nach § 28 Abs. 1 BRAGebO erhält ein Rechtsanwalt bei Geschäftsreisen im Falle der Benutzung des eigenen Kraftwagens 0,40 DM für jeden angefangenen km des Hin- und Rückwegs, bei Benutzung anderer Verkehrsmittel die tatsächlichen Aufwendungen. Nach der Neufassung des § 28 BRAGebO durch das Änderungsgesetz vom 30. Juni 1965 (BGBl I, 577) steht es dem Rechtsanwalt frei, ob er eine Berufsreise mit der Bahn oder mit einem anderen Verkehrsmittel ausführen will (Beschluß des OLG Hamburg 8a W 25/66 vom 2. Juni 1966 in Tschischgale-Luetgebrune-Lappe, Kostenrechtsprechung, § 28 BRAGebO Nr. 19). In Abs. 1 dieser Vorschrift steht die Benutzung des eigenen Kraftwagens sogar an erster Stelle, weil sich der Gesetzgeber der allgemeinen Entwicklung, die zur Benutzung des eigenen Kraftwagens auch bei Geschäftsreisen eines Rechtsanwalts als allgemein üblich geführt hat, nicht hat verschließen können. Der Senat stimmt daher der Auffassung von Riedel-Corves-Sußbauer (Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 2. Aufl., § 28 Anm. 6) zu, daß bei diesem sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergebenden Willen des Gesetzgebers der Ersatz des km-Geldes nicht von einer kleinlichen Prüfung abhängig gemacht werden darf, ob im Einzelfall die Benutzung eines anderen Verkehrsmittels, z. B. der Eisenbahn, billiger gekommen wäre. Die für Rechtsanwälte gebotene Regelung der Wegeentschädigung weicht daher deutlich von den anderen Reisekostenregelungen, z. B. der für Beamte oder für Zeugen und Sachverständige, ab. Der Senat kann sich daher unbedenklich der in Rechtsprechung und Literatur ohne Ausnahme vertretenen Auffassung anschließen, daß ein Rechtsanwalt Geschäftsreisen grundsätzlich mit dem eigenen Kraftwagen unternehmen darf (vgl. außerdem noch Entscheidung des OLG Hamburg 8 W 30/67 vom 24. Februar 1967, MDR 1967, 504; Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Nr. 58 III 67 vom 23. Januar 1968 in Tschischgale-Luetgebrune-Lappe, Kostenrechtsprechung, a. a. O., Nr. 23; Entscheidung des OLG Nürnberg 1 W 22/68 vom 10. April 1968, MDR 1968, 852; ferner die Erläuterungsbücher zur Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte von Gerold-Schmidt, 4. Aufl., § 28 Anm. 18; Swolana, 4. Aufl., § 28 Anm. 2 a; Göttlich, 10. Aufl., Stichwort "Fahrkosten" und "Kraftwagen"; Lauterbach, Kostengesetze, 16. Aufl., § 28 BRAGebO, Anm. 3).

Mag daher aufgrund der durch das Änderungsgesetz getroffenen Regelung der Rechtsanwalt in der Wahl des zu benutzenden Verkehrsmittels grundsätzlich frei sein, ist gleichwohl in der angeführten Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Ausübung dieses Wahlrechts eine Grenze insofern aufgezeigt worden, als der Rechtsanwalt nicht unangemessen hohe Kosten verursachen darf; denn soweit sie das erforderliche und vertretbare Ausmaß übersteigen, sind sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig und können dem erstattungspflichtigen Gegner nicht in Rechnung gestellt werden.

Eine Verursachung unangemessen hoher Kosten wird in der Regel dann angenommen, wenn die Kosten für die Benutzung des eigenen Pkw unter Zugrundelegung des in § 28 Abs. 1 BRAGebO festgelegten Kilometersatzes von 0,40 DM im Vergleich zu den Kosten der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unverhältnismäßig hoch sind und die Benutzung des eigenen Pkw wirtschaftlich nicht aus anderen Gründen, etwa durch Vermeidung erheblicher Zeitversäumnis, Behinderungen durch häufiges Umsteigen, schlechte Verbindungen zum Ort des Geschäfts und dergleichen gerechtfertigt erscheint. Wie auch der vorliegende Fall zeigt, sind die Kostenunterschiede bei Benutzung des eigenen Pkw und bei Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel unter Umständen beträchtlich. Ob die Grenze für die Benutzung des eigenen Pkw bei einer Entfernung von etwa 200 km gezogen und bei darüber hinausgehenden Entfernungen im allgemeinen als unangemessen angesehen werden muß - hiervon geht offenbar das OLG Hamburg in seiner Entscheidung vom 24. Februar 1967 aus -, erscheint zweifelhaft. Handelt es sich aber um besonders große Entfernungen zwischen dem Sitz des Rechtsanwalts und des Gerichts - im Streitfall über 800 km -, ist die Benutzung des eigenen Pkw in der Regel wirtschaftlich nicht mehr gerechtfertigt und daher nicht angemessen. Beträgt hier bei Benutzung des eigenen Kraftwagens das geltend gemachte Kilometergeld 652 DM, steht dem der Preis von 375 DM für eine Flugkarte zuzüglich der Kosten für den Zu- und Abgang mit einem Taxi gegenüber. Die Reise des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wäre fast um die Hälfte billiger gewesen, wenn er ein öffentliches Verkehrsmittel benutzt hätte.

Die Kostengläubigerin hat keine überzeugenden Gründe vorgebracht, wonach gerade im vorliegenden Fall bei ihrem Rechtsanwalt die Benutzung des eigenen Pkw und nicht eines öffentlichen Verkehrsmittels gerechtfertigt erscheint. Eine Entfernung von über 800 km ist entgegen der Meinung der Kostengläubigerin nicht im Verlauf eines späten Nachmittags und eines frühen Abends zurückgelegt. Für Anreise und Rückreise wird, auch bei Benutzung der Autobahn, annähernd je ein voller Arbeitstag benötigt. Zwischen dem Sitz des Prozeßbevollmächtigten und dem Sitz des Gerichts bestehen gute und schnelle Verkehrsverbindungen, so daß es ausgeschlossen erscheint, daß der Prozeßbevollmächtigte die Fahrt mit dem eigenen Pkw vornehmlich aus Gründen der Zeitersparnis vorgezogen hat. Auch gewisse Unbequemlichkeiten der Gepäckbeförderung und der Anfahrt zu einem Bahnhof oder Flugplatz können nicht als ausschlaggebender Gesichtspunkt angesehen werden. Diesen verhältnismäßig geringen Unbequemlichkeiten, den Zusteigeort des öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen, stehen die weitaus größeren Vorteile einer schnelleren und weniger anstrengenden Beförderung gegenüber. Es kann auch keine Rede davon sein, daß der Prozeßbevollmächtigte der Kostengläubigerin nach einer Autoreise von über 800 km ausgeruhter als etwa bei Benutzung des Flugzeugs an seinem Ziel angelangt wäre. Da nach alledem kein Grund ersichtlich ist, weshalb der Prozeßbevollmächtigte der Kostengläubigerin bei der besonders großen Entfernung gerade den eigenen Pkw als das weitaus kostspieligere Beförderungsmittel benutzt hat, sind die geltend gemachten Kilometergelder, soweit sie die Kosten der Beförderung mit einem öffentlichen Verkehrsmittel - hier dem Flugzeug - überschreiten, nach § 139 Abs. 1 FGO nicht erstattungsfähig.

 

Fundstellen

Haufe-Index 70153

BStBl II 1973, 23

Dieser Inhalt ist unter anderem im Steuer Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge