Entscheidungsstichwort (Thema)
Spontanauskunft an die USA: Rechtsgrundlage, Untersagung im Wege der einstweiligen Anordnung - Anwendbarkeit des DBA-USA 1954/1965 bzw. DBA-USA 1989
Leitsatz (amtlich)
1. Sowohl Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 als auch Art.26 Abs.1 DBA-USA 1989 i.V.m. Nr.26 des Protokolls DBA-USA 1989 gestatten Auskünfte an die USA ohne deren Verlangen (sog. Spontanauskünfte).
2. Rechtsgrundlage einer Spontanauskunft an die USA, die einen 1981 verwirklichten und für die Bundeseinkommensteuer der USA relevanten Sachverhalt betrifft, ist § 117 Abs.2 AO 1977 entweder i.V.m. Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 und dem Zustimmungsgesetz vom 20.Dezember 1965 oder i.V.m. Art.26 Abs.1 DBA-USA 1989, Nr.26 des Protokolls DBA-USA 1989 und dem Zustimmungsgesetz vom 11.Januar 1991.
Orientierungssatz
1. Mit dem Inkrafttreten des DBA-USA 1989 trat zwar das DBA-USA 1954/1965 außer Kraft. Daraus folgt aber nicht, daß nach dem 21.8.1991 die Bestimmungen des DBA-USA 1954/1965 nicht mehr anzuwenden sind. Vielmehr gelten sie weiter für die Steuern der Veranlagungszeiträume bzw. Steuerjahre, für die das DBA-USA 1989 noch nicht anzuwenden ist.
2. Als Anspruchsgrundlage für den Antrag, dem BMF im Wege der einstweiligen Anordnung eine sog. Spontanauskunft an die USA zu untersagen, kommt allenfalls § 1004 BGB analog i.V.m. § 30 AO 1977 in Betracht (vgl. BFH-Beschluß vom 20.1.1988 I B 72/87).
Normenkette
AO 1977 § 30 Abs. 4 Nr. 2, § 117 Abs. 2; FGO § 114 Abs. 1 S. 1; DBA USA Art. 1 Abs. 1 Buchst. a, Art. 10, 16 Abs. 1 S. 1; DBA USA 1989 Art. 26 Abs. 1, Art. 32 Abs. 7; BGB § 1004; DBAProt USA Nr. 26; DBA USA 1989
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) erbrachte 1981 Architektenleistungen an einen Auftraggeber in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA). Er erzielte dadurch einen Gewinn von rd. 194 000 DM. Das für die inländische Besteuerung des Antragstellers zuständige Finanzamt (FA) stellte den Gewinn von der Einkommensteuer frei, weil der Antragsteller und dessen Auftraggeber angegeben hatten, die Leistungen seien in den USA erbracht worden. Gleichzeitig teilte das FA dem Antragsteller mit, es beabsichtige, die Steuerbehörden der USA über den Sachverhalt zu informieren, indem es gemäß Art.XVI Abs.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und einiger anderer Steuern vom 22.Juli 1954 (BGBl II 1954, 1118, BStBl I 1955, 70) i.d.F. des Protokolls vom 17.September 1965 zur Änderung dieses Abkommens --DBA-USA 1954/1965-- (BGBl II 1965, 1610, BStBl I 1966, 220) eine Auskunft ohne entsprechendes Ersuchen (sog. Spontanauskunft) erteile. Der Antragsteller erhob dagegen Einwendungen und nach erfolglosem Beschwerdeverfahren 1983 Klage. Das FA stellte den Antragsteller 1989 zunächst klaglos, behielt sich jedoch ausdrücklich vor, den für die Erteilung einer Spontanauskunft zuständigen Antragsgegner und Beschwerdegegner (Bundesminister der Finanzen --BMF--) zu informieren.
Ende 1989 unterrichtete das FA den BMF über den Sachverhalt. Dabei beachtete es das im Merkblatt des BMF vom 1.Dezember 1988 IV C 5 - S 1320 - 29/88 (BStBl I 1988, 466 ff.) vorgeschriebene Verfahren. Der BMF ließ durch eine Anfrage der Deutschen Botschaft in den USA beim Department of the Treasury - Internal Revenue Service der USA (IRS) abstrakt klären, ob die beabsichtigte Spontanauskunft für die Besteuerung in den USA von Bedeutung sein könne. Der IRS bejahte dies. Er teilte mit, die Einkünfte aus den in den USA einem dortigen Auftraggeber erbrachten Architektenleistungen seien als personal service income gemäß Art.X Abs.2 DBA-USA 1954/1965 zu qualifizieren und in den USA zu versteuern und der IRS werde den Steueranspruch durchsetzen, falls der Steuerpflichtige in den USA keine Steuererklärung abgegeben habe.
Mit Schreiben vom 18.September 1991 kündigte der BMF dem Antragsteller an, er werde die Steuerverwaltung der USA über den Sachverhalt informieren. Als Rechtsgrundlage der beabsichtigten Spontanauskunft nannte er Art.26 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.August 1989 --DBA-USA 1989-- i.V.m. Nr.26 des Protokolls zu diesem Abkommen --Protokoll DBA-USA 1989-- und dem Zustimmungsgesetz vom 11.Januar 1991 --Zustimmungsgesetz DBA-USA 1989-- (BGBl II 1991, 354, BStBl I 1991, 94).
Der Antragsteller beantragte daraufhin bei dem gemäß § 38 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuständigen Finanzgericht (FG), dem BMF im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, über die vom Antragsteller im Jahr 1981 in den USA erzielten Vergütungen für Architektenleistungen eine Spontanauskunft an die USA zu erteilen. Der Antrag hatte keinen Erfolg (Beschluß des FG vom 19.Dezember 1991).
Gegen den Beschluß des FG hat der Antragsteller Beschwerde erhoben.
Er beantragt, den Beschluß aufzuheben und dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, über die vom Antragsteller im Jahr 1981 in den USA erzielten Vergütungen für Architektenleistungen eine Spontanauskunft an die USA zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde war zurückzuweisen. Sie ist nicht begründet. Der Rechtsanspruch, den der Antragsteller durch die begehrte einstweilige Anordnung gemäß § 114 Abs.1 Satz 1 FGO sichern will, besteht nicht. Als Anspruchsgrundlage des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs kommt allenfalls § 1004 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) analog i.V.m* § 30 der Abgabenordnung (AO 1977) in Betracht (vgl. Entscheidung des beschließenden Senats vom 20.Januar 1988 I B 72/87, BFHE 152, 50, BStBl II 1988, 412). Deren Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt.
1. Die Informationen, die der BMF vom FA über die Verhältnisse des Antragstellers erhielt, unterliegen zwar gemäß § 30 AO 1977 dem Steuergeheimnis. Der Antragsteller kann daher vom BMF verlangen, daß die beim BMF tätigen Amtsträger (§ 7 AO 1977) und für den öffentlichen Dienst besonders verpflichteten Personen (§ 30 Abs.3 Nr.1 AO 1977) dieses Geheimnis wahren (§ 30 Abs.1 AO 1977; s. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., § 30 AO 1977 Tz.4). Der Umfang dieses Anspruchs ist aber eingeschränkt. Der Antragsteller kann nur verlangen, daß seine Verhältnisse nicht unbefugt offenbart oder verwertet werden. Das ergibt sich aus § 30 Abs.2 und 4 AO 1977.
2. Die vom BMF beabsichtigte Spontanauskunft ist keine unbefugte Offenbarung der Verhältnisse des Antragstellers, da sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist (§ 30 Abs.4 Nr.2 AO 1977).
Rechtsgrundlage der beabsichtigten Spontanauskunft ist § 117 Abs.2 AO 1977 entweder i.V.m. dem Zustimmungsgesetz vom 20.Dezember 1965 zum Protokoll vom 17.September 1965 zur Änderung des Abkommens vom 22.Juli 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen (BGBl II 1965, 1609, BStBl I 1966, 219) und Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 oder i.V.m. Art.26 Abs.1 DBA-USA 1989, dem Zustimmungsgesetz DBA-USA 1989 und Nr.26 des Protokolls DBA-USA 1989. Welche der genannten Alternativen zutrifft, kann --da nicht entscheidungserheblich-- offenbleiben.
a) Gemäß § 117 Abs.2 AO 1977 dürfen die Finanzbehörden zwischenstaatliche Amtshilfe u.a. aufgrund innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Verträge leisten. Ein derartiger Vertrag ist das DBA-USA 1954/1965, dessen Art.XVI Abs.1 aufgrund des Zustimmungsgesetzes vom 20.Dezember 1965 innerstaatlich anwendbares Recht ist. Nach Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 sind die zuständigen Behörden der Vertragsstaaten berechtigt, die Auskünfte auszutauschen, die nach den Steuergesetzen der beiden Vertragsstaaten bereitgestellt werden können und notwendig sind für die Durchführung der Vorschriften des Abkommens oder für die Verhütung von Hinterziehungen und dergleichen bei den unter das Abkommen fallenden Steuern.
Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 gestattet auch Spontanauskünfte. Die Erteilung einer Auskunft setzt nach dem Wortlaut der Bestimmung nicht ein Auskunftsersuchen des anderen Vertragsstaates voraus. Für die Zulässigkeit von Spontanauskünften spricht insbesondere, daß die Vertragsstaaten sich auch zum Austausch der Auskünfte verpflichtet haben, die für die Verhütung von Hinterziehungen notwendig sind. Auskünfte sind somit gerade auch in den Fällen zu erteilen, in denen die Behörden des einen Vertragsstaates von einer möglichen Steuerhinterziehung zu Lasten des anderen Vertragsstaates Kenntnis erlangen und dieser nicht um Auskunft ersucht, weil ihm der Steueranspruch noch unbekannt ist.
Vogel (Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 2.Aufl. 1990, S.1366, m.w.N.) und Heidner (Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1989, 526) vertreten dagegen die Auffassung, Spontanauskünfte seien nach den vor dem 11.April 1977 zwischen OECD-Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) nur erlaubt, wenn das betreffende Abkommen sie ausdrücklich gestatte. Sie leiten dies aus dem Kommentar zu Art.26 des OECD-Musterabkommens 1963 (OECD-MustAbk 1963) zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und Vermögens ab, der nur Auskünfte auf Ersuchen vorsieht und für die Auslegung der zwischen den OECD-Staaten vor dem 11.April 1977 abgeschlossenen DBA heranzuziehen sei.
Der beschließende Senat folgt dieser Auffassung bei Auslegung des Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 nicht. Der Wortlaut dieser Bestimmung weicht wesentlich von dem des Art.26 Abs.1 OECD-MustAbk 1963 ab. Es ist somit bereits zweifelhaft, ob der Kommentar zu Art.26 OECD-MustAbk 1963 zur Auslegung des Art.XVI DBA-USA 1954/1965 herangezogen werden darf. Als entscheidend sieht es der Senat jedoch an, daß Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 ausdrücklich die Verhütung der Steuerhinterziehung anspricht.
Die beabsichtigte Spontanauskunft betrifft Steuern der USA, auf die sich das DBA-USA 1954/1965 bezieht. Die Tatsachen, die der BMF den USA mitteilen will, sind für die Bundeseinkommensteuer und möglicherweise Zuschlagsteuern der USA von Bedeutung (Art.I Abs.1 Buchst.a, Art.X DBA-USA 1954/ 1965).
b) Ein innerstaatlich anwendbarer völkerrechtlicher Vertrag ist aufgrund des Zustimmungsgesetzes DBA-USA 1989 auch das am 21.August 1991 in Kraft getretene DBA-USA 1989. Nach dessen Art.26 Abs.1 i.V.m. Nr.26 des Protokolls DBA- USA 1989 sind Spontanauskünfte an die USA zulässig.
Art.26 Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1989 gestattet allerdings nur den Austausch von Informationen, "die zur Durchführung dieses Abkommens und des innerstaatlichen Rechts der Vertragsstaaten betreffend die unter dieses Abkommen fallenden Steuern erforderlich sind". Gemäß seinem Art.32 Abs.2 gilt das DBA-USA 1989 --abgesehen von den im Abzugsweg erhobenen Steuern, den Abgaben auf Versicherungsprämien und den Steuern vom Vermögen-- erstmals für die Steuern vom Einkommen der Veranlagungszeiträume bzw. Steuerjahre, die am oder nach dem 1.Januar 1990 begonnen haben, ausgenommen jedoch der Wirtschaftsjahre, die vor diesen Datum begannen (vgl. Debatin/Enders, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen USA/ Bundesrepublik Deutschland, 1990, Art.32 Rz.1; Arthur Andersen, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-USA, Kommentar, 1990, Art.32 Rz.5, 7). Deshalb ist fraglich, ob Art.26 Abs.1 DBA-USA 1989 es gestattet, Informationen auszutauschen, die Steuern vom Einkommen des Steuerjahres 1981 betreffen.
c) Die Frage kann jedoch im Streitfall ungeklärt bleiben. Denn wenn sie --entgegen der Auffassung des FG und des BMF-- zu verneinen sein sollte, wäre der BMF aufgrund des dann weitergeltenden Art.XVI Abs.1 Satz 1 DBA-USA 1954/1965 befugt, die beabsichtigte Spontanauskunft zu erteilen.
Mit Inkrafttreten der Bestimmungen des DBA-USA 1989 gemäß dessen Art.32 trat zwar das DBA-USA 1954/1965 außer Kraft (Art.32 Abs.7 DBA-USA 1989). Daraus folgt aber nicht, daß nach dem 21.August 1991 die Bestimmungen des DBA-USA 1954/ 1965 nicht mehr anzuwenden sind. Vielmehr gelten sie weiter für die Steuern der Veranlagungszeiträume bzw. Steuerjahre, für die das DBA-USA 1989 noch nicht anzuwenden ist. Eine andere Auslegung des Art.32 Abs.7 DBA-USA 1989 würde dem Zweck beider Abkommen widersprechen, der in der Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht und in der Bezeichnung der Abkommen zum Ausdruck gekommen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 64459 |
BFH/NV 1992, 43 |
BStBl II 1992, 645 |
BFHE 167, 11 |
BFHE 1992, 11 |
BB 1992, 1203 (L) |
DB 1992, 1391-1392 (LT) |
DStR 1992, 856 (KT) |
DStZ 1992, 445 (KT) |
HFR 1992, 389 (LT) |
StE 1992, 334 (K) |