Leitsatz (amtlich)
Entfällt die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Einkommensteuer-Bescheids, weil die Steuerschuld bereits getilgt ist, so hindert dies nicht, die Vollziehung des nicht angefochtenen Gewerbesteuer-Meßscheids auszusetzen, soweit er als Folgebescheid anzusehen ist und die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO für den Einkommensteuer-Bescheid erfüllt sind.
Normenkette
FGO § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tatbestand
Wegen der Einkommensteuer-Bescheide für die Jahre 1959 bis 1963 schwebt eine Klage des Beschwerdegegners (Steuerpflichtigen) vor dem FG. Für das Jahr 1961 begehrt er eine Herabsetzung des Gewinns um 34 220 DM. Der Streit geht im wesentlichen um die Auswirkung des Saldos eines Differenzkontos, der nach Ansicht des Steuerpflichtigen bei der Veranlagung zu Unrecht als außerordentlicher Ertrag behandelt wurde. Der Steuerpflichtige hat die umstrittene Einkommensteuerschuld getilgt, schuldet aber noch 3 000 DM Gewerbesteuer für das Jahr 1961. Er erwirkte daher beim FG die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuer-Meßbescheids 1961 für einen entsprechenden Teilbetrag von 1 000 DM. Der Gewerbesteuer-Meßbescheid ist im Hinblick auf § 35b GewStG nicht angefochten worden.
Das FA hat gegen den Aussetzungsbeschluß des FG Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, den Beschluß aufzuheben und den Aussetzungsantrag zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Der Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuer-Meßbescheids steht nicht entgegen, daß der Steuerpflichtige ihn wegen der Vorschrift des § 35b GewStG hat bestandskräftig werden lassen. Wie der erkennende Senat im Beschluß I B 1/66 vom 23. August 1966 (BFH 86, 749, BStBl III 1966, 651), dem die Vorinstanz gefolgt ist, im einzelnen dargelegt hat, genügt es, wenn der Einkommensteuerbescheid angefochten wird und in dem Verfahren über die strittigen gewerblichen Einkünfte zu entscheiden ist. Der Einkommensteuerbescheid ist insoweit als Grundlagenbescheid, der Gewerbesteuer-Meßbescheid als Folgebescheid anzusehen.
Im Streitfall besteht allerdings noch die Besonderheit, daß nach dem Wortlaut des § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO die Aussetzung der Vollziehung des Folgebescheids an die Vollziehungsaussetzung des Grundlagenbescheids geknüpft ist, im vorliegenden Fall aber die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids als des Grundlagenbescheids nicht ausgesetzt ist, weil die Einkommensteuerschuld getilgt ist. In Übereinstimmung mit der Vorinstanz hat der Senat jedoch keine Bedenken, die Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuer-Meßbescheids trotzdem für statthaft zu halten. Die Vorschrift des § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO bringt den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß dann, wenn die Entscheidung über den angefochtenen Bescheid sich unmittelbar auf andere Bescheide auswirkt, die Aussetzung der Vollziehung sich nicht auf den angefochtenen Bescheid beschränken, sondern sich auch auf die von ihm abhängigen Bescheide erstrecken soll (Beschluß des BFH I B 1/66, a. a. O.). Wie die Vorinstanz richtig erkannt hat, soll die Vollziehung der Folgebescheide entfallen, wenn die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO (ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids oder unbillige Härte der Steuererhebung) für die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grundlagenbescheids erfüllt sind. Es kommt also in erster Linie auf das Vorliegen dieser Voraussetzungen an. Die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids ist nur eine auf Antrag auszusprechende Rechtsfolge. Wird festgestellt, daß die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids gegeben wären, so besteht nach dem Sinn und dem Zweck der gesetzlichen Regelung kein Hinderungsgrund, die Vollziehung eines Folgebescheids auch dann auszusetzen, wenn die Vollziehung des Grundlagenbescheids nur deshalb nicht ausgesetzt ist, weil die festgesetzte Steuer bereits entrichtet ist.
Die Beschwerde wendet sich dagegen, daß das FG seine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Einkommensteuer-Bescheids 1961 mit der Schlüssigkeit der Einwendungen des Steuerpflichtigen begründet hat. Inzwischen hat das FG in dem Hauptsacheverfahren über den Hauptstreitpunkt durch Einholung eines Gutachtens seines Buchsachverständigen Beweis erhoben. Nach dem Gutachten ist infolge falscher Kreditorenansätze in den Bilanzen vom 31. Dezember 1960 und 31. Dezember 1961 der Gewinn des Jahres 1961 um 30 286,58 DM zu hoch, der Gewinn des Jahres 1960 entsprechend zu niedrig ausgewiesen worden. Der Steuerpflichtige und das FA haben im Beschwerdeverfahren keine Einwendungen gegen das Gutachten erhoben. Für das summarische Verfahren der Vollziehungsaussetzung ist deshalb davon auszugehen, daß die Bilanzen und die Gewinne für die Jahre 1960 und 1961 entsprechend zu berichtigen sein werden; für beide Jahre sind die Einkommensteuer-Bescheide noch nicht bestandskräftig. Die ernstlichen Zweifel der Vorinstanz sind also gerechtfertigt.
Einer endgültigen Würdigung des Streitstoffs im Hauptsacheverfahren wird dadurch nicht vorgegriffen.
Fundstellen
Haufe-Index 67698 |
BStBl II 1968, 350 |
BFHE 1968, 347 |