Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung
Leitsatz (NV)
Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde muß innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist beim FG eingereicht werden. Sofern der Prozeßbevollmächtigte eines Beteiligten irrig davon ausging, die Beschwerdebegründung fristgerecht auch noch nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist abgeben zu können, beruht dieser Irrtum grundsätzlich auf einer vermeidbaren und daher fahrlässigen Unkenntnis des Verfahrensrechts. Das Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten muß sich der Beteiligte gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen.
Normenkette
FGO § 56 Abs. 1, § 115 Abs. 2, 3 Sätze 1, 3, § 155; ZPO § 85 Abs. 2
Tatbestand
Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) waren in den Streitjahren 1988 und 1989 Gesellschafter der X-Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Gegenstand dieser GbR waren der Erwerb und die Verwertung, Bewirtschaftung und Finanzierung eines Grundstücks in L. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) stellte in den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheiden 1988 und 1989 für die GbR gewerbliche Einkünfte fest. Mit der dagegen nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klage begehrten die Kläger, die angefoch tenen Bescheide zu ändern, die laufenden Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen sowie einen Veräußerungsgewinn außer Ansatz zu lassen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Urteil, in dem die Revision nicht zugelassen wurde, wurde den Klägern am 25. November 1996 zugestellt. Die Rechtsmittelfrist endete am 30. Dezember 1996.
In dem an das FG gerichteten Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 20. Dezember 1996, eingegangen beim FG am 24. Dezember 1996, heißt es, daß "die Revision beantragt (werde). Die Entscheidung des FG (sei) aufzuheben und die Klage zuzulassen".
Auf die schriftliche Anfrage des FG vom 3. Januar 1997, welches Rechtsmittel (Revision oder Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt sei, antwortete der Prozeßbevollmächtigte der Kläger mit Schriftsatz vom 13. Januar 1997, eingegangen beim FG am selben Tage, "daß Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision eingelegt (werde)". Es sei von besonderer Bedeutung festzustellen, "ob nachträglich getroffene Entscheidungen bzw. Korrekturen, die die Einkunftsart betreffen, Wirkung haben, wenn sie vor Erlaß der Bescheide bzw. vor Eintreten von Rechtskraft der Bescheide gefällt wurden".
Das FG hat der Nichtzulassungsbeschwerde nicht abgeholfen.
Mit Verfügung vom 28. Januar 1997, zugestellt am 31. Januar 1997, wies der Vorsitzende des beschließenden Senats den Kläger- Vertreter darauf hin, daß die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde am 29. Dezember 1996 abgelaufen und die erst am 13. Januar 1997 beim FG eingegangene Beschwerdebegründung deshalb verspätet eingereicht worden sei. Auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) werde hingewiesen.
Mit Schriftsatz vom 11. Februar 1997, eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am 13. Februar 1997, beantragt der Kläger- Vertreter die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Er führt aus, daß er am 20. Dezember 1996 die Zulassung der Revision fristgerecht beantragt habe. Die Anfrage des FG vom 3. Januar 1997 habe er innerhalb der vom FG vorgegebenen Frist beantwortet. Hätte das FG rechtzeitig reagiert, wäre es mit Sicherheit nicht zu einer Terminüberschreitung gekommen.
Das FA beantragt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel der Kläger gegen das angefochtene FG-Urteil ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Der Senat geht in Übereinstimmung mit den Klägern davon aus, daß sie am 20. Dezember 1996 eine Nichtzulassungsbeschwerde erhoben haben.
a) Diesem Rechtsmittel muß zum einen schon deshalb der Erfolg versagt bleiben, weil die gemäß § 115 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 FGO erforderliche Beschwerdebegründung nicht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist (vgl. z. B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 55, m. w. N.) -- d. h. bis zum 30. Dezember 1996 -- beim FG eingereicht wurde.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist kann den Klägern nicht gewährt werden, weil sie die Frist nicht "ohne Verschulden" (vgl. § 56 Abs. 1 FGO) versäumt haben. Gründe, die die Versäumnis der Beschwerdebegründungsfrist als entschuldbar erscheinen ließen, vermochten die Kläger nicht darzulegen. Die Kläger müssen sich das Verschulden ihres Prozeßbevollmächtigten gemäß § 155 FGO i. V. m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. Gräber/Koch, a. a. O., § 56 Rdnr. 6, m. w. N.). Sofern der Prozeßbevollmächtigte der Kläger entgegen der eindeutigen und unbestrittenen Rechtslage angenommen haben sollte, er könne die Beschwerdebegründung fristgerecht auch noch nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist abgeben, beruht dieser Irrtum auf einer vermeidbaren und daher fahrlässigen Unkenntnis des Verfahrensrechts (vgl. z. B. Gräber/Koch, a. a. O., § 56 Rdnr. 32, m. w. N. aus der Rechtsprechung), zumal bereits aus der dem angefochtenen Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung (Abs. 2 und 3) zu entnehmen war, daß etwaige Zulassungsgründe i. S. von § 115 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 FGO innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist darzulegen waren (zur Notwendigkeit der Beachtung von Rechtsmittelbelehrungen vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 1990 X B 47/89, BFH/NV 1991, 176, und vom 9. April 1991 V R 88/90, BFH/NV 1991, 760).
Entgegen der von den Klägern vertretenen Ansicht kann die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist auch nicht damit entschuldigt werden, daß das FG ihren Prozeßbevollmächtigten nicht noch innerhalb der Beschwerdefrist auf die fehlende Beschwerdebegründung hinwies. Dazu war das FG nicht verpflichtet, zumal es annehmen durfte, daß dem Prozeßbevollmächtigten als Steuerberater die im Gesetz statuierte Frist zur Vorlage der Beschwerdebegründung bekannt sei. Abgesehen davon konnte das FG angesichts der unpräzisen und mehrdeutigen Formulierungen in der Rechtsmittelschrift vom 20. Dezember 1996 auch gar nicht sicher davon ausgehen, ob überhaupt eine Nichtzulassungsbeschwerde oder ob nicht vielmehr eine (zulassungsfreie) Revision eingelegt sein solle.
Der Prozeßbevollmächtigte der Kläger konnte und durfte die in der Verfügung des FG vom 3. Januar 1997 gesetzte Wochenfrist allein zur Beantwortung der Frage, welches Rechtsmittel eingelegt sei, unter keinen Umständen dahin verstehen, daß dadurch zugleich die bereits zuvor abgelaufene, gesetzlich statuierte und nicht verlängerbare (vgl. z. B. Gräber/Ruban, a. a. O., § 115 Rdnr. 52) Frist zur Abgabe der Beschwerdebegründung hinausgeschoben worden sei.
b) Zum andern ist eine Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger aber auch deswegen unzulässig, weil sie in ihrem Schriftsatz vom 13. Januar 1997 eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht mit der gebotenen Substantiierung dargelegt haben. Eine solche Darlegung i. S. von § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO hätte konkrete Ausführungen darüber erfordert, inwieweit die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen sie umstritten sei (vgl. z. B. Kühn/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 17. Aufl., § 115 FGO Anm. 7 a, m. w. N.).
Diesen Anforderungen genügt die nur einen Satz umfassende Beschwerdebegründung offenkundig nicht.
2. Auch wenn man annähme, daß es sich bei dem Rechtsmittel vom 20. Dezember 1996 um eine Revision handele, wäre es als unzulässig zu verwerfen. Die Revision ist vom FG nicht zugelassen worden. Gründe, die gemäß § 116 Abs. 1 FGO die zulassungsfreie Revision eröffnen, haben die Kläger nicht dargelegt.
Fundstellen
Haufe-Index 422285 |
BFH/NV 1997, 790 |