Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollstreckungsumfang bei laufendem Aufteilungsverfahren
Leitsatz (NV)
Die Beschränkung nach § 277 AO 1977 bezieht sich nur auf die Art der Vollstrekkungsmaßnahmen. Für die weiterhin zulässigen Maßnahmen zur Sicherung ist, was keiner höchstrichterlichen Klärung bedarf, ein besonderes Sicherungsbedürfnis nicht erforderlich.
Normenkette
AO 1977 § 277; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) pfändete wegen Einkommen- und Kirchensteuerforderungen gegen den Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) dessen Ansprüche gegen eine Bank und verfügte die Einziehung der Forderungen. Die Einziehungsverfügung wurde aufgehoben, nachdem sich der Kläger im Verwaltungsverfahren unter Hinweis auf anhängige Aufteilungsverfahren (§§ 268ff. der Abgabenordnung - AO 1977 -) auf Vollstreckungsschutz gemäß § 277 AO 1977 berufen hatte.
Die Klage gegen die fortbestehende Pfändung wurde abgewiesen, und zwar mit der Begründung, § 277 AO 1977 schaffe nicht zusätzliche Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung, wie etwa das vom Kläger reklamierte Sicherungsbedürfnis, sondern beschränke lediglich den Umfang der zulässigen Vollstreckung. Dem sei durch die Aufhebung der Einziehungsverfügung Rechnung getragen worden. Die Pfändung wirke jetzt nur noch rangsichernd und sei damit zulässig. Der Nachweis eines besonderen Sicherungsbedürfnisses durch das FA sei nicht erforderlich. Darüber hinaus erschienen die Einsprüche gegen die Aufteilung (Kläger 100%, Ehefrau 0), da nicht begründet, als rechtsmißbräuchlich zur Verhinderung jeglicher Vollstreckung erhoben.
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision beruft sich der Kläger in erster Linie auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Diese bestehe vor allem hinsichtlich der Frage, ob die (eingeschränkte) Zulässigkeit von Vollstreckungsmaßnahmen aufgrund von § 277 AO 1977 ein - dann von der Finanzbehörde darzulegendes und zu begründendes - Sicherungsbedürfnis voraussetze. Die in ihn - den Kläger - betreffenden Verfahren wegen Anordnung einer Durchsuchung (§ 287 Abs. 4 AO 1977) angerufenen Zivilgerichte hätten diese Frage im Gegensatz zum Finanzgericht (FG) bejaht. Rechtsgrundsätzlich sei ferner die Frage, ob ein Aufteilungsantrag überhaupt rechtsmißbräuchlich sein könne.
Ein Verfahrensfehler liege darin, daß das FG den Klagevortrag in bezug auf Mängel der Pfändungsverfügung - fehlende Darlegung des Sicherungsbedürfnisses - nicht behandelt habe. Letztlich sei insoweit auch Divergenz zur höchstrichterlichen Rechtsprechung gegeben, die keine Heilung des Begründungsmangels anerkenne. Im übrigen sei die Wiedergabe des Klagevortrags im Tatbestand der Vorentscheidung nicht richtig oder unvollständig erfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die Frage, ob die nach § 277 AO 1977 noch in Betracht kommenden Vollstreckungsmaßnahmen nur bei Vorliegen eines besonderen Sicherungsbedürfnisses zulässig sind, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht klärungsbedürftig und somit nicht von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung (vgl. § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsorndung - FGO -). Nach § 277 AO 1977 dürfen, solange nicht über den Antrag auf Beschränkung der Vollstreckung unanfechtbar entschieden ist, Vollstreckungsmaßnahmen nur so weit durchgeführt werden, als dies zur Sicherung des Anspruchs erforderlich ist. Das bedeutet, wie der Senat bereits - wenn auch nur beiläufig - erkannt hat (Urteil vom 12. Juni1990 VII R 69/89, BFHE 163, 498, 502, BStBl II 1991, 493, 495), daß dann, wenn ein Gesamtschuldner sich mit dem Aufteilungsantrag (§ 268 AO 1977) gegen die Vollstreckung wendet, diese auf Sicherungsmaßnahmen zu beschränken ist. Die Beschränkung bezieht sich somit auf die Art der Vollstreckungsmaßnahmen. Ein besonderes Sicherungsbedürfnis wird dagegen nicht vorausgesetzt. Für die Vollstreckung gelten vielmehr die allgemeinen Voraussetzungen. Bloße (Forderungs-) Pfändungen bleiben zulässig (z.B. Szymczak in Koch/Scholtz, AO, 4. Aufl., § 277 Rz. 2), ohne daß es auf ein besonderes Sicherungsbedürfnis ankäme. Diese Auslegung entspricht nicht nur dem Wortlaut von § 277 AO 1977, sondern auch dem Sinn der Aufteilungsregelung. Sie will bewirken, daß nach Aufteilung einer Gesamtschuld jeder Ehegatte allein seine Steuerschuld trägt (BFHE 163, 498, 501 mit Nachweisen). Dieser Zweck schließt zwar Verwertungshandlungen und andere nicht mehr reparable Vollstreckungshandlungen aus, nicht aber lediglich sichernde Vollstreckungsmaßnahmen (wohl nicht entgegenstehend, weil nur auf Fälle der Übersicherung zu beziehen, Schwarz, Abgabenordnung, § 277 Anm. 2 und 4). Dabei erfaßt der zu sichernde Anspruch nicht etwa nur den erst noch festzustellenden Aufteilungsanteil, sondern die Gesamtschuld (Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 9. Aufl., § 277 AO 1977 Rz. 2). Diese Auslegung von § 277 AO 1977 wird durch die von der Beschwerde angeführte Rechtsprechung von Instanzgerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit, sollten sie überhaupt unmittelbar einschlägig sein, nicht in Frage gestellt. Auf eine gleichlautende höchstricherliche Rechtsprechung, die für sich gesehen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen könnte (vgl. Gräber/Ruban, FGO, 3. Aufl. 1993, § 115 Anm. 9 a.E.), hat der Kläger sich nicht berufen.
Auf die weitere vom Kläger für rechtsgrundsätzlich gehaltene Frage kommt es nicht an, da die Vorentscheidung bereits darauf beruht, daß ein Sicherungsbedürfnis als Vollstreckungsvoraussetzung zu verneinen sei. Die weitere Frage ist mithin - jedenfalls - nicht klärungsfähig, die Beschwerde insoweit nicht begründet (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., Anm. 11, 62).
Im übrigen ergeht diese Entscheidung gemäß Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs ohne Begründung.
Fundstellen
Haufe-Index 419632 |
BFH/NV 1994, 525 |