Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulassung der Beschwerde
Leitsatz (NV)
Die Zulassung der Beschwerde (hier nach § 128 Abs. 3 FGO gegen die Entscheidung des FG über eine einstweilige Anordnung) muß stets ausdrücklich durch besondere Entscheidung des FG erfolgen. Diese kann entweder in der Urteilsformel oder in den Gründen, ggf. auch in der Rechtsmittelbelehrung, getroffen werden.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 3, § 144 Abs. 1, § 115 Abs. 2, § 128 Abs. 3; GKG § 8 Abs. 1; BFHEntlG Art. 1 Nr. 3
Tatbestand
Das Finanzgericht (FG) lehnte am ... 1993 den Antrag der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung als unzulässig ab, da vorläufiger Rechtsschutz auf diese Weise nicht erreichbar sei. In der Rechtsmittelbelehrung heißt es: Gegen diesen Beschluß kann innerhalb von zwei Wochen nach der Bekanntgabe die Beschwerde beim Finanzgericht ... eingelegt werden ... Die Antragstellerin legte dementsprechend Beschwerde ein, ohne sie jedoch zu begründen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig.
Nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.d.F. des Gesetzes zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze (FGO-Änderungsgesetz) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I, 2109) steht den Beteiligten gegen die Entscheidung des FG über eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO die Beschwerde nur zu, wenn sie in der Entscheidung zugelassen worden ist. Für die Zulassung gilt § 115 Abs. 2 FGO entsprechend.
Der angefochtene Beschluß des FG enthält keine Ausführungen über die Zulassung der Beschwerde wegen einer oder mehrerer der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Zulassungsgründe. Die Beschwerde ist deshalb nicht statthaft.
Für die Zulassung der Beschwerde nach § 128 Abs. 3 FGO ist im Gesetz keine besondere Form vorgeschrieben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Zulassung der Revision durch das FG (§ 115 Abs. 1 und 2 FGO) muß die Zulassung nicht ausdrücklich in die Urteilsformel aufgenommen werden, obwohl dies im Hinblick auf die Rechtsklarheit erwünscht ist. Vielmehr genügt es, wenn die Zulassung des Rechtsmittels etwa durch Hinweis auf den Zulassungsgrund oder die gesetzliche Bestimmung erkennbar aus den Urteilsgründen hervorgeht (BFH-Urteile vom 24. November 1964 VII 237/63, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1965, 130; vom 12. Februar 1965 VI 96/64, HFR 1965, 557, und vom 5. November 1971 VI R 284/69, BFHE 103, 477, BStBl II 1972, 139). Unter besonderen Voraussetzungen kann auch ein in der Rechtsmittelbelehrung des FG-Urteils enthaltener ausdrücklicher Ausspruch, daß die Revision zulässig sei, als Revisionszulassung anerkannt werden (BFH-Beschluß vom 12. Februar 1967 VI R 321/66, BFHE 88, 361, BStBl III 1967, 396). Da die Zulassung jedoch stets ausdrücklich durch besondere Entscheidung erfolgen muß, reicht es nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat sich anschließt, als Entscheidung des FG, die Revision zuzulassen, nicht aus, daß die Rechtsmittelbelehrung lediglich von der Zulässigkeit ausgeht und sie nicht zu erkennen gibt, daß mit ihr selbst die Revision aus einem der in § 115 Abs. 2 FGO genannten Gründe zugelassen wird. Eine Rechtsmittelbelehrung, nach der - ohne Hinweis auf die besondere Entscheidung über die Zulassung - die Revision als zulässig behandelt wird, kann nur als unrichtige Rechtsmittelbelehrung verstanden werden. Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung führt aber nicht dazu, daß ein nach dem Gesetz nicht zulässiges Rechtsmittel als zulässig zu behandeln ist (BFH-Urteil in HFR 1965, 130, und BFH-Urteil vom 3. September 1964 II 106/64, HFR 1965, 73; ständige Rechtsprechung).
Die vorstehenden, für die Zulassung der Revision entwickelten Grundsätze hat der BFH in ständiger Rechtsprechung auf die Zulassung der Beschwerde gegen den die Vollziehung ablehnenden Beschluß des FG nach § 69 Abs. 3 FGO aufgrund des bis zum 31. Dezember 1992 geltenden Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) entsprechend angewandt (vgl. die Beschlüsse vom 3. Dezember 1985 VII B 65/85, BFH/NV 1986, 419; vom 23. Juni 1987 VIII B 212/86, BFHE 150, 114, BStBl II 1987, 635, und vom 27. Juli 1992 VIII B 100/91, BFH/NV 1993, 113, 114). Nach der Neufassung des § 128 Abs. 3 FGO durch Art. 1 Nr. 32 FGO-Änderungsgesetz, der die Regelung des Art. 1 Nr. 3 BFHEntlG in die FGO übernommen und sie auf die Entscheidungen über einstweilige Anordnungen nach § 114 Abs. 1 FGO ausgedehnt hat, gelten diese Grundsätze auch für die Entscheidung des FG über eine einstweilige Anordnung nach § 114 Abs. 1 FGO.
Im Streitfall folgt daraus, daß dem angefochtenen Beschluß, nach dessen Rechtsmittelbelehrung die Beschwerde gegeben sein soll, die nach § 128 Abs. 3 FGO erforderliche Zulassung dieses Rechtsmittels nicht entnommen werden kann. Weder die Beschlußformel noch die Gründe des angefochtenen Beschlusses enthalten einen Hinweis darauf, daß das Gericht die Beschwerde zugelassen hat. Aus der Rechtsmittelbelehrung allein könnte die Zulassung allenfalls dann entnommen werden, wenn in ihr die Zulassung durch eine ausdrücklich darauf gerichtete Formulierung betreffend Zulassung und Zulassungsgrund zum Ausdruck gekommen wäre. An einer solchen Formulierung fehlt es hier aber. So hat es auch das FG verstanden, wie sich aus dem Nichtabhilfebeschluß über die Beschwerde ergibt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren wird gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes abgesehen, weil die Antragstellerin die Beschwerde aufgrund einer unzutreffenden Rechtsmittelbelehrung eingelegt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 419549 |
BFH/NV 1994, 254 |