Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgelt bei Betriebsverlagerung
Leitsatz (NV)
1. Entschädigungszahlungen einer Gemeinde an einen Unternehmer für die Verlagerung seines Betriebs sind Leistungsentgelt und nicht Schadensersatz.
2. Räumt der Unternehmer der Gemeinde das Recht ein, die (störenden) Gebäude auf dem bisherigen Betriebsgrundstück - das er behält - abzubrechen, liegt darin keine Übereignung eines dem Grundstück gleichstehenden Gebäudes auf fremdem Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG 1983, § 4 Nr. 9 UStG 1980).
3. Wenn im Rahmen der unternehmerisch veranlaßten Räumungsarbeiten Renovierungsleistungen am Wohnhaus des Unternehmers anfallen, gehören diese grundsätzlich zum unternehmerischen Bereich. Entgelt für die Grundstücksräumungs- und Verlagerungsleistungen des Unternehmers ist danach der gesamte Entschädigungsbetrag.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 9 Buchst. a, § 10 Abs. 1 S. 1; GrEStG 1983 § 2 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemanns. Dieser betrieb im Streitjahr 1980 eine . . . auf einem eigenen Grundstück und einem Grundstück seines Sohnes.
Der Betrieb sollte lt. Stadtratsbeschluß vom . . . als störender Gewerbebetrieb i. S. der Kurorteverordnung in ein Gewerbegebiet verlagert werden. In dem notariell beurkundeten Vertrag mit der Stadt vom . . . verpflichtete sich der Ehemann der Klägerin, die Betriebsgebäude und Betriebsanlagen auf den Grundstücken zu räumen und der Stadt zum Abriß zu überlassen. Das Eigentum am Grund und Boden blieb nach dem Vertrag unberührt. Die Stadt verpflichtete sich, eine Entschädigung in Höhe von . . . DM zu zahlen, die wie folgt zu ermitteln war:
a) Gebäudewertgewerblicher Anteil ... DM
b) Verlagerungskosten einschließlich nicht verlagerungsfähiger Maschinen ... DM
c) Ersatz der Kosten für Renovierungsarbeiten am Wohnhaus, bedingt
durch den Abbruch der Werkstatt - pauschal - ... DM
... DM
Der Entschädigungsbetrag galt ausweislich des Vertrags als Endpreis. Evtl. Steuern auf diesen Betrag sollten nicht gesondert erstattet werden. Die Parteien gingen von der Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 aus.
Ferner sollten mit dem Entschädigungsbetrag alle Ansprüche des Verkäufers gegenüber der Stadt aus der Durchführung der Maßnahme gemäß § 95 und § 96 des Bundesbaugesetzes (BBauG) abgegolten sein.
Nach Bezugsfertigkeit der neuen Produktionshalle wurde der Betrieb verlagert und die zum Abriß vorgesehenen Gebäude und Anlagen an die Stadt ,,übergeben".
Nach einer Umssatzsteuer-Sonderprüfung bei der Klägerin vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Entschädigungsbetrag sei kein Schadensersatz, sondern Entgelt für steuerpflichtige Leistungen im Rahmen der Betriebsverlegung. Dementsprechend erließ das FA einen Änderungsbescheid, mit dem es die Umsatzsteuer 1980 auf . . . DM festsetzte.
Die Klägerin wandte dagegen ein, der Betrag sei echter Schadensersatz. Zumindest handle es sich um eine Lieferung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden, so daß ,,in analoger Anwendung" des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 Umsatzsteuerfreiheit zu gewähren sei. Dem Erwerb des Gebäudes zum Abbruch gehe zunächst die Inbesitznahme des Grundstücks voraus. Es sei nicht tragbar, daß ein Veräußerer, der im Rahmen des Sanierungsverfahrens das Betriebsgrundstück nicht mitübertrage, schlechter gestellt werde als ein Betriebsinhaber, der auch das Betriebsgrundstück mitveräußere. Die Entschädigungsleistung für die Renovierungsarbeiten am Wohnhaus beträfe im übrigen nicht ihren bzw. ihres Ehemanns Unternehmensbereich und sei schon deshalb nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 443 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980. Sie hält daran fest, daß die Entschädigung insbesondere für die gewerblich genutzten Gebäudewerte gezahlt worden sei. Ihr Ehemann habe ein funktionsfähiges Gebäude veräußert. Bei der Veräußerung handle es sich um einen einheitlichen Vorgang, so daß auch die Entschädigung für die Betriebsverlagerung nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 steuerfrei zu belassen sei. Daß sich die Stadt zum Abriß des funktionsfähig erworbenen Gebäudes entschlossen habe, dürfe nicht zu ihrem Nachteil ausgelegt werden.
Das vom FG herangezogene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. Mai 1978 II R 114/72 (BFHE 125, 301, BStBl II 1978, 532) weiche augenfällig gegenüber dem vorliegenden Sachverhalt ab. Hier handle es sich nicht um die Veräußerung des Gebäudes als sog. Abbruchmaterial. Die Stadt habe das Gebäude nicht zum sofortigen Abbruch erworben, sondern ihr, der Klägerin, die weitere Benutzung vertraglich bis . . ., für insgesamt 14 Monate, gestattet. Die Stadt habe ihr die Nutzungsüberlassung aufgrund ihrer Verfügungsmacht am Gebäude eingeräumt. Unbestritten sei, daß die Betriebsgebäude aufgrund des rechtsgültigen Bebauungsplans einer anderen Nutzung hätten zugeführt werden können. Die Stadt habe durch den Erwerb nur des Betriebsgebäudes hiervon keinen Gebrauch gemacht. Es sei also nicht Abbruchmaterial, sondern das Gebäude und damit ein Grundstück i. S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes Nordrhein-Westfalen (GrEStG) veräußert worden.
Das FA tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Das FG hat die Entschädigungszahlungen für die Betriebsverlagerung zutreffend als Leistungsentgelt und nicht als Schadensersatz beurteilt. Der Senat nimmt insoweit auf die ständige BFH-Rechtsprechung Bezug (vgl. zuletzt Urteil vom 27. Juli 1988 X R 52/81, BFHE 155, 187, BStBl II 1989, 65; Beschluß vom 10. Februar 1987 V B 91/86, BFH/NV 1987, 405, und Urteil vom 7. August 1969 V 177/65, BFHE 96, 441, BStBl II 1969, 696, jeweils mit Nachweisen).
Zutreffend - jedenfalls im Ergebnis - hat das FG ferner die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 verneint.
Nach dieser Vorschrift sind umsatzsteuerfrei die Umsätze, die unter das GrEStG fallen. Das sind Umsätze (Grundstückslieferungen), die auf Erwerbsvorgängen i. S. des § 1 GrEStG (hier: Nordrhein-Westfalen) beruhen.
Der notariell beurkundete Vertrag vom . . . begründete jedoch keinen Anspruch auf Übereignung eines Grundstücks i. S. des § 2 GrEStG, insbesondere nicht auf die Übereignung eines - den Grundstücken gleichstehenden - Gebäudes auf fremdem Boden (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 GrEStG).
Dabei kann offenbleiben, inwieweit sich das FG (im Ergebnis) zutreffend auf das Urteil in BFHE 125, 301, BStBl II 1978, 532 berufen hat. Im Fall des vorbezeichneten Urteils handelte es sich um einen Kaufvertrag bezüglich eines Gebäudes, das auf einem anderen Grundstück vom Erwerber wieder aufgebaut werden sollte. Der BFH führt dazu aus, die Partner des Kaufvertrags hätten das Gebäude nicht in dieser Eigenschaft, sondern in seinem künftigen abgebrochenen Zustand zum Gegenstand ihrer Vereinbarung gemacht. Sie hätten deshalb Einzelteile und nicht ein Gebäude veräußert.
Die Vereinbarung des Streitfalls läßt schon nach ihrer ausdrücklichen Formulierung nicht erkennen, daß es sich um einen vergleichbaren Kaufvertrag bezüglich des vorhandenen Betriebsgebäudes handelt. Vereinbart war vielmehr die Überlassung der Gebäude zum Zwecke des Abrisses. Dazu war die Stadt nach Räumung, spätestens am . . ., berechtigt. Dies spricht dafür, daß nicht einmal ein Substanzkauf bezüglich des Abbruchmaterials Gegenstand der Vereinbarung der Beteiligten war, sondern lediglich die Einräumung eines Abbruchrechts hinsichtlich der die Stadtplanung störenden Gebäude. Über eine Nutzung irgendeiner Art als Gebäude weiterhin durch die Stadt war nicht die Rede. An den Teilen des Abbruchmaterials - wie im vorbezeichneten BFH-Urteil - war die Stadt überdies offenbar nicht interessiert.
Ein dem GrEStG unterliegender Erwerbsvorgang ist somit noch weniger ersichtlich als im vorbezeichneten BFH-Urteil.
Entgelt für die Grundstücksräumungs- und Verlagerungsleistungen ist der gesamte Entschädigungsbetrag der Stadt. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG 1980 ist Entgelt alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer. Die Leistung des Ehemanns der Klägerin im Zusammenhang mit der Räumung und Verlagerung war einheitlich. Sie war insbesondere, wie das FG zutreffend ausführte, ein Hilfsgeschäft im Rahmen des Unternehmens des Ehemanns. Auch wenn die Räumungsleistungen Renovierungsarbeiten am Wohnhaus der Klägerin zur Folge hatten, handelte es sich bei der insoweit vereinbarten Entschädigung nicht um Zahlungen für den nichtunternehmerischen Bereich. Auch diese Zahlungen wurden durch die dem Unternehmensbereich zuzuordnende Räumungs- und Verlagerungsleistung ausgelöst.
Fundstellen