Entscheidungsstichwort (Thema)
Minderverzinsliche Schuldverschreibung (Optionsanleihe) als abgezinstes Wertpapier
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schuldverschreibung, die am Ende ihrer Laufzeit zum Nennbetrag zurückgezahlt wird, ist nur dann ein abgezinstes Wertpapier, wenn bei ihrer Emission für sie ein unter ihrem Nennwert liegender Betrag zu zahlen war.
2. Bei einer minderverzinslichen Optionsschuldverschreibung (Optionsanleihe) trifft dies dann zu, wenn die zugrunde liegenden Anleihebedingungen der Emittentin keine Regelungen enthalten, die darauf schließen lassen, dass der Ausgabepreis ausschließlich für die Schuldverschreibung aufgewendet worden ist.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 S. 1 Nrn. 1, 4 S. 1 Buchst. a; HGB § 272 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb in den Jahren 1991 und 1993 Schuldverschreibungen der X-AG ohne Optionsscheine zu Kursen zwischen 81,80 v.H., 81,75 v.H. und 95,50 v.H. Seine Ehefrau erwarb im Jahr 1993 eine Schuldverschreibung derselben AG.
Die X-AG hatte am 3. April 1986 eine Optionsanleihe aufgelegt, die in Optionsschuldverschreibungen im Nennbetrag von 1 000 DM und 10 000 DM aufgeteilt, mit jährlich 3,5 v.H. zu verzinsen und am 3. April 1996 fällig war. Es waren nach den tatbestandlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil 90 Aktien notwendig, um eine Anleihe in Höhe von 1 000 DM zum Kurs von 100 v.H. verbunden mit einem Optionsschein zum Erwerb von 7 Vorzugsaktien mit einem Nennwert von jeweils 50 DM zum Kurs von 185 DM zu erwerben. Das Bezugsrecht auf die Optionsschuldverschreibungen wurde vom 20. März 1986 bis 27. März 1986 einschließlich an allen deutschen Wertpapierbörsen gehandelt. Am 15. Mai 1986, dem Tag der erstmaligen Trennungsmöglichkeit von Anleihe und Optionsschein, wurden der Optionsschein an der Börse mit 102 DM und die Schuldverschreibung ohne Optionsschein mit 78,75 v.H. gehandelt. Die A-Bank, die die Federführung des Bankenkonsortiums innehatte, das die Optionsschuldverschreibungen mit der Verpflichtung übernommen hatte, sie den Aktionären zum Bezug anzubieten, ermittelte auf den 3. April 1986, dem ersten Tag nach dem Ende der 14-tägigen Bezugsfrist, einen rechnerischen Emissionspreis (Kapitalwert) der Schuldverschreibungen von 78,80 v.H. auf der Basis einer Emissionsrendite von 6,439 v.H.
Der Kläger und seine Ehefrau lösten ihre Schuldverschreibungen über insgesamt 370 000 DM bzw. 5 000 DM bei Fälligkeit am 3. April 1996 ein. In ihrer Einkommensteuererklärung erklärten sie aus den Schuldverschreibungen neben den laufenden Zinseinnahmen (3,5 v.H. jährlich) einen Ertrag von 3 046 DM. Sie beantragten, die Kapitalertragsteuer von 16 514,10 DM und den Solidaritätszuschlag von 1 238,56 DM anzurechnen. Aus der Erträgnisaufstellung der Bank ergab sich, dass diese von den Schuldverschreibungen des Klägers über insgesamt 370 000 DM einen Betrag von 66 822 DM (18,06 v.H.) und von der Schuldverschreibung der Ehefrau über 5 000 DM einen Betrag von 425 DM (8,5 v.H.) als steuerpflichtigen Ertrag angesehen hatte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nahm an, es handele sich bei den vom Kläger und seiner Ehefrau erworbenen Wertpapieren um abgezinste Schuldverschreibungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für das Streitjahr 1996 gültigen Fassung. Er ging entsprechend der Mitteilung der Bank des Klägers von einer Emissionsrendite von 6,4392 v.H. und einem Kapitalwert von 78,81 v.H. aus und errechnete unter Berücksichtigung der Zeit, in der der Kläger und seine Ehefrau die Schuldverschreibungen innehatten, einen steuerpflichtigen Ertrag von 37 410 DM, über dessen Höhe kein Streit besteht. Er setzte diesen Betrag in dem Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr 1996 anstelle des vom Kläger erklärten Ertrages von 3 046 DM an.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit dem Begehren, die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 37 410 DM herabzusetzen, als unbegründet ab. Es entschied, bei den vom Kläger und seiner Ehefrau erworbenen Schuldverschreibungen handele es sich um abgezinste Wertpapiere mit einer feststellbaren Emissionsrendite i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG. Bei einer Optionsanleihe sei der Aufwand des Erwerbers auf zwei getrennt zu bewertende Wirtschaftsgüter ―Optionsschein und Anleihe― zu verteilen. Die Anleihe habe ―wie von der A-Bank dargelegt― im Zeitpunkt der Ausgabe trotz des Kaufpreises von 100 v.H. nur einen Verkehrswert von 78,81 v.H. gehabt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 907 veröffentlicht.
Der Kläger rügt mit seiner Revision sinngemäß eine Verletzung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG.
Er beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Kapitalvermögen um 37 410 DM herabgesetzt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Kläger und seiner Ehefrau aus der Einlösung der Schuldverschreibungen erzielten Einnahmen insoweit zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, als sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Bei den umstrittenen Wertpapieren handelt es sich entgegen der Auffassung der Revision um abgezinste Schuldverschreibungen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a EStG.
1. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a und Satz 4 EStG gehören zu den Einkünften aus Kapitalvermögen u.a. auch die Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung von abgezinsten Schuldverschreibungen, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen.
Die zu beurteilenden Schuldverschreibungen ohne Optionsscheine sind nicht bereits deshalb abgezinst, weil der Kläger und seine Ehefrau sie einige Jahre nach der Emission zu einem unter dem Nennwert liegenden Kurs erworben haben. Vielmehr sind Schuldverschreibungen, die am Ende ihrer Laufzeit zum Nennbetrag zurückgezahlt werden, nur dann abgezinst, wenn bei ihrer Emission für sie ein unter ihrem Nennwert liegender Betrag zu zahlen war. Dies hat das FG für die im Streitfall zu beurteilenden Schuldverschreibungen zu Recht bejaht.
2. Bei der Emission der Optionsschuldverschreibungen der X-AG im Jahr 1986 konnten Schuldverschreibung und Optionsrecht nur gemeinsam ("cum") zum Nennbetrag der Anleihe (Ausgabepreis) erworben werden. Das bedeutet, dass der Erwerber für den Betrag von 1 000 DM neben der ―minderverzinslichen― Schuldverschreibung über diesen Betrag auch das Optionsrecht zum Bezug von insgesamt sieben Vorzugsaktien erhielt.
a) In der Literatur ist umstritten, wofür bei dem Erwerb einer Optionsschuldverschreibung der dem Nennwert entsprechende Ausgabepreis aufgewendet wird.
aa) Überwiegend wird angenommen, dass er für die Anleihe und die Option gezahlt wird; da zwei Wirtschaftsgüter erworben würden (sog. Doppelerwerb), sei der Ausgabepreis im Verhältnis der Werte von Anleihe und Optionsrecht aufzuteilen (vgl. Adler/ Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 272 HGB Rdn. 124 f.; Küting in Küting/Weber, Handbuch der Rechnungslegung, Bd. I a, 4. Aufl., § 272 HGB Rn. 66; Harenberg in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 21. Aufl., § 20 EStG Anm. 810 und 850 "Optionsanleihen"; Harenberg/Irmer, Neue Wirtschafts-Briefe ―NWB― Fach 3 S. 10221; Hamacher/Feyerabend in Korn, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 20 Rz. 230; Knobbe-Keuk, Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht ―ZGR― 1987, 312, 317; Koch/Vogel, Betriebs-Berater ―BB― 1986, Beilage 10 S. 16; Pöllath/Rodin, Der Betrieb ―DB― 1986, 2094; Berger/M. Ring/Budde u.a., Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl., § 253 HGB Anm. 92; Martens in Busse von Colbe/ Greßfeld/Kley/Martens/Schlede, Bilanzierung von Optionsanleihen im Handelsrecht, 1987, S. 136; Breker, Optionsrechte und Stillhalterverpflichtungen im handelsrechtlichen Jahresabschluss, 1993, S. 67 ff.; Groh, DB 2002, 860).
Dass der Ausgabepreis auf die Anleihe und das Optionsrecht aufzuteilen ist, wird zum Teil auch von denjenigen vertreten, die annehmen, bei minderverzinslichen Optionsanleihen erhalte der Zeichner den Optionsschein als Gegenleistung für den Zinsverzicht bzw. das Entgelt für das Recht auf Aktienbezug liege wirtschaftlich in der Unterverzinslichkeit (vgl. Kropff, ZGR 1987, 285, 302; Adler/Düring/Schmaltz, a.a.O., § 272 HGB Rdn. 118 und 124 f.; Förschle/Kofahl in Beck’scher Bilanzkommentar, 4. Aufl., § 272 HGB Anm. 65).
Ist der dem Nennbetrag der Schuldverschreibung entsprechende Ausgabepreis auf die Schuldverschreibung und das Optionsrecht aufzuteilen, hat dies zur Folge, dass die Schuldverschreibung ein abgezinstes Wertpapier i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a EStG ist.
bb) Nach einer anderen Meinung gestaltet der Emittent einer minderverzinslichen Optionsschuldverschreibung die Anleihebedingungen im Allgemeinen so, dass das Optionsrecht als Gegenleistung für die Kapitalüberlassung zu einem unter dem Marktzins liegenden Zinssatz zufließt; das Optionsrecht ist dann als Zinsersatz im Zeitpunkt der Zeichnung durch den Ersterwerber gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG zu versteuern (vgl. Muhler, Optionsanleihen im Ertragsteuerrecht, Diss. 1988, S. 44 ff.; Arndt/Muhler, DB 1988, 2167, 2169; Dötsch in Kirchhoff/Söhn/Mellinghoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 20 Rdnr. I 123 "Optionsanleihe"; K 20 "Option"; von Beckerath in Kirchhof, Kompaktkommentar zum Einkommensteuergesetz, 3. Aufl. § 20 Rn. 325; Stuhrmann in Blümich, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 20 EStG Rz. 318; ursprünglich auch Döllerer, Die Aktiengesellschaft, Zeitschrift für das gesamte Aktienwesen ―AG― 1986, 237, 239, der sich jedoch unter ausdrücklicher Aufgabe dieser Auffassung in BB 1988, 883, 886, Fn. 40 für eine Aufteilung ausgesprochen hat).
Da bei dieser Betrachtungsweise der dem Nennwert entsprechende Ausgabepreis ausschließlich für die Anleihe aufgewandt wird (sog. Alleinerwerb), ist die Schuldverschreibung nicht abgezinst, so dass ihre Veräußerung oder Einlösung nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen führt.
b) Nach Auffassung des I. Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) (Urteil vom 16. Mai 2001 I R 102/00, BFHE 195, 344, BStBl II 2001, 710) hängt bei einer minderverzinslichen Optionsanleihe die Entscheidung darüber, ob der Ausgabepreis für die minderverzinsliche Schuldverschreibung und das Optionsrecht (sog. Doppelerwerb) oder ausschließlich für die minderverzinsliche Schuldverschreibung (sog. Alleinerwerb) aufgewendet worden ist, von den zugrunde liegenden Anleihebedingungen der Emittentin ab (zustimmend Haisch, Deutsches Steuerrecht ―DStR― 2001, 1968; ablehnend Groh, DB 2002, 860, wonach eine Vereinbarung, die den Ausgabebetrag allein der Anleihe zuweist, steuerlich nicht anzuerkennen wäre).
3. Im Streitfall hat das FG nicht festgestellt, dass die Anleihebedingungen Regelungen enthalten, die darauf schließen lassen, dass das Optionsrecht die von der Emittentin zugewendete Gegenleistung für den Zinsverzicht, der in der Minderverzinslichkeit der Anleihe liegt, sein soll. Es bestand insbesondere keine Verpflichtung der Anleiheschuldnerin zur jederzeitigen Rückzahlung der Anleihe zum Nennbetrag. Soweit nach § 10 Abs. 1 der Anleihebedingungen der X-AG für die hier zu beurteilende Optionsanleihe die Anleihegläubiger berechtigt sind, die sofortige Rückzahlung zum Nennbetrag zuzüglich aufgelaufener Zinsen zu verlangen, falls die Anleiheschuldnerin mit ihren Verpflichtungen, insbesondere mit der Zahlung fälliger Zinsbeträge, länger als einen Monat in Verzug gerät, handelt es sich nicht um eine jederzeitige Verpflichtung, sondern nur um eine Verpflichtung für den Fall einer Vertragsverletzung. In einem solchen Fall kann in dem Rückzahlungsbetrag in Höhe des Nennbetrags eine pauschalierte Vertragsstrafe oder pauschalierter Schadensersatz enthalten sein. Eine derartige Regelung kann deshalb nicht als hinreichender Umstand dafür gewertet werden, dass der Ausgabebetrag in Höhe des Nennbetrages ausschließlich für die minderverzinsliche Schuldverschreibung aufgewendet werden soll (a.A. wohl Arndt/Muhler, DB 1988, 2167, 2169).
Der Kläger hat auch nicht geltend gemacht, die Übernahmeverträge zwischen der X-AG und dem übernehmenden Bankenkonsortium enthielten Vereinbarungen, denen zu entnehmen wäre, dass das Optionsrecht als Gegenleistung für den Zinsverzicht gewährt werden und der Ausgabepreis ausschließlich auf die Schuldverschreibung entfallen sollte.
4. Vor diesem Hintergrund ist bei der Optionsschuldverschreibung der X-AG der Ausgabebetrag sowohl für den Erwerb der Anleihe als auch der Optionsscheine aufgewendet worden (sog. Doppelerwerb). Auf dem Verständnis, dass bei einer Optionsanleihe zwei Wirtschaftsgüter vorliegen, basiert § 272 Abs. 2 Nr. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB). Nach dieser Vorschrift ist in der Bilanz der emittierenden Gesellschaft als Kapitalrücklage u.a. der Betrag auszuweisen, der bei der Ausgabe von Schuldverschreibungen für Wandlungsrechte und Optionsrechte zum Erwerb von Anteilen erzielt wird. Bei dieser Regelung hat der Gesetzgeber nicht nur die Fälle der Differenz zwischen dem höheren Ausgabe- und dem niedrigeren Rückzahlungsbetrag der Schuldverschreibung, sondern ausdrücklich auch die Einräumung eines unter dem Kapitalmarkt liegenden Zinssatzes vor Augen gehabt (vgl. BTDrucks 10/4268, S. 106). Deshalb hat die Emittentin einer minderverzinslichen Optionsschuldverschreibung in ihrer Bilanz den vereinnahmten Ausgabepreis, der dem Nennbetrag entspricht, aufzuteilen. Dieses Aufteilungsgebot lässt sich nur mit der Vorstellung erklären, dass ein Erwerber allein wegen des gleichzeitigen Erwerbs des Optionsrechts bereit ist, eine Schuldverschreibung mit einer unter dem Marktzins liegenden Verzinsung zu ihrem Nennbetrag zu erwerben, und er deshalb den Ausgabepreis nicht nur für die Schuldverschreibung, sondern auch für das Optionsrecht und damit für den Erwerb von zwei Wirtschaftsgütern zahlt. Liegen ―wie im Streitfall― keine ausdrücklichen anderslautenden Vereinbarungen vor, ist von dem Verständnis, wie es dem HGB zugrunde liegt, auch bei der Beurteilung der Frage auszugehen, ob die Schuldverschreibung ein abgezinstes Wertpapier ist.
5. An der Annahme, dass aus der Sicht des Kapitalanlegers mit dem Ausgabepreis sowohl die Schuldverschreibung als auch das Optionsrecht erworben worden ist, vermag auch der Einwand des Klägers nichts zu ändern, der Erwerber der minderverzinslichen Optionsschuldverschreibung habe nicht nur den Ausgabebetrag in Höhe des Nennwerts, sondern außerdem auch den Wert seines Bezugsrechts aufwenden müssen. Richtig ist zwar, dass der Bezug einer Optionsschuldverschreibung über 1 000 DM vorausgesetzt hat, dass der Erwerber entweder bereits Aktionär war und 90 Aktien im Nennbetrag von je 50 DM hielt oder dass er ein ―an den Wertpapierbörsen gehandeltes― Bezugsrecht auf die Optionsschuldverschreibung erworben hatte. Dass ein Bezugsrecht Voraussetzung für den Erwerb der Optionsanleihe ist, hat entgegen der Auffassung der Revision aber keinen Einfluss auf die Frage, ob die Schuldverschreibung der emittierenden Gesellschaft ein abgezinstes Wertpapier i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a EStG ist. Denn diese Frage ist allein nach dem Verhältnis zwischen der Emittentin und dem Ersterwerber zu beurteilen. Dieses Verhältnis ist jedoch von dem Wert des Bezugsrechts nicht betroffen, weil das Bezugsrecht bzw. sein Wert keine Gegenleistung ist, die der Erwerber der Optionsanleihe der Emittentin gewährt. Vielmehr muss ein Dritter, der nicht Aktionär ist und die Optionsanleihe erwerben möchte, das Bezugsrecht von einem Aktionär und nicht von der emittierenden Gesellschaft erwerben. Die Aufwendungen für die Erlangung des Bezugsrechts gehören deshalb zwar zu den Anschaffungskosten des Erwerbers der Optionsanleihe. Da sie aber kein Entgelt und keine Gegenleistung für die Optionsanleihe sind, sind sie für die Frage, ob die von der Gesellschaft ausgegebene Schuldverschreibung abgezinst ist, ohne Bedeutung.
Im Übrigen wäre der Wert des Bezugsrechts oder wären die Aufwendungen für dieses selbst dann, wenn das Bezugsrecht ―wie der Kläger es für erforderlich hält― in die Betrachtung einbezogen würde, ausschließlich dem Optionsrecht und nicht der Schuldverschreibung zuzuordnen. Nur wegen des Aktienerwerbs (vgl. §§ 221, 186 des Aktiengesetzes) und nicht wegen des Erwerbs der Schuldverschreibung ist das Bezugsrecht erforderlich. Bei wirtschaftlicher Betrachtung setzt der Erwerber der Optionsschuldverschreibung sein Bezugsrecht ausschließlich deshalb ein oder nimmt die Kosten für die Erlangung des Bezugsrechts für die Optionsschuldverschreibung ausschließlich deshalb auf sich, um die Aktien und nicht, um die minderverzinsliche Anleihe erwerben zu können. Ebenso wie der Wert des Bezugsrechts auf die jungen Aktien diesen zuzuordnen ist (vgl. BFH-Urteile vom 21. Januar 1999 IV R 27/97, BFHE 188, 27, BStBl II 1999, 638; vom 19. Dezember 2000 IX R 100/97, BFHE 194, 182, BStBl II 2001, 345), ist das Bezugsrecht auf die Optionsschuldverschreibung dem Optionsrecht zuzuweisen.
Aber selbst wenn man ―wie der Kläger begehrt― das Bezugsrecht in die Betrachtung einbeziehen und der Optionsanleihe insgesamt und nicht nur dem Optionsrecht zuordnen würde, bliebe die Schuldverschreibung ein abgezinstes Wertpapier i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a EStG. Denn bei dieser Betrachtungsweise würde der Wert des Bezugsrechts konsequenterweise auch zu einer Erhöhung des Ausgabepreises führen müssen. Dadurch würde sich das Missverhältnis zwischen der Höhe des Ausgabepreises und der geringen Verzinsung weiter zugunsten eines höheren Abzinsungsbetrages verschieben.
6. Das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 24. November 1986 IV B 4 -S 2252- 180/86 (BStBl I 1986, 539) vermag dem Klagebegehren ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Danach sind aus Vereinfachungsgründen ein Emissionsdisagio oder ein Emissionsdiskont steuerlich u.a. dann nicht zu erfassen, wenn sie bei einer Laufzeit ab 10 Jahren 6 v.H. nicht übersteigen. Selbst wenn dieses Schreiben aus Gründen der Gleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte zugunsten des Klägers auch auf Optionsschuldverschreibungen anwendbar wäre, wäre dieser Prozentsatz im Streitfall überschritten.
7. Zwischen den Beteiligten hat über die Berechnung der Einkünfte aus den eingelösten Schuldverschreibungen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a EStG auf der Grundlage der Emissionsrendite bisher kein Streit bestanden. Der Kläger hat weder die Höhe der von der A-Bank mitgeteilten Emissionsrendite noch die Ermittlung der auf die Besitzzeit entfallenden Beträge durch das FA beanstandet.
Fundstellen
Haufe-Index 988983 |
BFH/NV 2003, 1635 |
BStBl II 2003, 883 |
BFHE 2004, 58 |
BFHE 203, 58 |
BB 2004, 473 |
DB 2003, 2365 |
DStRE 2003, 1324 |
HFR 2003, 1176 |