Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung von Prozesserklärungen
Leitsatz (NV)
1. Ein ausdrücklich als "Beschwerde" bezeichnetes Rechtsmittel, mit dem die Unrichtigkeit einer vom FG nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache getroffenen Kostenentscheidung geltend gemacht wird, kann nicht in einen Tatbestandsberichtigungsantrag umgedeutet werden.
2. Die Äußerung eines Rechtsmittelführers, ein Verfahren solle "nicht fortgeführt werden", ist als Rücknahme des Rechtsmittels zu werten.
Normenkette
FGO §§ 108, 113, 116, 125, 128 Abs. 4, §§ 137, 138 Abs. 1
Verfahrensgang
Hessisches FG (Beschluss vom 28.05.2008; Aktenzeichen 6 K 1930/05) |
Hessisches FG (Beschluss vom 04.11.2005; Aktenzeichen 6 V 2406/05) |
Tatbestand
I. Das Finanzgericht (FG) hat in dem Klageverfahren der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer aus Eheleuten bestehenden Grundstücksgemeinschaft, wegen Umsatzsteuer 2001 durch Beschluss vom 28. Mai 2008 6 K 1930/05 die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben, nachdem die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt hatten.
Zur Begründung hat das FG u.a. ausgeführt, die Kosten seien nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) unter Beachtung des Rechtsgedankens des § 137 FGO gegeneinander aufzuheben. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vorgebracht habe, dass sich die vermieteten Räume nicht in einem vollständig errichteten Neubau befunden hätten.
Nach der Rechtsmittelbelehrung ist dieser Beschluss gemäß § 128 Abs. 4 Satz 1 FGO unanfechtbar.
Mit einem an das FG gerichteten Schreiben vom 11. Juni 2008 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen den Beschluss vom 28. Mai 2008 6 K 1930/05 --und gegen den Beschluss des FG vom 4. November 2005 6 V 2406/05 wegen Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2001-- "Beschwerde" eingelegt. Sie hat zur Begründung vorgetragen, die Beschlüsse "entsprächen nicht §§ 137 und 138 FGO" und hat die Auffassung vertreten, die Kosten seien dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) aufzuerlegen.
Das FG hat darin zwei Beschwerden gesehen und ihnen nicht abgeholfen.
Mit Eingangsbestätigungen vom 20. August 2008 hat die Geschäftsstelle des V. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) im Verfahren V B 98/08 auf die Unanfechtbarkeit nach der Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 28. Mai 2008 6 K 1930/05 und im Verfahren V B 99/08 auf die Unanfechtbarkeit nach der Rechtsmittelbelehrung im Beschluss vom 4. November 2005 6 V 2406/05 hingewiesen und jeweils um Mitteilung gebeten, ob die Beschwerde zurückgenommen werde. Daraufhin hat die Klägerin (nur) im Verfahren V B 98/08 mitgeteilt, die Beschwerde habe auf die Berichtigung des Tatbestands (§ 108 FGO) abgezielt; eine Beschwerde an den BFH sei nicht beabsichtigt gewesen.
Auf die im Einzelnen begründete Anfrage des Berichterstatters, ob die Verfahren V B 98/08 und V B 99/08 fortgeführt werden sollen, hat die Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. Oktober 2008 u.a. mitgeteilt, dass die Verfahren "nicht fortgeführt werden" sollen und gebeten, "die Angelegenheit als Anträge auf Sachverhaltsberichtigung an das FG zurückzugeben".
Entscheidungsgründe
II. 1. Der Senat legt den Schriftsatz der Klägerin vom 11. Juni 2008 als Beschwerde gegen den Beschluss vom 28. Mai 2008 in der Sache 6 K 1930/05 und als Beschwerde gegen den Beschluss vom 4. November 2005 in der Sache 6 V 2406/05 aus.
Dass dieser Schriftsatz (lediglich) auf die Berichtigung des Tatbestands abzielen sollte und eine Beschwerde an den BFH nicht beabsichtigt gewesen sei, ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 11. Juni 2008 nicht. Es wird vielmehr ausdrücklich "Beschwerde" erhoben und die Auffassung vertreten, die Kosten seien dem FA aufzuerlegen.
Eine Umdeutung in einen Tatbestandsberichtigungsantrag kommt nicht in Betracht (vgl. BFH-Beschluss vom 24. April 2006 VII B 40/06, BFH/NV 2006, 1501).
2. Da die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Oktober 2008 ausgeführt hat, dass die Verfahren "nicht fortgeführt werden" sollen und damit unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie eine Entscheidung durch den BFH nicht mehr wünscht, ist dies als Rücknahme der Beschwerde zu werten (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1501).
Deshalb waren die Verfahren einzustellen.
3. Der Bitte der Klägerin, "die Angelegenheit als Anträge auf Sachverhaltsberichtigung an das FG zurückzugeben", kann der Senat nicht nachkommen.
4. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1, § 121 Satz 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 2102441 |
BFH/NV 2009, 398 |