Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Grunderwerbsteuerpflicht des Kaufs und der Abtretung von Ansprüchen auf Rückübereignung von Grundstücken aus § 3 Abs. 1 VermG
Leitsatz (NV)
Die Fragen, ob der Kauf und die Abtretung von Ansprüchen auf Rückübereignung eines Grundstücks aus § 3 Abs. 1 VermG den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG erfüllt und auch eine Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG ausscheidet, sind höchstrichterlich noch nicht entschieden und werden von den Finanzgerichten und der Literatur unterschiedlich beantwortet. Dies rechtfertigt die Aussetzung der Vollziehung eines GrESt- Bescheids, in dem diese Fragen bejaht wurden.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nrn. 5, 7; VermG § 3 Abs. 1, § 34 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 3
Verfahrensgang
FG des Landes Sachsen-Anhalt |
Tatbestand
Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), erwarb durch notariellen Vertrag "über den Kauf und die Übertragung von Ansprüchen auf Rückübereignung eines Grundstücks" vom 18. Juni 1991 den auf § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG) beruhenden Restitutionsanspruch der Verkäuferin in bezug auf das Grundstück ... in A.
Nach Bestandskraft des Bescheides des zuständigen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 3. September 1992, mit dem die Eigentumsrechte an dem genannten Grundstück auf die Antragstellerin übertragen wurden, wurden die Gesellschafter der Antragstellerin als neue Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Das in § 9 des notariellen Vertrages vom 18. Juni 1991 für den Fall einer negativen Entscheidung des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vereinbarte Rücktrittsrecht kam somit nicht zum Tragen.
Mit Bescheid vom 21. April 1993 setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) gegen die Antragstellerin aufgrund des Vertrages vom 18. Juni 1991 Grunderwerbsteuer fest. In dem Bescheid heißt es, der Erwerbsvorgang unterliege gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Grunderwerbsteuergesetzes 1983 (GrEStG) der Grunderwerbsteuer. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 18. Mai 1993 Einspruch eingelegt, über den das FA noch nicht entschieden hat. Gleichzeitig beantragte sie beim FA die Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides, die das FA mit Bescheid vom 26. Mai 1993 ablehnte.
Mit Schriftsatz vom 18. Juni 1993 beantragte die Antragstellerin beim Finanzgericht (FG), die Vollziehung des Grunderwerbsteuerbescheides bis einen Monat nach Zustellung der Einspruchsentscheidung auszusetzen. Sie machte geltend, daß das Rechtsgeschäft vom 18. Juni 1991 nicht unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG subsumiert werden könne.
Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ab. Es meinte, an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides bestünden keine ernstlichen Zweifel.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren auf Aussetzung der Vollziehung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist begründet.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts, wenn bei summarischer Prüfung neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechts- und Tatfragen bewirken. Dabei brauchen die für die Unrechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Bedenken nicht zu überwiegen (grundlegend: BFH-Beschluß vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl II 1967, 182; vgl. ferner z. B. BFH-Beschlüsse vom 30. Juni 1967 III B 21/66, BFHE 89, 92, BStBl III 1967, 533, und vom 3. Juli 1968 I S 2--3/68, BFHE 92, 550, BStBl II 1968, 660). So hat sich der BFH u. a. dann für die Aussetzung der Vollziehung ausgesprochen, wenn die Gesetzeslage unklar ist, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschieden wurde und im Schrifttum und in der Rechtsprechung der FGe unterschiedliche Rechtsauffassungen über die Beantwortung von Zweifelsfragen bestehen (vgl. z. B. BFH-Beschlüsse vom 22. September 1967 VI B 59/67, BFHE 90, 253, BStBl II 1968, 37; vom 10. Mai 1968 III B 55/67, BFHE 92, 472, BStBl II 1968, 610; vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239).
So liegt es auch im Streitfall. Eine höchstrichterliche Entscheidung zu den hier streitigen Fragen, ob der Verkauf und die Abtretung von auf Grundstücke bezogenen Restitutionsansprüchen nach dem VermG den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 5 bzw. des § 1 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG erfüllt und auch eine Steuerbefreiung nach § 34 Abs. 3 VermG a. F. ausscheidet, liegt noch nicht vor. Die Finanzverwaltung bejaht diese Fragen (Erlaß des Finanzministeriums Mecklenburg-Vorpommern vom 3. August 1993 IV 330--S 4500--44/92, Der Betrieb -- DB -- 1993, 1900). Denselben Standpunkt nimmt das FG Leipzig (vgl. z. B. Urteil vom 7. Oktober 1993 2 K 44/93, Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1994, 440) ein. Andere Finanzgerichte und ein Teil der Literatur vertreten demgegenüber die auch von der Antragstellerin des vorliegenden Verfahrens geteilte Rechtsansicht, daß § 1 Abs. 1 Nr. 5 GrEStG die Begründung eines Anspruchs auf Abtretung eines rechtsgeschäftlich begründeten Übereignungsanspruchs voraussetze und deshalb ausscheide, weil der hier in Rede stehende, sich aus dem (Vermögens-)Gesetz ergebende öffentlich-rechtliche Restitutionsanspruch dieses Erfordernis nicht erfülle (vgl. Urteile des FG des Landes Brandenburg vom 21. September 1993 1 K 182/93 GE, EFG 1994, 53, und des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 23. November 1993 I 142/93, EFG 1994, 362; zum letztgenannten Urteil vgl. auch o. V., EFG, Beilage 4/1994, S. 16; Möllinger, Umsatzsteuer-und Verkehrsteuer-Recht 1993, 42, 46 f.).
Der Senat braucht im vorliegenden summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden, welcher der aufgezeigten kontroversen Auffassungen er sich anschließt. Die von der Antragstellerin in Übereinstimmung mit einem Teil der FGe und der Literatur gegen die Auffassung der Finanzbehörden vorgetragenen Einwände rechtfertigen jedenfalls den Schluß, daß an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides ernstliche Zweifel im oben beschriebenen Sinne bestehen.
Fundstellen
Haufe-Index 420208 |
BFH/NV 1995, 161 |