Leitsatz (amtlich)
1. Die Heranziehung des "sonstigen Vermögens" im Sinne des § 67 Abs. 1 BewG a. F. zur Vermögensteuer ist nicht verfassungswidrig.
2. Ein Verstoß gegen Art. 3 GG kann insbesondere nicht deshalb angenommen werden, weil der Grundbesitz bei der Vermögensteuer mit den auf den 1. Januar 1935 festgestellten Einheitswerten angesetzt wird oder weil die Kaufkraft der DM geschwunden sei.
Normenkette
GG Art. 3, 14, 100; BewG a.F. (auf den 1. Januar 1963) § 67 Abs. 1 Nr. 3, § 69 ff.; BewDV a.F. (auf den 1. Januar 1963) § 1 Abs. 2, § 3a; FGO §§ 74, 155
Tatbestand
Die Revisionskläger (Steuerpflichtigen) wurden als Eheleute auf den 1. Januar 1963 zusammen zur Vermögensteuer veranlagt. In ihrem Gesamtvermögen waren neben Grundvermögen und Betriebsvermögen Wertpapiere im Sinne des § 67 Abs. 1 Nr. 3 BewG (in der damals gültigen Fassung - a. F. -) enthalten.
Die Steuerpflichtigen machten gegen den Vermögensteuerbescheid unter Hinweis auf eine beim BVerfG anhängige Verfassungsbeschwerde gegen die Bewertung des "sonstigen Vermögens", insbesondere gegen die angeblich zu hohe Bewertung von Aktien, geltend, es seien bei den Aktien Abschläge vom Steuerkurswert vorzunehmen.
Der Einspruch blieb in der Streitfrage ohne Erfolg.
Mit der Berufung wendeten sich die Steuerpflichtigen erneut gegen den Wertansatz der Aktien, da er, gemessen an der steuerlichen Bewertung des Grundvermögens, nach ihrer Auffassung gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. Sie beantragten, bis zur Entscheidung des BVerfG über die anhängigen Verfassungsbeschwerden die Aussetzung des Verfahrens oder das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.
Die Berufung blieb ohne Erfolg. Das FG lehnte den Antrag auf Aussetzung oder Ruhen des Verfahrens oder auch nur eine vorläufige Veranlagung ab und führte aus:
Das BewG und VStG seien ordnungsgemäß verkündete Gesetze und hätten die Vermutung der Verfassungsmäßigkeit. Demgemäß sei die Vermögensteuer festgesetzt worden (§ 8 VStG). Nach der Rechtsprechung des BFH (Entscheidung VI 147/58 U vom 20. Februar 1959, BFH 68, 451, BStBl III 1959, 172) seien weder die Finanzbehörden noch die Steuergerichte grundsätzlich gehalten, Rechtsmittelentscheidungen auszusetzen, wenn die Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift bestritten werde. Andernfalls würde bei der Massenarbeit der Besteuerung eine schwerwiegende Lähmung der Verwaltung und der Steuergerichte eintreten. Der Steuerpflichtige könne sich die Vorteile einer etwaigen günstigen Entscheidung des BVerfG dadurch sichern, daß er selbst gemäß § 90 BVerfGG beim BVerfG Verfassungsbeschwerde erhebe. Im übrigen wäre es bedenklich, die zeitnahe Bewertung des Wertpapiervermögens als verfassungswidrig anzusehen, weil der Grundbesitz nach den überholten Werten von 1935 besteuert werde. In Übereinstimmung mit dem Urteil des FG Düsseldorf vom 26. November 1964 (EFG 1965, 109) und des FG Hamburg vom 21. Oktober 1964 (EFG 1965, 110) wäre es als widersinnig anzusehen, dem Gleichheitssatz des Art. 3 GG dadurch Geltung zu verschaffen, daß die zeitnahe Bewertung der Wertpapiere der falschen, d. h. wertmäßig überholten und damit irrealen Bewertung des Grundbesitzes angepaßt würde.
Die Steuerpflichtigen legten Rb. ein. Sie wendeten sich unter Bezugnahme auf anhängige Verfassungsbeschwerden erneut gegen die unterschiedliche Bewertung von Grundvermögen und Kapitalvermögen, die den Gleichheitssatz verletze. Dazu komme die Geldentwertung des sonstigen Vermögens, so daß auch in einem einkommensteuerlichen Revisionsverfahren der Standpunkt vertreten worden sei, die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse lasse den Nominalzins nur noch als Ausgleich für den gleichzeitig eintretenden Wertverlust erscheinen. Die Höhe des bewertungsmäßigen Abschlages werde dem Ermessen des Gerichts anheimgestellt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Dem Antrag auf Aussetzung oder Ruhen des Verfahrens wird nicht stattgegeben.
Der Senat hat in dem Urteil III 186/64 U vom 30. Juli 1965 (BFH 83, 200, BStBl III 1965, 574), auf das verwiesen wird, entschieden, es verstoße nicht gegen das GG, wenn Aktien mit einem inländischen Kurswert unter Zugrundelegung dieses Kurswertes zur Vermögensteuer herangezogen würden. Das gilt auch für die Heranziehung von Wertpapieren mit den Steuerkurswerten, denen ebenfalls die inländischen Kurswerte zugrunde liegen (§§ 69, 70 BewG in den an dem Stichtage gültigen Fassungen). In der Entscheidung wurde dargelegt, daß die Erhebung der Vermögensteuer unter Zugrundelegung der sich auf den (dort zur Erörterung stehenden) 31. Dezember 1959 ergebenden Werte für Wertpapiere keine konfiskatorische Besteuerung unter Verletzung der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG sei. Schließlich wurde noch darauf hingewiesen, selbst wenn man in der Erfassung von Grundstücken bei der Vermögensteuer mit den Einheitswerten vom 1. Januar 1935 einen Verstoß gegen Art. 3 GG annehmen wollte, hätte der Wertpapierbesitzer keinen Anspruch auf eine vom Gesetz abweichende andere begünstigende Bewertung seiner Wertpapiere (so auch BVerfG-Entscheidung 1 BvL 19, 21/58 vom 14. April 1959, BVerfGE Bd. 9 S. 250, 255). Davon abgesehen hat jedoch der Senat ausdrücklich in dem Urteil III 97/65 vom 29. April 1966 (BFH 86, 4, BStBl III 1966, 360) entschieden, daß die (im vorliegenden Verfahren beanstandeten) §§ 1 Abs. 2, 3a Abs. 1 BewDV a. F. rechtsgültig erlassen, formell gültig geblieben sind und nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. An dieser Auffassung hält der Senat fest.
Die Bezugnahme der Steuerpflichtigen auf ein beim BFH anhängiges Verfahren, in dem das Problem zur Erörterung stand, ob Nominalzinsen zur Einkommensteuer heranzuziehen oder als Ausgleich der schwindenden Kaufkraft des Geldes ganz oder zum Teil anzusehen sind, ändert hieran nichts. Der IV. Senat des BFH hat dies inzwischen im Urteil IV 300/64 vom 27. Juli 1967 (BFH 89, 422, BStBl III 1967, 690) abgelehnt und entschieden, daß die Besteuerung der Zinsen als Einkünfte aus Kapitalvermögen mit dem GG vereinbar ist. Die bisher eingetretene Geldentwertung kann danach bei der Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht durch einen Abschlag vom Nennbetrag der Kapitalzinsen berücksichtigt werden. Der erkennende Senat tritt der Beurteilung bei, daß das Nominalprinzip ("D-Mark = D-Mark") zur Zeit mit Verfassungsgrundsätzen nicht unvereinbar ist.
Da der Senat die genannten Bestimmungen des BewG und des VStG in der damaligen Fassung nicht für verfassungswidrig hält, entfällt der Antrag der Steuerpflichtigen, das Verfahren nach Art. 100 GG auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen, oder ganz allgemein nach § 74 FGO auszusetzen.
Ein Steuergericht braucht sein Verfahren nicht auszusetzen, wenn es ein Steuergesetz für gültig hält, dessen Unvereinbarkeit mit dem GG in Verfassungsbeschwerden über ähnliche oder gleiche Rechtsfragen geltend gemacht ist (BFH-Urteil IV 264/65 vom 29. Juli 1966, BFH 86, 671, BStBl III 1966, 629 und die dort angeführten weiteren Entscheidungen). Infolgedessen bestand weder für das FG, noch besteht für den BFH Veranlassung zur beantragten Aussetzung. Anders kann es sein bei anhängigen abstrakten Normenkontrollverfahren (Art. 93 Abs. 1 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 6 und 76 BVerfGG; vgl. BFH-Beschluß II B 8/67 vom 1. August 1967, BFH 89, 178, BStBl III 1967, 562). Dieser Fall ist jedoch nicht gegeben.
Ein Ruhen des Verfahrens kommt ebenfalls nicht in Frage. Das Ruhen des Verfahrens ist ein Sonderfall der Aussetzung. Er wurde in der FGO nicht besonders geregelt. Die Anwendung des § 251 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO setzt insbesondere einen dahingehenden Antrag beider Parteien voraus. Dieses Erfordernis ist im Streitfall nicht erfüllt.
Außer den grundsätzlichen Beanstandungen wegen Verstoßes gegen das GG haben die Revisionskläger mit der Revision keine Rechtsverletzung geltend gemacht und keine Verfahrensmängel gerügt. Es bleibt somit bei der Vorentscheidung, die dem Gesetz entspricht.
Fundstellen
Haufe-Index 412875 |
BStBl II 1968, 302 |
BFHE 1968, 261 |