Entscheidungsstichwort (Thema)
Korrektur von Bilanzierungsfehlern
Leitsatz (NV)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind unzutreffende Aktivierungen und Passivierungen grundsätzlich auch dann erfolgswirksam zu korrigieren, wenn die Ertragsteueransprüche für die Veranlagungszeiträume, in denen sich die unrichtige Bilanzierung bereits steuerrechtlich ausgewirkt hat, schon verjährt sind.
2. Der Grundsatz gilt jedoch nicht ausnahmslos und ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse. Vielmehr sind bei seiner Anwendung Treu und Glauben zu beachten.
3. Die Rechtsprechung gilt auch für die Korrektur von Bilanzierungsfehlern, die in Bilanzen für die Jahre vor Inkrafttreten der AO 1977 unterlaufen sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
Gründe
Die Beschwerde war als unbegründet zurückzuweisen.
1. Die Revision ist nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) -- wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache -- zuzulassen.
a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt u. a. voraus, daß sich in dem angestrebten Revisionsverfahren (mindestens) eine Rechtsfrage stellen wird, die klärungsbedürftig ist und in dem Revisionsverfahren voraussichtlich auch geklärt werden kann. Die Zulassungsvoraussetzung der Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die Rechtsfrage bereits durch den Bundesfinanzhof (BFH) geklärt worden ist und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Rechtsfrage durch den BFH geboten erscheinen lassen (s. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl. 1993, § 115 Rz. 9 m. w. N.).
b) Die von den Klägern bezeichneten Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie sind bereits vom BFH geklärt und es sind keine Gesichtspunkte erkennbar, die für eine erneute Prüfung der Rechtsfragen durch den BFH sprechen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind unzutreffende Aktivierungen und Passivierungen grundsätzlich auch dann erfolgswirksam zu korrigieren, wenn die Ertragsteueransprüche für die Veranlagungszeiträume, in denen sich die unrichtige Bilanzierung bereits steuerrechtlich ausgewirkt hat, schon verjährt sind (s. BFH-Urteile vom 8. Dezember 1988 IV R 33/87, BFHE 155, 532, BStBl II 1989, 407, und vom 16. Mai 1990 X R 72/87, BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044 m. w. N.; zur Kritik an der BFH-Rechtsprechung s. Weber- Grellet in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. C 33 f. m. w. N.). Daß dieser mit dem formellen Bilanzzusammenhang begründete Grundsatz dem Prinzip der periodengerechten Gewinnermittlung widerspricht und im Ergebnis auch die Wirkung der Verjährung beseitigt, hat der BFH erkannt, jedoch nicht für ausreichend erachtet, um seine Rechtsprechung aufzugeben (s. BFH-Beschluß vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142).
Der Grundsatz gilt allerdings nicht ausnahmslos und ohne Rücksicht auf die individuellen Verhältnisse. Vielmehr sind bei seiner Anwendung Treu und Glauben zu beachten (s. z. B. BFH-Urteil vom 19. Januar 1982 VIII R 21/77, BFHE 135, 282, BStBl II 1982, 456, und BFH-Beschluß in BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142).
Die Rechtsprechung gilt auch für die Korrektur von Bilanzierungsfehlern, die in Bilanzen für die Jahre vor 1977 unterlaufen sind (s. BFH-Urteil vom 31. Mai 1989 III R 154/86, BFHE 157, 172). Es sind keine Gründe erkennbar, sie auf die Korrektur von Bilanzierungsfehlern in den Bilanzen der Jahre nach 1976 zu beschränken.
2. Die Revision ist auch nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO -- wegen Divergenz -- zuzulassen.
Das Urteil des Finanzgerichts (FG) weicht nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 161, 451, BStBl II 1990, 1044 ab. Der Rechtssatz im Leitsatz Nr. 6 dieser BFH-Entscheidung, aus dem die Kläger eine Abweichung herleiten, beantwortet die Frage, ob die Korrekturvorschrift des § 174 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) auf Steuerbescheide anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 1976 erlassen wurden und vor dem 1. Januar 1977 entstandene Steueransprüche betreffen. Das FG-Urteil behandelt diese vom BFH verneinte Frage nicht. Sie stellte sich im Streitfall nicht, da eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1975 bis 1976 nach § 174 Abs. 4 AO 1977 offensichtlich nicht in Betracht kam.
Fundstellen
Haufe-Index 424493 |
BFH/NV 1995, 192 |