Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Gleichheitssatz
Leitsatz (NV)
1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt.
2. Wird die grundsätzliche Bedeutung auf einen Verstoß der in § 10d EStG enthaltenen Regelung des Verlustabzugs gestützt, muss dargelegt werden, inwieweit der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit in willkürlicher Weise nicht eingehalten hat.
3. Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Gleichheitssatz geklärt. Es ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, § 116 Abs. 3 S. 3; EStG § 10d; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Sächsisches FG (Urteil vom 04.11.2004; Aktenzeichen 6 K 2298/03) |
Nachgehend
Tatbestand
I. Mit Bescheid vom 2. Dezember 2002 wurde der der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) zum 31. Dezember 2000 verbleibende Verlustvortrag auf 101 505 DM festgestellt. Für den Veranlagungszeitraum 2000 wurde ein Verlust in Höhe von 36 570 DM in Abzug gebracht. Mit dem Einspruch begehrte die Klägerin, den Verlustabzug auf 23 071 DM zu beschränken. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) wies den Einspruch zurück. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab; entgegen der Auffassung der Klägerin berührten die Vorschriften über den Verlustabzug nicht die Freistellung des Existenzminimums von der Einkommensteuer.
Mit der Beschwerde macht die Klägerin geltend:
1. Die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Bei einer Steuerfestsetzung auf 0 € liege eine zukünftige Beschwer in Gestalt einer Minderung zukünftiger Verlustabzüge vor.
2. § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) sei verfassungswidrig; es gebe keinen Grund dafür, dass der, der in früheren Jahren Gewinne erzielt habe, besser gestellt werde. Die Menschenwürde der Klägerin werde dadurch angetastet, dass ihr durch die Verlustverrechnung kein zu einem menschenwürdigen Leben zureichendes Existenzminimum zugestanden werde. Das Fehlen einer Beschränkungsmöglichkeit für Verlustvorträge sei ursächlich für die Nichtberücksichtigung des Existenzminimums. Durch die gesetzliche Regelung werde auch die Eigentumsgarantie verletzt.
3. Das Urteil des FG weiche von den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Oktober 2000 VIII R 47/98 (BFH/NV 2001, 589) und vom 13. Juli 1994 I R 5/93 (BFHE 175, 484, BStBl II 1995, 134) ab.
Das FA hat von einer Stellungnahme abgesehen.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kommt einer Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO ist gegeben, wenn das FG in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage eine andere Meinung vertritt als der BFH. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO müssen diese Voraussetzungen dargelegt werden (dazu vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 116 Rz. 25 f.).
2. Wird die grundsätzliche Bedeutung auf die Rechtswidrigkeit der in § 10d EStG enthaltenen Regelung des Verlustabzugs gestützt, muss dargelegt werden, inwieweit der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit in willkürlicher Weise nicht eingehalten hat (BFH-Beschluss vom 20. Oktober 1997 XI B 11/97, BFH/NV 1998, 594). Die Begründung der Klägerin beschränkt sich --neben Ausführungen zur Zulässigkeit des Einspruchs-- im Kern auf die bloße Behauptung der Verfassungswidrigkeit der in § 10d EStG enthaltenen Regelung des Verlustabzugs, die darin liegen soll, dass sich bei einem Abzug der nicht ausgeglichenen Verluste vom Gesamtbetrag der Einkünfte --statt vom (niedrigeren) zu versteuernden Einkommen-- der Grundfreibetrag nicht mehr steuerlich auswirken könne.
Durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Prüfungsmaßstab für die Vereinbarkeit eines Gesetzes mit dem Gleichheitssatz geklärt. Es ist nicht zu untersuchen, ob der Gesetzgeber die zweckmäßigste und gerechteste Lösung gefunden, sondern nur, ob er die verfassungsrechtlichen Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit eingehalten hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 1991 V B 14/91, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Umsatzsteuergesetz 1980, § 4 Nr. 16, Rechtsspruch 1; vom 6. Mai 2003 II B 73/02, BFH/NV 2003, 1185). Um darzulegen, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit des Verlustabzugs klärungsbedürftig ist, hätte deshalb aufgezeigt werden müssen, inwieweit der Gesetzgeber die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit in willkürlicher Weise nicht eingehalten habe. Dazu hat die Klägerin jedoch keine Ausführungen gemacht.
3. Soweit die Klägerin Divergenz geltend macht, ist nicht erkennbar, inwiefern das FG seiner vorliegenden Entscheidung zur Verlustfeststellung einen von den angeführten Rechtssätzen des BFH abweichenden Rechtssatz zugrunde gelegt haben soll.
Fundstellen
Haufe-Index 1412442 |
BFH/NV 2005, 1833 |