Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage an den EuGH; Europäische Gemeinschaft: Vorlageberechtigung des FG, keine Nachprüfung durch BFH, Vorlageberechtigung und Bindungswirkung nach § 126 Abs.5 FGO im zweiten Rechtsgang, Vorlageverpflichtung des BFH, zolltariflicher Begriff "Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen" - Zolltarifsache im zweiten Rechtsgang
Leitsatz (amtlich)
1. Es steht dem FG frei, ob es zu einer entscheidungserheblichen Auslegungsfrage des Gemeinschaftsrechts eine Vorabentscheidung des EuGH einholt oder davon absieht. Die Entscheidung des FG darüber wird vom BFH nicht überprüft. Dies gilt auch für die Erwägungen und Gründe, die das FG veranlaßt haben, von der Einholung einer Vorabentscheidung abzusehen.
2. Zur Frage des Verhältnisses der Bindungsregelung nach § 126 Abs.5 FGO zur Vorlageberechtigung des FG nach Art.177 Abs.2 EGV.
3. Zur Frage der Vorlageverpflichtung des BFH nach Art.177 Abs.3 EGV, wenn gegen eine feste Rechtsprechung zu einer Zolltariffrage (hier: sog. Annoncenzeitungen als Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen) lediglich neu vorgebracht wird, der EuGH habe zum Begriff "Werbung" im Rahmen der Richtlinie 77/388/EWG abweichend entschieden.
Orientierungssatz
1. Zweck des § 126 Abs.5 FGO ist es zu verhindern, daß die endgültige Entscheidung der Sache dadurch verzögert oder gar verhindert wird, daß sie zwischen Vorinstanz und Revisionsgericht hingeschoben und hergeschoben wird (vgl. Beschluß des GmS-OGB vom 6.2.1973 GmS-OGB 1/72).
2. Stellte sich eine Sache im ersten Rechtsgang als Zolltarifsache dar, gilt dies auch für den zweiten Rechtsgang. Dabei ist ohne Bedeutung, daß der Senat in seinem zurückverweisenden Urteil die entscheidungserheblichen zolltariflichen Fragen bereits grundsätzlich geklärt hat und das FG im zweiten Rechtsgang, ausgehend von diesen Grundsätzen, aufgrund seiner Feststellungen und Würdigungen erneut eine Einordnung in das Zolltarifschema vorgenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 11.10.1994 V R 139/93). Eine Zulassung der Revision durch das FG wegen angeblich grundsätzlicher Bedeutung der Sache geht ins Leere.
Normenkette
EGVtr Art. 177 Abs. 2-3; FGO § 116 Abs. 2, § 126 Abs. 5, § 115 Abs. 2 Nr. 1; UStG 1980 § 12 Abs. 2 Nr. 1 Anl 1 Nr. 43 Buchst. b; UStG 1980 Anl 1 Nr. 43 Buchst. b; GZT Tarifnr 49.11 Tarifst B; GZT Kap 49 Vorschr. 4; EWGRL 388/77 Art. 13 Teil B Buchst. F
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt eine sog. Annoncenzeitschrift heraus. Die Zeitschrift besteht nahezu ausschließlich aus Anzeigen für den An- und Verkauf von Waren, Stellenanzeigen u.ä., die ihrer Art nach in Rubriken gegliedert sind. Die Auftraggeber sind Gewerbetreibende, die hierfür ein Entgelt bezahlen müssen, und Privatpersonen, deren Anzeigen kostenlos aufgenommen werden. Es überwiegen Anzeigen, die auf Zahlung eines Entgelts ausgerichtet sind. Die privaten Kleinanzeigen überwiegen die gewerblich/geschäftlichen Anzeigen. In geringem Umfang enthält die Zeitschrift verstreut unter den Anzeigen auch andere Informationen, z.B. über Gesundheit, Urlaub, Auto, Interviews, Verbrauchermitteilungen, Kfz-Informationen und Fernsehprogramme. Die Zeitschrift kostet etwa 2 DM.
Entgegen den Anmeldungen der Klägerin (ermäßigter Umsatzsteuersatz von 7 %) setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) in den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1986 und 1987 einen Umsatzsteuersatz von 14 % an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) sah die Zeitschrift als Annoncenblatt, das überwiegend Werbezwecken dient, der Nr.49.11 des Zolltarifs (ZT) an und schloß damit die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nach Nr.43 b der Anlage zu § 12 Abs.2 Nr.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 (periodische Druckschriften aus Nr.49.O2 ZT) aus.
Auf die Revision der Klägerin hat der erkennende Senat mit Urteil vom 17. August 1993 VII R 34/93 (BFH/NV 1994, 433), auf das wegen der näheren Einzelheiten verwiesen wird, die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben, weil darin entgegen der Rechtsprechung des Senats auch Suchanzeigen von Privaten unzulässigerweise als zu Werbezwecken dienend angesehen worden sind, und die Sache an das FG zur Nachholung entsprechender Feststellungen nach Maßgabe folgender Rechtsauffassung des Senats zurückverwiesen: "Ob Werbezwecke überwiegen, ist nach der Beschaffenheit und der erkennbaren Zweckbestimmung der Druckschrift zu beurteilen.... Werbezwecke werden mit der Geschäftswerbung (einschließlich etwaiger Eigenwerbung) sowie mit privaten Kleinanzeigen, die Verkaufs- oder ähnliche Angebote enthalten, verfolgt, nicht aber mit Suchanzeigen. Das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text ist nicht unmittelbar maßgebend. Ergibt sich etwa aus der Aufmachung, dem Inhalt oder auch dem Herausgabezweck der Druckschrift, daß die Werbung im Vordergrund steht, so würde selbst ein nennenswerter Anteil von Suchanzeigen den Werbecharakter nicht entfallen lassen. Bei Zweifeln kann indessen auch das Raumverhältnis bei der Beurteilung von Beschaffenheit oder Zweck der Schrift herangezogen werden."
Nachdem die Klägerin den nach Durchführung einer Außenprüfung geänderten Umsatzsteuerbescheid 1987 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens gemacht hatte, wies das FG im zweiten Rechtsgang auf der Grundlage der Vorgaben des erkennenden Senats die Klage ab. Die von der Klägerin herausgegebenen Zeitschriften stellten nach Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck Druckschriften mit überwiegender Werbung dar; zudem überwiege auch nach dem Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text der werbende Teil. Im einzelnen sei gemäß § 105 Abs.5 FGO der Begründung der Einspruchsentscheidung zu folgen.
Einer Anregung der Klägerin, eine Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Auslegung des Begriffs "Werbezwecke" i.S. der Vorschrift 4 zu Kap.49 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) einzuholen, folgte das FG nicht. Es hielt sich auch insoweit bereits durch § 126 Abs.5 FGO an die rechtliche Beurteilung des erkennenden Senats gebunden. Diese Bindungswirkung gehe im zweiten Rechtsgang der Vorlagemöglichkeit nach Art.177 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) vor. Die Frage nach der Ausübung des gemäß Art.177 EWGV eingeräumten Vorlageermessens stelle sich daher nicht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf das insoweit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1995, 378 abgedruckte Urteil der Vorinstanz verwiesen.
Mit ihrer Revision gegen das vom FG im zweiten Rechtsgang gefällte Urteil rügt die Klägerin in erster Linie die Verletzung des § 126 Abs.5 FGO in seinem Verhältnis zu Art.177 Abs.2 EWGV. Der EuGH habe in zwei Sachen (Urteile vom 16. Januar 1974 Rs.166/73 --Rheinmühlen I--, EuGHE 1974, 33, und vom 12. Februar 1974 Rs.146/73 --Rheinmühlen II--, EuGHE 1974, 139) bereits ausdrücklich entschieden, daß die Vorlagemöglichkeit nach Art.177 Abs.2 EWGV einer etwaigen Bindungswirkung nach § 126 Abs.5 FGO vorgehe. Schon aus diesem Grund sei die abweichende Rechtsauffassung des FG nicht haltbar; entsprechend müsse das angefochtene Urteil aufgehoben werden und die Sache erneut an das FG zur Ausübung des diesem nach Art.177 Abs.2 EWGV eingeräumten Vorlageermessens zurückverwiesen werden.
Halte der Senat die Sache für entscheidungsreif, so müsse er selbst als letztinstanzliches Gericht --ohne Bindung an sein im ersten Rechtszug erlassenes Urteil-- die gestellten Rechtsfragen dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen. Der Sache nach gehe es um die Auslegung des GZT, nämlich um die authentische Interpretation des Begriffs "zu Werbezwecken dienen" in Vorschrift 4 zu Kap.49 GZT. Im vorliegenden Rechtsstreit seien diesbezüglich zwei Rechtsfragen entscheidungserheblich, nämlich ob Annoncenzeitungen, die überwiegend dem Inserat von Kleinanzeigen durch nichtgewerblich tätige Privatleute dienten, unter Tarifnr.49.01 GZT --so die Klägerin-- oder unter Tarifnr.49.11 GZT --so der Senat-- fielen, und ob Zeitschriften, die überwiegend Kleinanzeigen enthielten, überhaupt Werbezwecken i.S. der Vorschrift 4 zu Kap.49 GZT dienten. Da der EuGH über diese Rechtsfragen noch nicht entschieden habe und deren Beantwortung auch nicht so offenkundig sei, daß für einen vernünftigen Zweifel kein Raum sei, sei eine Vorlagepflicht des erkennenden Senats gegeben. Dies gelte um so mehr, nachdem der EuGH mit Urteil vom 17. November 1993 Rs.C-68/92 --Kommission/Frankreich-- (Recht der Internationalen Wirtschaft --RIW-- 1994, 167 = Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1995, 353) zu Art.9 Abs.2 Buchst.e der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) entschieden habe, daß der Begriff der Werbung zwingend "die Verbreitung einer Botschaft" umfasse, "durch die Verbraucher über die Existenz und die Eigenschaften eines Erzeugnisses oder einer Dienstleistung informiert werden sollen, um die Verkaufszahlen zu erhöhen", Werbung also letztlich nur von einem Geschäftsmann betrieben werden könne.
Entscheidungsgründe
II. 1. Die Revision ist gemäß § 116 Abs.2 FGO zulassungsfrei statthaft, weil das FG, wie der Senat in seinem Urteil im ersten Rechtsgang mit eingehender Begründung entschieden hat, in einer Zolltarifsache erkannt hat. Stellte sich die Sache im ersten Rechtsgang als Zolltarifsache dar, so gilt dies auch für den zweiten Rechtsgang. Dabei ist ohne Bedeutung, daß der Senat in seinem zurückverweisenden Urteil die entscheidungserheblichen zolltariflichen Fragen bereits grundsätzlich geklärt hat und das FG im zweiten Rechtsgang, ausgehend von diesen Grundsätzen, aufgrund seiner Feststellungen und Würdigungen erneut eine Einordnung in das Zolltarifschema vorgenommen hat (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 11. Oktober 1994 V R 139/93, BFH/NV 1995, 933). Es ist nicht ersichtlich, daß sich die Natur der Streitsache im zweiten Rechtsgang verändert haben könnte. Die Zulassung der Revision durch das FG wegen angeblich grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 FGO geht daher ins Leere.
2. Die Revision ist nicht begründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO).
a) Das FG hat auf der Grundlage der Vorgaben des erkennenden Senats im ersten Rechtsgang unter zulässiger Verweisung auf die vom FA in der angefochtenen Einspruchsentscheidung gegebene Begründung festgestellt, daß sich die von der Klägerin herausgegebenen Zeitschriften auch unter Berücksichtigung der nicht zu Werbezwecken dienenden Suchanzeigen von Privaten sowohl nach Aufmachung, Inhalt und Herausgabezweck als auch nach dem Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text als Druckschriften mit überwiegender Werbung darstellen, und daraus gefolgert, daß diese Schriften als zur Tarifst.49.11 B GZT gehörig nicht in den Genuß des ermäßigten Umsatzsteuersatzes kommen können. Der Senat ist an die in diesen Ausführungen enthaltenen tatsächlichen Feststellungen des FG, gegen die die Klägerin keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat, gemäß § 118 Abs.2 FGO gebunden. Die vom FG gezogenen Folgerungen --Zuweisung der Druckschriften zur Tarifst.49 11 B GZT und damit Ausschluß des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nach Nr.43 b der Anlage zu § 12 Abs.2 Nr.1 UStG 1980-- sind rechtlich einwandfrei.
b) Die Vorentscheidung ist auch nicht etwa deshalb rechtsfehlerhaft, weil das FG es abgelehnt hat, eine Vorabentscheidung des EuGH zu den von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen einzuholen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zu Art.177 Abs.2 und Abs.3 EWGV ist das FG als nichtletztinstanzliches Gericht zur Vorlage an den EuGH nicht verpflichtet (Art.177 Abs.3 EWGV), sondern nur dazu befugt (Art.177 Abs.2 EWGV). Unterläßt das FG die Einholung einer Vorabentscheidung zur Auslegung des maßgebenden Gemeinschaftsrechts, so liegt darin weder ein Verstoß gegen Verfahrensrecht noch wird ein Beteiligter dadurch seinem gesetzlichen Richter (Art.101 Abs.1 Satz 2 des Grundgesetzes --GG--) entzogen (Senatsbeschlüsse vom 3. Februar 1987 VII B 129/86, BFHE 148, 489, BStBl II 1987, 305; vom 25. Juni 1991 VII B 33/91, BFH/NV 1992, 286). Dies gilt selbst dann, wenn sich für das FG Zweifel hinsichtlich der Auslegung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts ergeben konnten (Senatsbeschluß vom 2. Juni 1992 VII R 63/91, BFH/NV 1993, 70). Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für den im Streitfall einschlägigen gleichlautenden Art.177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV), der durch den Vertrag über die Europäische Union vom 7. Februar 1992 (BGBl II 1992, 1253) mit Wirkung ab 1. November 1993 an die Stelle des Art.177 EWGV getreten ist (Senatsbeschluß vom 15. Februar 1995 VII B 100/94, BFH/NV 1995, 829). Sie wird auch vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) geteilt (BVerfG-Beschluß vom 31. Mai 1990 2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159, 196; s. auch Beschluß vom 19. Februar 1993 2 BvR 1753/89, HFR 1993, 409).
Hiernach steht es, jedenfalls was die Auslegung von Gemeinschaftsrecht anbelangt, grundsätzlich zur freien Entscheidung des FG, ob es zu einer solchen für seine Entscheidung erheblichen Auslegungsfrage eine Vorabentscheidung des EuGH einholt oder davon absieht (vgl. Rengeling, Rechtsschutz in der Europäischen Union, 1994, Rz.377, 378). Art.177 Abs.2 EGV gewährt den nichtletztinstanzlichen Gerichten insoweit ein echtes Wahlrecht hinsichtlich der Rechtsfolge. Entsprechend wird die Ausübung dieses Wahlrechts durch das FG vom BFH in keiner Weise nachgeprüft. Der BFH überprüft vor allem nicht die Erwägungen und Gründe, die das FG veranlaßt haben, von der Einholung einer Vorabentscheidung abzusehen, wie er auch nicht die Berechtigung der Gründe prüft, derentwegen das FG dem EuGH eine Auslegungsfrage zur Entscheidung vorgelegt hat, mit der Folge, daß die Beschwerde gegen einen Vorlagebeschluß des FG nicht zugelassen wird (Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 1981 VII B 56/80, BFHE 132, 217, BStBl II 1981, 324, und vom 25. Juli 1995 VII B 96/95, BFH/NV 1996, 163).
Danach war es rechtmäßig, daß der Senat im ersten Rechtsgang nicht die Gründe geprüft hat, die das Instanzgericht dazu veranlaßt haben, dem EuGH eine auf das Gemeinschaftsrecht bezogene Auslegungsfrage nicht vorzulegen. Für den zweiten Rechtsgang können insoweit keine strengeren Anforderungen gestellt werden. Weder die Nichtvorlage durch das FG im ersten Rechtsgang noch die im zweiten Rechtsgang ist als Verstoß gegen Art.177 EGV und mithin auch nicht als Verfahrensfehler zu beurteilen. Die vom FG hierfür gegebene Begründung --Berufung auf die Bindungswirkung des § 126 Abs.5 FGO-- ist dabei ohne Bedeutung. Entscheidend ist, daß das FG nach Art.177 EGV rechtsfehlerfrei den EuGH nicht eingeschaltet hat, womit auch ein Verstoß gegen § 126 Abs.5 FGO (vgl. BFH-Beschluß vom 21. September 1993 V B 37/93, BFH/NV 1995, 395, m.w.N.), von vornherein ausscheidet.
c) Als nicht entscheidungserheblich erweist sich demnach die Frage, ob die Bindungsregelung nach § 126 Abs.5 FGO --ein allgemeiner Grundsatz des deutschen Verfahrensrechts (Senatsurteil vom 8. November 1983 VII R 141/82, BFHE 140, 11, BStBl II 1984, 317)-- der Vorlageberechtigung des FG nach Art.177 Abs.2 EGV zu weichen hat.
In BFHE 140, 11, BStBl II 1984, 317 hat der Senat für den Fall daß er selbst im ersten Rechtsgang über den Inhalt des Gemeinschaftsrechts entschieden hat, befunden, daß das FG im zweiten Rechtsgang nach § 126 Abs.5 FGO an diese Auffassung gebunden sei, auch wenn es Gründe gehabt hätte, sie für unzutreffend zu halten. Hingegen hat der Senat die Frage ausdrücklich offengelassen, ob das FG auch dann gegen § 126 Abs.5 FGO verstoßen hätte, wenn es trotz der Vorgaben des BFH eine Vorabentscheidung des EuGH eingeholt hätte. Dies hat jetzt die Vorentscheidung mit der Begründung bejaht, der Bindungswirkung nach § 126 Abs.5 FGO unterlägen verfassungsrechtliche wie auch gemeinschaftsrechtliche Vorfragen selbst dann, wenn diese --aus welchen Gründen auch immer-- in die Revisionsentscheidung im ersten Rechtsgang nicht ausdrücklich und unmittelbar Eingang gefunden hätten. Die beiden entgegenstehenden Entscheidungen des EuGH in EuGHE 1974, 33 und 139, die einen Vorrang des Art.177 Abs.2 EGV gegenüber § 126 Abs.5 FGO postulierten, hielten sich nicht im Rahmen der dem EuGH gezogenen Grenzen, die Entscheidungen zu nationalem Prozeßrecht nicht zuließen (ähnlich Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., 1993, § 126 Rz.17).
Die Vorentscheidung hat im Schrifttum, soweit ersichtlich, ausnahmslos Kritik gefunden (vgl. Reiche, Kompetenzwidrige EuGH-Rechtsprechung zu Art.177 II EGV?, Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1995, 569; Dautzenberg, RIW 1995, 519; s. auch Meilicke, Zum Verhältnis zwischen Selbstbindung des Revisionsgerichts und gemeinschaftsrechtlicher Vorlagepflicht, RIW 1994, 477). Demgegenüber verweist der Senat --ohne abschließende Stellungnahme-- auf das EuGH-Urteil vom 14. Dezember 1995 Rs.C-312/93 --Peterbroeck-- (noch nicht veröffentlicht), in dem der Gerichtshof, obschon unter Hinweis auf seine Entscheidung in EuGHE 1974, 33, einen neuen Ansatz zur Frage des Verhältnisses nationaler Verfahrensvorschriften zu Art.177 EGV erkennen läßt. Danach "ist jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Gemeinschaftsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z.B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens" (Abs.14 der Gründe). Hiernach erscheint es dem Senat zwar nicht ausgeschlossen, daß der EuGH auf eine erneute Vorlage hin die Frage des Verhältnisses von § 126 Abs.5 FGO zu Art.177 EGV in einem anderen Licht sehen könnte. Im Streitfall bedarf es indessen einer Vorlage dazu nicht, weil die Frage, wie ausgeführt, hier deswegen nicht entscheidungserheblich ist, weil es auf die Gründe, weswegen das FG von einer Vorlage an den EuGH abgesehen hat, für die Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils aufgrund der Revision nicht ankommt.
d) Selbst wenn mit der Klägerin davon auszugehen wäre, daß das FG die Tragweite der Bindungswirkung nach § 126 Abs.5 FGO im Verhältnis zu Art.177 Abs.2 EGV verkannt hat, und dies als materiell-rechtlicher Fehler zu beurteilen wäre (vgl. etwa Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz.30), könnte dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Davon unberührt bliebe nämlich, daß das FG, wie ausgeführt, nicht zur Vorlage an den EuGH verpflichtet war. Im übrigen besteht auch aus prozeßökonomischen Gründen kein schützenswertes Interesse der Klägerin an einer Vorlage gerade durch das FG. Zweck des § 126 Abs.5 FGO ist es zu verhindern, daß die endgültige Entscheidung der Sache dadurch verzögert oder gar verhindert wird, daß sie zwischen Vorinstanz und Revisionsgericht hin- und hergeschoben wird (BGHZ 60, 392, 396).
3. Der erkennende Senat ist in Anwendung der Grundsätze des EuGH-Urteils vom 6. Oktober 1982 Rs.238/81 --C.I.L.F.I.T.-- (EuGHE 1982, 3415) nicht nach Art.177 Abs.3 EGV zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH bezüglich der von der Revision im zweiten Rechtsgang gestellten Fragen zur Auslegung des GZT verpflichtet.
Der Senat hat in fester Rechtsprechung mit eingehender Begründung die Auffassung vertreten, daß sog. Annoncenzeitungen, auch wenn sie überwiegend Kleinanzeigen in der Form von Verkaufsanzeigen durch nichtgewerblich tätige Privatleute enthalten, in die Tarifst.49.11 GZT einzureihen sind, weil auch die nichtgeschäftliche private Werbung von der zweiten Alternative der Vorschrift 4 zu Kap.49 GZT ("Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen") erfaßt wird (Senatsurteile vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, 81, BStBl II 1990, 761; vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/NV 1991, 779; sowie das zurückverweisende Urteil im ersten Rechtsgang in BFH/NV 1994, 433). Dabei ist der Senat, auch wenn er das nicht ausdrücklich zum Ausdruck gebracht hat, da die Entscheidungen unmittelbar lediglich zu einer Vorschrift des nationalen Rechts (Nr.43 b der Anlage zu § 12 Abs.2 Nr.1 UStG 1980) ergangen sind, stets davon ausgegangen, daß die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts in diesen Fällen derart offenkundig war, daß keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel an der richtigen Anwendung des gemeinschaftlichen Zolltarifrechts blieb, und infolgedessen der Senat davon überzeugt war, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und für den EuGH die gleiche Gewißheit bestünde. Inzwischen hat sich der V.Senat des BFH unter ausdrücklicher Hervorhebung der Offenkundigkeit der richtigen Rechtsanwendung hierbei dieser Rechtsprechung angeschlossen (BFH/NV 1995, 933).
Die Klägerin hat --auch-- mit ihrer Revision im zweiten Rechtsgang keine entscheidungserheblichen Argumente vorgebracht, die der Senat nicht schon bei seinen früheren Entscheidungen einer eingehenden Überprüfung unterzogen hätte. Das gilt insbesondere auch hinsichtlich der von der Klägerin beigebrachten Privatgutachten, die dem Senat bereits im ersten Rechtsgang vorlagen.
Nicht einbezogen in die bisherigen Entscheidungen des Senats ist zwar das von der Klägerin benannte und jedenfalls auch im Hinblick auf die mögliche Selbstbindung des Revisionsgerichts (s. dazu Gräber/Ruban, a.a.O., § 126 Rz.24) im zweiten Rechtsgang grundsätzlich berücksichtigungsfähige, erst nach Erlaß der Revisionsentscheidung im ersten Rechtsgang ergangene EuGH-Urteil in HFR 1995, 353. Dort hat indessen der EuGH lediglich im Rahmen der Bestimmung des Ortes, an dem nach dem gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystem eine Dienstleistung erbracht wird, zu dem Begriff "Leistungen auf dem Gebiet der Werbung" i.S. des Art.9 Abs.2 Buchst.e der Richtlinie 77/388/EWG entschieden. Daß der EuGH dabei naturgemäß nur von Unternehmern spricht, die solche Dienstleistungen auf dem Gebiet der Werbung erbringen, ist durch die Einbettung der Problematik in das Mehrwertsteuersystem vorgegeben. Keineswegs darf diese Entscheidung des EuGH aber verallgemeinert und auf andere Rechtsgebiete übertragen werden. Das gilt in besonderem Maße für das gemeinschaftliche Zolltarifrecht, das eigenen Regeln und Gesetzen unterliegt (vgl. etwa Abs.14 und 15 des EuGH-Urteils vom 9. August 1994 Rs.C-393/93 --Stanner--, EuGHE 1994, I-4011). So wie es der besondere Charakter des ZT verbietet, aus einer für andere Waren getroffenen Regelung Analogie- oder Gegenschlüsse zu ziehen (BFH-Urteil vom 6. Juli 1993 VII K 17/92, BFH/NV 1994, 426), so verbietet es sich erst recht, die Auslegung der zolltariflichen Vorschriften maßgebend an der Auslegung außerzolltariflichen Rechts zu orientieren. Wie der Begriff "Werbung" außerhalb des Zolltarifrechts verstanden wird, ist daher für die Auslegung der Vorschrift 4 zu Kap.49 GZT nicht maßgeblich.
Fundstellen
Haufe-Index 66039 |
BFH/NV 1996, 306 |
BFHE 180, 231 |
BFHE 1997, 231 |
BB 1996, 1654 |
BB 1996, 1974 |
BB 1996, 1974-1976 (LT) |
DStR 1996, 1245 (KT) |
DStZ 1996, 606-607 (KT) |
HFR 1996, 667-668 (L) |
StE 1996, 515 (K) |