Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Umbaumaßnahme am Gebäude
Leitsatz (NV)
Aufwendungen eines an den Rollstuhl gefesselten Steuerpflichtigen für die Verbreiterung seiner zu einem eigengenutzten Einfamilienhaus gehörenden Garage sind keine außergewöhnliche Belastung (Krankheitskosten) gem. § 33 EStG. Diese Kosten sind - zumindest in der bis zum 31. 12. 1989 gültigen Fassung des EStG - in der Form der AfA nach § 7 EStG steuerlich als Werbungskosten zu berücksichtigen. Ob sie sich in dieser Form im Einzelfall steuerlich auch tatsächlich so auswirken ist unerheblich.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet. Sie sind Eigentümer eines von ihnen selbst bewohnten Reiheneinfamilienhauses sowie einer etwas abseits gelegenen Reihengarage. Der Kläger ist zu 100 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert. Er ist teilweise gelähmt und auf Grund seiner Behinderung auf die Benutzung eines Rollstuhls angewiesen.
Um aus dem Rollstuhl in den PKW umsteigen zu können, verbreiterten die Kläger im Streitjahr 1983 die am Ende der Reihe gelegene Garage. Dazu erwarben sie den notwendigen Grund und Boden und versetzten eine Seitenmauer der Garage auf der gesamten Länge um ca. 1 m. Der Boden des neuen Garagenteils, der durch eine zusätzlich eingebaute Tür erreichbar ist, wurde so abgesenkt, daß der Kläger mit dem Rollstuhl neben seinen PKW heranfahren und problemlos in diesen umsteigen kann.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr begehrten die Kläger, neben weiteren zwischen den Beteiligten unstreitigen Aufwendungen auch die Baukosten für die Erweiterung der Garage in Höhe von 16 325 DM als außergewöhnliche Belastung gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen. Sie trugen vor, die Umbaumaßnahme sei ausschließlich durch die Behinderung des Klägers zwingend veranlaßt gewesen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) versagte die steuerliche Berücksichtigung. Das FA ist der Ansicht, die Kosten für den Umbau und die Erweiterung der Garage seien als Herstellungskosten anzusehen und nur über die Absetzung für Abnutzung (AfA) als Werbungskosten berücksichtigungsfähig. Eine Anerkennung als außergewöhnliche Belastung scheitere somit bereits an § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG. Einer Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung stehe außerdem entgegen, daß die Kläger durch die Garagenerweiterung einen Gegenstand (Gegenwert) geschaffen hätten, der auch für Dritte einen Wert besitze und damit marktgängig sei.
Die nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ist der Ansicht, die Aufwendungen für den Ausbau der Garage seien den Klägern aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Es handle sich nicht um nur über die AfA als Werbungskosten berücksichtigungsfähige Herstellungskosten, da der Ausbau nicht durch die mit dem normalen Wohnen zusammenhängende Garagennutzung veranlaßt sei. Auch die ,,Gegenwertlehre" stehe aus diesem Grunde einer Anerkennung als außergewöhnliche Belastung nicht entgegen.
Mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 33 EStG.
Das FA hat den angefochtenen Einkommensteuerbescheid während des Revisionsverfahrens, zuletzt durch Bescheid vom 10. April 1989 geändert. Die Kläger haben beantragt, diesen Änderungsbescheid zum Gegenstand des Verfahrens zu machen (§ 123 Satz 2 i. V. m. § 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist zulässig und begründet.
1. Entgegen der Ansicht der Kläger ist die Revision zulässig. Zwar muß nach § 120 Abs. 2 FGO die Revisionsbegründung oder die Revision einen bestimmten Antrag enthalten. Diese Vorschrift ist jedoch nicht förmlich zu verstehen (vgl. Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 120 Anm. 27). So braucht ein Antrag nicht ziffernmäßig formuliert zu sein. Auch kann auf einen förmlich gestellten Antrag überhaupt verzichtet werden, wenn sich aus der Revisionsbegründung das Prozeßbegehren des Revisionsklägers eindeutig ergibt. Eine darüber hinausgehende Förmlichkeit verlangt der mit § 120 Abs. 2 FGO verfolgte Gesetzeszweck nicht (vgl. Senatsentscheidung vom 11. November 1983 III R 25/77, BFHE 140, 289, BStBl II 1984, 187). Das vom FA mit der Revision verfolgte Ziel ergibt sich mit hinreichender Bestimmtheit aus den Ausführungen unter Ziffer 2 der - fristgerecht beim FG eingegangenen - Revisionsschrift vom 11. August 1987.
2. Die Revision ist auch begründet.
Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes (außergewöhnliche Belastung), so wird auf Antrag die Einkommensteuer in bestimmtem Umfang ermäßigt (§ 33 Abs. 1 EStG). Aufwendungen, die zu den Betriebsausgaben, Werbungskosten oder Sonderausgaben gehören, bleiben dabei außer Betracht (§ 33 Abs. 2 Satz 2 EStG).
Im Streitfall kommt eine Berücksichtigung der entstandenen Kosten als außergewöhnliche Belastung schon deshalb nicht in Betracht, weil die Aufwendungen ihrer Art nach Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Februar 1968 VI R 278/66, BFHE 91, 573, BStBl II 1968, 433). Es sind keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich, die es rechtfertigen würden, von dieser auch im Schrifttum weitgehend gebilligten Rechtsprechung abzuweichen (vgl. Arndt in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 33 Rdnr. C 36; Oepen in Blümich, Einkommensteuergesetz, § 33 Teilziffer 75; Fitsch in Lademann / Söffing / Brockhoff, Einkommensteuergesetz, § 33 Anm. 78 - Körperbehinderung - Teilziffer 1; zweifelnd allerdings Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 33 Anm. 2).
Werbungskosten sind Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Sie sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen (§ 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG). Werbungskosten sind auch die Absetzung für Abnutzung (AfA) und für Substanzverringerung (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 EStG).
Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gehörte in den Streitjahren auch der Nutzungswert einer im eigenen Einfamilienhaus gelegenen, vom Steuerpflichtigen selbstgenutzten Wohnung (vgl. § 21 Abs. 2 EStG i. V. m. § 21 a EStG 1983). Aufwendungen für die Herstellung oder Erweiterung eines Einfamilienhauses stehen daher grundsätzlich in nicht trennbarem Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Dies ergibt sich entscheidend aus der Überlegung, daß eine der Erweiterung eines Gebäudes dienende Maßnahme durch ihre Verbindung mit dem bestehenden Gebäude ein untrennbarer Teil des Wirtschaftsgutes Einfamilienhaus geworden ist. Dieses ist nach ständiger Rechtsprechung - unabhängig davon, ob es sich im Betriebs- oder Privatvermögen befindet - grundsätzlich als einheitliches Wirtschaftsgut anzusehen und als solches zu bewerten (s. insbesondere BFH-Beschluß vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132; aus jüngerer Zeit vgl. BFH-Urteil vom 11. Dezember 1987 III R 191/85, BFHE 151, 573, BStBl II 1988, 300). Ausnahmen hiervon sind, soweit sie sich nicht aus dem Gesetz selbst ergeben (vgl. z. B. § 51 EStG 1977 i. V. m. §§ 82 a ff. der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV - 1975), nur zulässig, wenn Gebäudeteile in einem von der sonstigen Gebäudenutzung unterschiedlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang stehen und sie deshalb als eigenständige Wirtschaftsgüter anzusehen sind. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn Teile eines privat genutzten Einfamilienhauses betrieblich oder als Arbeitszimmer im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit genutzt werden.
Ein unterschiedlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang wird aber nicht schon dadurch begründet, daß eine Ausbaumaßnahme, die für sich betrachtet kein eigenständiges Wirtschaftsgut darstellt, auf Grund privater - krankheitsbedingter - Veranlassung erfolgt (anderer Ansicht Kanzler in Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 33 EStG, Anm. 300 - Umbaumaßnahme und Liebhaberei -). Vielmehr stehen Umbaumaßnahmen, die die bessere Nutzung eines Wirtschaftsgutes durch einen Steuerpflichtigen erst ermöglichen, in einem unlösbaren Funktionszusammenhang mit den durch das Wirtschaftsgut erzielten Einkünften. Dies ergibt sich bereits aus der Überlegung, daß eine solche Maßnahme den Nutzungswert eines Gebäudes zumindest sichert. Nicht entscheidend ist, ob auch ein Dritter entsprechende Aufwendungen tätigen würde. Eine den besonderen Wünschen eines Steuerpflichtigen Rechnung tragende Bauweise führt nach ständiger Rechtsprechung nicht dazu, daß Aufwendungen für die außergewöhnlichen Teile des Gebäudes von der Einkünfteermittlung nach der Nutzungswertbesteuerung ausgenommen werden. Vielmehr hat eine solche Bauweise allenfalls - für den Fall der Besteuerung nach § 21 Abs. 2 EStG 1983 - Auswirkungen auf die Art der Ermittlung des Nutzungswertes (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 1986 IX R 7/79, BFHE 146, 51, BStBl II 1986, 394, und vom 11. Oktober 1977 VIII R 20/75, BFHE 123, 347, BStBl II 1977, 860). Keine Auswirkungen hat eine besondere Bauweise aber darauf, daß das Gebäude in seiner Gesamtheit der Einkünfteerzielung dient.
Gegen die Annahme eines Zusammenhangs zwischen Umbauaufwendungen und auf Eigennutzung eines Grundstücks beruhender Einkünfteerzielung spricht nicht, daß sich Umbauaufwendungen wegen der pauschalierten Nutzungswertermittlung gemäß § 21 a EStG 1983 nicht steuermindernd auswirken, sondern über eine eventuelle Fortschreibung des Einheitswertes des Einfamilienhauses sogar zu einer Steuererhöhung führen können. Für die Anwendung des § 33 Abs. 2 Satz 2 EStG kommt es nicht darauf an, ob und wie sich die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, hier also der Nutzungswert der Wohnung, konkret errechnen und wie sich Aufwendungen zur Erhaltung des Nutzungswertes steuerlich auswirken. Entscheidend ist nur, ob die Aufwendungen in die Herstellungskosten eingehen und ihrer Art nach über die AfA Werbungskosten darstellen (BFHE 91, 573, BStBl II 1968, 433).
3. Nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen, den erkennenden Senat daher bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) haben die Kläger durch die bauliche Erweiterung ihrer Garage kein neues selbständig bewertbares Wirtschaftsgut geschaffen. Die Umbaumaßnahmen stehen in einem unlösbaren Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit den durch Selbstnutzung des Einfamilienhauses erzielten Einkünften. So wollten die Kläger, nach ihrem eigenen Vortrag, eine weitere Nutzung des Gebäudes durch die Erweiterung der Garage gerade erst ermöglichen. Die Aufwendungen sind daher ihrer Art nach Werbungskosten und nicht als außergewöhnliche Belastung berücksichtigungsfähig.
An diesem Ergebnis ändert auch die Tatsache nichts, daß die Erweiterung nicht unmittelbar am Wohngebäude selbst, sondern an der in einiger Entfernung gelegenen Garage vorgenommen wurde. Die Garage stellt gemeinsam mit dem eigentlichen Wohngebäude nach ständiger Rechtsprechung eine wirtschaftliche Einheit dar. Sie ist lediglich als Nebenraum der eigengenutzten Wohnung zu werten (vgl. BFH-Urteile vom 9. Oktober 1964 VI 201/63 U, BFHE 81, 37, BStBl III 1965, 13, und vom 30. November 1984 III R 121/83, BFHE 143, 472, BStBl II 1985, 451). Aufwendungen zur Sicherung und Erhaltung ihres Nutzungswertes sind daher rechtlich so zu beurteilen, wie wenn sie am Wohngebäude im engeren Sinne vorgenommen worden wären.
4. Das FG ist von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgegangen. Die Vorentscheidung ist aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif, so daß der Senat durcherkennen kann (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63591 |
BFH/NV 1992, 17 |