Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Eine Gewinnausschüttung setzt eine unmittelbare oder mittelbare Leistung einer Körperschaft an ihre Gesellschafter voraus. Teilen die Gesellschafter im Zusammenhang mit der Umstellung von der RM-Schlußbilanz zur DM-Eröffnungsbilanz die in ihrem Besitz befindlichen Geschäftsanteile gegenüber der RM-Zeit anders auf, so liegt keine verdeckte Gewinnausschüttung der Gesellschaft an die begünstigten Gesellschafter (Gesellschafter mit erhöhtem quotenmäßigen Anteil) vor.
Normenkette
KStG § 17 Abs. 1 Ziff. 1; EStG § 20 Abs. 1 Ziff. 1; DMBG § 73/1
Tatbestand
Das Stammkapital der Beschwerdegegnerin - Bgin. - (GmbH) betrug seit dem Gesellschafterbeschluß vom 2. September 1947 1.200.000 RM. An ihm waren beteiligt der Gesellschafter A mit 975.000 RM, der Gesellschafter B mit 150.000 RM und der Geschäftsführer C mit 75.000 RM, dieser zum Teil treuhänderisch für die Ehefrau des weiteren Geschäftsführers D. Am 3. August 1948, also etwa sechs Wochen nach der Währungsumstellung, fand eine Gesellschafterversammlung statt, bei der folgender Beschluß in notarieller Form gefaßt wurde:
" Mit Wirkung vom 1. Mai 1948 an wird das Stammkapital der Firma von 1.200.000 RM um weitere 30.000 RM, also auf 1.230.000 RM erhöht. Zur übernahme des erhöhten Kapitals soll zugelassen werden Herr C ... Die neue Stammeinlage von 30.000 RM wird von Herrn C in bar einbezahlt. Herr C ist am Jahresgewinn ab 1. Mai 1948 beteiligt. Hierauf übernimmt Herr C die oben angegebene neue Stammeinlage von 30.000 RM. "
Die Gesellschafter waren sich darüber einig, daß die übernahme von 30.000 RM teilweise treuhänderisch für Frau D erfolgen sollte. Die Firma nahm anschließend in ihren Büchern auf den 18. Juni 1948 eine Buchung " Darlehen C an Stammkapital 30.000 RM " vor, so daß sich für die RM-Schlußbilanz ein Stammkapital von 1.230.000 RM und eine Stammeinlage C von 105.000 RM ergab. Auf die neue Stammeinlage C wurden in II/1948 3.000 DM (30.000 RM, umgestellt im Verhältnis 1:10) bezahlt. Die Eintragung der Kapitalerhöhung von 30.000 RM im Handelsregister erfolgte am 30. September 1948.
Bei der Aufstellung der DM-Eröffnungsbilanz ergab sich ein Reinvermögen von 4.429.361,16 DM gegenüber einem RM-Reinvermögen von 1.480.402,83 RM in der RM-Schlußbilanz. Das neue Stammkapital wurde auf 3.000.000 DM festgesetzt, der Rest von 1.429.361,16 DM in Rücklage genommen. Bei der Neufestsetzung der Geschäftsanteile wurde der Geschäftsanteil C von nunmehr 105.000 RM im Hinblick auf das Treuhandverhältnis aufgeteilt und wie folgt umgestellt:
65 000 RM auf Frau D umgestellt auf ... 158 000 DM, 10 000 RM 1. Stammeinlage C auf .... 25 000 DM, 30 000 RM 2. Stammeinlage C auf .... 73 000 DM. Die Feststellung der DM-Eröffnungsbilanz, die Festsetzung des DM-Stammkapitals und der DM-Geschäftsanteile erfolgte in der Gesellschafterversammlung vom 9. Juni 1951.
Das Finanzamt nahm eine verdeckte Gewinnausschüttung an und berechnete die Kapitalertragsteuer mit 25 % aus 70.000 DM (Einzahlungsanspruch an C 73.000 DM abzüglich 3.000 DM geleistete Einzahlung) = 17.500 DM.
Auf die Berufung der GmbH hin hob das Finanzgericht den Haftungsbescheid des Finanzamts, soweit er die Kapitalertragsteuer aus den 70.000 DM Gewinnausschüttung betraf, auf. Es begründete seine Entscheidung wie folgt.
Die GmbH stütze sich für die Steuerfreiheit auf § 78 Absatz 3 des D-Markbilanzgesetzes. Diese Auffassung sei rechtsirrig. Nach dem 21. Juni 1948 sei es mit dem grundlegenden § 1 des Währungsgesetzes nicht mehr vereinbar gewesen, rechtswirksame Beschlüsse zur Erhöhung des RM-Kapitals zu fassen. Hierauf komme es jedoch nicht an. Die Frage sei, ob die GmbH gegen die Gesellschafter C - D einen Einzahlungsanspruch gehabt habe. Er könne nur auf eine Kapitalerhöhung gestützt werden. Sie liege aber nach Auffassung des Finanzgerichts nicht vor. Der Beschluß vom 3. August 1948 verstoße gegen § 8 des Währungsgesetzes, der Verfügung über Altgeld nach dem 21. Juni 1948 verbiete und sei gemäß § 134 BGB nichtig. Er habe aber zur Folge gehabt, daß 3000 DM auf das Stammkapital einbezahlt worden seien. Dies sei durch Beschluß vom 9. Juni 1951 gutgeheißen worden. Eine Erhöhung des Stammkapitals über die 3000 DM hinaus habe nie stattgefunden. Alles, was sich über die 3000 DM hinaus im Bilanzbild verschoben habe, sei auf die gemäß § 35 des D-Markbilanzgesetzes erfolgten Neufestsetzungen zurückzuführen. Man habe zuerst das neue DM-Reinvermögen ermittelt, dann dieses Reinvermögen in neues Stammkapital und Rücklagen aufgeteilt und endlich das neue DM-Stammkapital in DM-Geschäftsanteile zerlegt, für deren Zusammensetzung die Verhältnisse am Währungsstichtag maßgeblich sein müßten. Der Beschluß vom 3. August 1948 habe die beiden ersten Vorgänge über die 3000 DM hinaus nicht beeinflußt. Durch die Abmachung vom 3. August 1948 habe man nur die Beteiligung der Gesellschafter verschoben. Der Gesellschafter A habe nicht 975/1200-tel, der Gesellschafter B nicht 150/1200-tel, die Gesellschafter C - D nicht 75/1200-tel des neuen DM-Stammkapitals erhalten, sondern A nur 975/1230-tel, B nur 150/1230-tel, dagegen die Geschäftsführer C - D 105/1230-tel des neuen Stammkapitals. Diese Anteilsverschiebung gehe zu Lasten der Inhaber der alten Geschäftsanteile und zugunsten der Erwerber der neuen Geschäftsanteile. Es sei Sache des für die Schenkungsteuer zuständigen Finanzamts, zu prüfen, ob durch die Vorgänge Schenkungsteuer ausgelöst werde.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Finanzamtsvorstehers wendet hiergegen ein, eine Neufestsetzung des Stammkapitals auf 2.997.000 DM hätte nur unter Wahrung des am 20. Juni 1948 bestehenden Verhältnisses der Anteile zueinander rechtswirksam erfolgen können. Der Auffassung des Finanzgerichts, daß die Voraussetzungen des § 78 Absatz 3 des D-Markbilanzgesetzes nicht gegeben seien, stimme das Finanzamt zu. Im Ergebnis seien den Gesellschaftern C und D Anteile in Höhe von 73.000 DM zugewendet worden, denen nur Einzahlungen in Höhe von 3000 DM gegenüberstünden. Es sei deshalb ein Betrag von 70.000 DM an die beiden Gesellschafter ausgeschüttet worden.
Die GmbH ist der Auffassung, daß auch § 78 Absatz 3 des D-Markbilanzgesetzes zur Steuerbefreiung führen müsse. Gegen die Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister seien von dritter Seite keine Einwendungen geltend gemacht worden. Ihre Auffassung werde auch durch das Erläuterungsbuch zum D-Markbilanzgesetz von Schmölder-Gessler-Merkle S. 92 ff. und S. 507 ff. gestützt.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes.
Handelsrechtlich ist es strittig, inwieweit Kapitalerhöhungen in RM noch nach der Währungsreform durchgeführt werden können. Der I. Zivilsenat des Obersten Gerichtshofes für die britische Zone hat in einem Beschluß vom 10. März 1949 I ZB 3/49 (Entscheidungssammlung Bd. 1 S. 339) anerkannt, daß vor der Währungsreform in RM gegründete GmbH's auch nach der Währungsreform in RM in das Handelsregister eingetragen werden können. Im vorliegenden Falle ist der Erhöhungsbeschluß erst nach dem 20. Juni 1948 gefaßt worden. Ob dies mit rechtlicher Wirkung noch geschehen konnte, ist zweifelhaft. Der GmbH ist darin beizupflichten, daß bei der steuerlichen Würdigung auch der Eintragung der Kapitalerhöhung in das Handelsregister die Bedeutung nicht versagt werden kann, zumal es sich hierbei um einen konstitutiven Akt handelt (siehe Entscheidung des Reichsgerichts in Zivilsachen I 360/97 vom 5. Februar 1898, Sammlung Bd. 41 S. 19, und Kommentar der Mitglieder des Reichsgerichts zum HGB § 8 Anmerkung 14, Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 10/52 S vom 8. Februar 1952, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 III S. 71). Die Frage kann jedoch dahingestellt bleiben, da auch ihre Bejahung zu keinem anderen Ergebnis führt.
Eine Gewinnausschüttung setzt voraus, daß Werte aus dem Vermögen der Gesellschaft den Gesellschaftern oder ihnen nahestehenden Personen übertragen werden. Eine Gewinnausschüttung liegt somit nicht vor, wenn die in den Händen der Gesellschafter befindlichen Geschäftsanteile unter den Gesellschaftern anderweitig verteilt werden. Der Vorgang berührt nicht die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter und kann deshalb keine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen.
Geht man von der Würdigung des Finanzgerichts aus, so hat, von der Erhöhung des Kapitals um 3000 DM abgesehen, lediglich eine Veränderung des Anteilsverhältnisses am Stammkapital unter den Gesellschaftern stattgefunden. Es ist durch gegenseitige Vereinbarung der Gesellschafter den Gesellschaftern C - D ein größerer Anteil am DM-Stammkapital zugeteilt worden, als ihnen nach ihrem bisherigen Anteilsverhältnis am RM-Stammkapital zustand. Die Veränderung dieses gegenseitigen Verhältnisses der Geschäftsanteile berührt die Gesellschafter, aber nicht die Gesellschaft. Das Finanzgericht hat deshalb zutreffend in diesem Vorgange keine verdeckte Gewinnausschüttung gesehen. Die Erhöhung der Stammeinlage C um 70.000 DM ist eine Folge der Neufestsetzung des Kapitals auf Grund des § 35 des D-Markbilanzgesetzes, die gemäß § 73 Absatz 1 des D-Markbilanzgesetzes steuerfrei ist und des weiteren von Vereinbarungen unter den Gesellschaftern, die die Gesellschaft nicht berühren und deshalb keine Gewinnausschüttungen darstellen können.
Folgt man der Rechtsauffassung der Gesellschaft, so ist nach § 78 Absatz 3 die Kapitalerhöhung am 21. Juni 1948 wirksam geworden. Der Gesellschaft stand demgegenüber dem Gesellschafter C ein Anspruch in Höhe von 30.000 RM zu. Diese RM-Forderung wurde wohl in entsprechender Anwendung der Bestimmungen des § 42 Satz 2 des D-Markbilanzgesetzes im Verhältnis 10:1 umgestellt. Die Steuerfreiheit dieses Vorganges ergibt sich aus § 73 Absatz 1 in Verbindung mit § 78 Absatz 3 und § 24 Absatz 3 des D-Markbilanzgesetzes.
Ob die erhöhte Zuteilung von Anteilen an die Geschäftsführer der Gesellschaft in ihren Dienstleistungen begründet ist und welche steuerlichen Folgen hieraus zu ziehen sind, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen.
Die Rb. muß deshalb als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 407396 |
BStBl III 1952, 148 |
BFHE 1953, 380 |
BFHE 56, 380 |
BB 1952, 1009 |
DB 1952, 547 |