Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei Gehaltsverzicht
Leitsatz (NV)
Verzichtet der beherrschende Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft wegen Verschlechterung der Gewinnsituation zeitweise auf das vereinbarte Geschäftsführergehalt, so fehlt der Gehaltsvereinbarung in der Regel die Ernsthaftigkeit.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO -- setzt voraus, daß das Finanzgericht (FG) einen (abstrakten) Rechtssatz aufgestellt hat, der von einem (abstrakten) Rechtssatz einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) abweicht (ständige Rechtsprechung; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 115 Rdnr. 17 m. w. N.). Diese sich widersprechenden Rechtssätze sind in der Beschwerdebegründung nach § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO darzustellen. Der Senat kann offenlassen, ob die Ausführungen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) -- zumindest teilweise -- den an sie im Beschwerdeverfahren zu stellenden Anforderungen entspricht. Die Beschwerde ist insoweit jedenfalls unbegründet.
Soweit die Klägerin in der Beschwerdeschrift allgemeine und umfangreiche Ausführungen zur Rechtswidrigkeit der Vorentscheidung macht, vermögen diese eine Zulassung wegen Divergenz i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO nicht zu begründen. Es liegt aber mangels Identität der Rechtsfragen auch keine Abweichung des vorinstanzlichen Urteils zur Entscheidung des BFH vom 22. November 1983 VIII R 133/82 (Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Körperschaftsteuergesetz 1977, § 8 Abs. 1, Rechtsspruch 3) vor. In der bezeichneten BFH-Entscheidung ging es um die Frage, ob ein Verzicht auf vertraglich zustehende Pachtzinsen eine verdeckte Einlage ist, die den Beteiligungsansatz beim (verzichtenden) Alleingesellschafter erhöht. Im Streitfall besteht die Rechtsproblematik nicht in der steuerlichen Behandlung des (Gehalts)Verzichts, sondern der nach Ablauf einer bestimmten Zeit wieder aufgenommenen (Gehalts)Zahlungen. Diese unterschiedliche Rechtsproblematik schließt eine Divergenz aus. Die Frage eines Mißbrauchs (so BFH in StRK, Körperschaft steuergesetz 1977, § 8 Abs. 1, Rechtsspruch 3) steht im Streitfall überhaupt nicht zur Diskussion und ist auch vom FG nicht angesprochen worden.
Eine Divergenz zwischen der Vorentscheidung und dem Urteil des Senats vom 30. Mai 1990 I R 41/87 (BFHE 161, 87, BStBl II 1991, 588) ist schon deswegen ausgeschlossen, weil es im Streitfall um einen unbedingten Verzicht auf künftige Gehaltsansprüche, nicht um den bedingten Verzicht auf eine Darlehensforderung geht. Das FG hat einen voll umfänglichen Gehaltsverzicht eines Gesellschaftsfremden für ungewöhnlich gehalten. Einen Rechtssatz, wonach ein solcher Gehaltsverzicht üblich sei, hat der Senat in der von der Klägerin zitierten Entscheidung nicht aufgestellt. Soweit die Klägerin rügt, daß die vom FG auf S. 10 des Urteils zitierten BFH-Entscheidungen das Urteil nicht trügen, erhebt die Klägerin Einwendungen gegen die Richtigkeit des Urteils, stellt aber keine sich widersprechenden Rechtssätze gegenüber. Eine Divergenz liegt auch nicht deswegen vor, weil das FG bei Prüfung der verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) von der Notwendigkeit eines "Fremdvergleichs" ausgeht, während der BFH grundsätzlich auf das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters abstellt. Gerade dem Zitat der Rechtsprechung des Senats in diesem Zusammenhang läßt sich deutlich entnehmen, daß das FG seiner Entscheidung die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zugrunde gelegt hat. Das FG weicht auch nicht von der Rechtsprechung des Senats ab, wonach ein Gesellschafter-Geschäftsführer unentgeltlich für die Kapitalgesellschaft tätig sein kann (BFH- Urteil vom 14. März 1989 I R 8/85, BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633 m. w. N.). Das FG habe dem weder ausdrücklich noch stillschweigend widersprochen. Die Klägerin unterliegt insoweit auch einem Trugschluß. Gerade weil Gesellschafter-Geschäftsführer für "ihre" Kapitalgesellschaft unentgeltlich tätig werden können, ist die steuerliche Abzugsfähigkeit von Gehaltszahlungen an die von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Kriterien geknüpft.
Es liegt auch keine Divergenz zur ständigen Rechtsprechung des Senats vor, wonach Verträge zwischen Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter klar, eindeutig und im vornherein vereinbart sein müssen (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1991 I R 49/90, BFHE 166, 545, BStBl II 1992, 434, und vom 23. Juni 1993 I R 72/92, BFHE 172, 51, BStBl II 1993, 801). Einen Rechtssatz, wonach diesen Anforderungen entsprechende Verträge ohne Berücksichtigung ihrer tatsächlichen Durchführung steuerlich anzuerkennen sind, hat der BFH nie aufgestellt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469; Streck, Körperschaftsteuergesetz, 3. Aufl., § 8 Anm. 137 m. w. N.).
Eine Abweichung der Vorentscheidung von einer Entscheidung eines FG -- sollte sie vorliegen -- erlaubt, wie dem Wortlaut des § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO klar zu entnehmen ist, keine Revisionszulassung wegen Divergenz.
2. Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung scheitert an der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen.
Eine Revision ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, wenn die für die Beurteilung des Streitfalles maßgebende Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung des Rechts berührt (siehe Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 7 mit Rechtsprechungshinweisen). Eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung kommt dabei nur wegen einer klärungsbedürftigen und im Falle der Revisionszulassung klärungsfähigen Rechtsfrage in Betracht (vgl. z. B. BFH-Beschluß vom 27. Februar 1991 II B 27/90, BFHE 163, 495, BStBl II 1991, 465). Ist ein Urteil auf mehrere Gründe gestützt, so muß hinsichtlich jeder dieser Begründungen ein Zulassungsgrund vorliegen (vgl. BFH-Beschluß vom 2. Mai 1974 IV B 3/74, BFHE 112, 337, BStBl II 1974, 524; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rdnr. 11 m. w. N.). Daran fehlt es im Streitfall.
Eine vGA i. S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1977 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung), die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht. Im Regelfall ist eine Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Bei einem beherrschenden Gesellschafter kann die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßte Vermögensminderung auch das Entgelt erfassen, das die Gesellschaft an den Gesellschafter zahlt bzw. zu zahlen hat, obwohl es hierfür an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung fehlt (so ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteile vom 2. Dezember 1992 I R 54/91, BFHE 170, 119, BStBl II 1993, 311; in BFHE 156, 452, BStBl II 1989, 633, und vom 10. März 1993 I R 51/92, BFHE 171, 58, BStBl II 1993, 635). Das FG hat seine Entscheidung auf beide Begründungsalternativen gestützt. Zum einen hat es auf einen "Fremdvergleich" (s. Urteil S. 10) abgestellt und verneint, daß ein Gesellschaftsfremder zeitweise gänzlich auf künftige Gehaltsansprüche verzichtet hätte. Zum anderen hat es der Gehaltsbestimmung die "im voraus erforderliche Eindeutigkeit" (S. 11 des Urteils) versagt und den -- fortdauernden -- Willen zur Durchführung des Anstellungsvertrages verneint. Ferner bemängelt das FG, daß es letztlich dem beherrschenden Gesellschafter Z überlassen blieb, Gehaltszahlungen von der Ertragslage der Klägerin abhängig zu machen. Damit hat das FG seiner Entscheidung erkennbar zwei Begründungsalternativen zugrunde gelegt.
Dem Senat erscheint zwar die Frage, ob für vGAen ausschließlich auf das Handeln eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters der Kapitalgesellschaft oder auf einen Fremdvergleich, d. h. auf die Üblichkeit der Vertragsvereinbarungen abzustellen ist, noch klärungsbedürftig. Dies gilt allerdings nicht für die von der Klägerin zur zweiten Begründungsalternative aufgeworfenen Rechtsfrage, ob "einem zwischen dem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer und der GmbH seit vielen Jahren eindeutig und klar geschlossenen Arbeitsvertrag, der tatsächlich durchgeführt und jahrelang von der Finanzverwaltung -- auch bezogen auf Gehaltsaussetzungen -- anerkannt wurde, nun die Anerkennung zu versagen ist, weil der Gesellschafter-Geschäftsführer wegen wirtschaftlicher Schwäche der Klägerin in ihrem Interesse für eine bestimmte Zeit auf die Gehaltsansprüche verzichtete". Diese bedarf aufgrund der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BFH keiner Klärung mehr. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind Verträge zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem beherrschenden Gesellschafter steuerlich nur anzuerkennen, wenn sie zivilrechtlich wirksam sind, klare und eindeutige Regelungen enthalten, vor Leistungsgewährung abgeschlossen und tatsächlich auch durchgeführt wurden (vgl. z. B. auch BFH-Urteile vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585; vom 11. Dezember 1985 I R 164/82, BFHE 146, 126, BStBl II 1986, 469, und vom 10. Juni 1987 I R 149/83, BFHE 150, 524, BStBl II 1988, 25). Das Erfordernis der tatsächlichen Durchführung erfaßt die gesamte Vertragsdauer. Ein Anstellungsvertrag, der monatliche Gehaltszahlung für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer vorsieht, wird nicht durchgeführt, wenn das Gehalt nicht vertragsgemäß bezahlt wird (vgl. auch BFH-Urteile vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786, und vom 20. Juli 1988 I R 136/84, BFH/NV 1990, 64). Ob und unter welchen betrieblichen Umständen eine Rückstellung des Gehalts aus ausreichend anzusehen ist, kann offenbleiben (vgl. hierzu z. B. Kritik bei Streck, a.a.O., § 8 Anm. 136; s. auch BFH- Beschluß vom 28. Juli 1993 I B 54/93, BFH/NV 1994, 345), denn aufgrund des Gehaltsverzichts schied im Streitfall die Bildung von Rückstellungen aus. Selbst wenn der Verzicht durch eine Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin veranlaßt gewesen sein sollte, ist dies für die Beurteilung einer vGA irrelevant. Gerade der Vortrag der Klägerin zu diesem Gesichtspunkt verdeutlicht, daß ihr und Z nicht ernsthaft an einer Entgeltlichkeit der Geschäftsführertätigkeit lag, sondern daß Z nur bei günstiger Gewinnsituation tatsächlich ein Gehalt beziehen sollte. Dies ist das Musterbeispiel einer vGA. Die Frage, ob die Ernsthaftigkeit einer Gehaltsvereinbarung zu bejahen wäre, wenn auch gesellschaftsfremde Arbeitnehmer der Klägerin auf ihr künftiges Gehalt verzichtet hätten, kann der Senat offenlassen, denn hierfür bestehen keine Anhaltspunkte.
Keiner Klärung mehr bedarf ferner die Frage, ob der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) an eine bei früheren Veranlagungen vertretene Rechtsauffassung gebunden ist. Sie wird nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich verneint (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 23. Mai 1989 X R 17/85, BFHE 157, 516, BStBl II 1989, 879).
3. Die Beschwerde ist auch nicht wegen Verfahrensverstoßes gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO zuzulassen.
Bei Prüfung der Frage, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG auszugehen (ständige Rechtsprechung des BFH; s. Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 120 Rdnr. 39). Die Klägerin hat nicht vorgetragen -- und es ist auch nicht ersichtlich --, inwieweit die unter Beweis gestellten Tatsachen, daß der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag dem FA seit Jahren vorlag und daß auch während einer früheren Außenprüfung für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1982 der fehlende Vertragsvollzug nicht beanstandet worden war, das FG zu einer Verneinung einer vGA hätte veranlassen können. Dem Vortrag der Klägerin, der Berichterstatter des FG habe bei ihrem Prozeßbevollmächtigten um Vorlage einer Fotokopie des Anstellungsvertrages (spätestens) in der mündlichen Verhandlung gebeten, kann ein schlüssiger Verfahrensverstoß nicht entnommen werden. Unerklärlich ist danach, wie die Klägerin trotz Anforderung, Vorlage und Bezugnahme auf den in den finanzgerichtlichen Akten befindlichen Gesellschafter-Geschäftsführervertrag darauf schließen möchte, daß das FG diesen Vertrag nicht zur Kenntnis genommen habe.
Im übrigen ergeht dieser Beschluß gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I, 1861, BStBl I, 932) i. d. F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1993 (BGBl I, 2236, BStBl I 1994, 100) ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 419879 |
BFH/NV 1995, 164 |