Leitsatz (amtlich)
1. Sind bürgerlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Eigentümer einer hergestellten oder angeschafften Sache nicht dieselben Personen, so ist die Investitionszulage dem wirtschaftlichen Eigentümer zu gewähren.
2. Der Mieter einer Sache ist als deren wirtschaftlicher Eigentümer anzusehen, wenn die für beide Vertragspartner unkündbare Mietdauer so bemessen ist, daß nach deren Ablauf die Mietsache technisch oder wirtschaftlich abgenutzt ist (Anschluß an BFHE 78, 107).
Normenkette
BerlinFG § 19; StAnpG § 11
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) stellt elektroakustische Alarmanlagen her, die in die Gewerberäume fremder Unternehmer eingebaut und diesen Unternehmern zur Nutzung überlassen werden. Die Sicherungsanlagen bestehen aus serienmäßig hergestellten Einzelteilen, wie aus Batterien, einem Zentralschaltgerät, einer Zeitschaltung, einer Notstromversorgung, einem Passierschloß sowie aus optischen und akustischen Signalen. Diese Teile werden nach den Bedürfnissen des jeweiligen Auftraggebers zu einer Sicherungsanlage zusammengestellt. Sie sind durch Drähte miteinander verbunden, die unter Strom stehen. Drähte und Anlagenteile sind mit Dübeln an den Wänden der gesicherten Räume befestigt.
Die Klägerin schließt mit ihren Auftraggebern vorbereitete Verträge ab, die als Mietverträge bezeichnet werden. Diese Verträge sind für fünf Jahre von beiden Seiten unkündbar. Nach Ablauf dieser fünf Jahre verlängert sich der Vertrag jeweils um ein Jahr, falls er nicht vorher mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten gekündigt wird. Außerdem besteht die Möglichkeit der fristlosen Kündigung, wenn der Auftraggeber mit der Miete länger als drei Monate rückständig ist, gegen ihn das Konkursverfahren oder das Vergleichsverfahren eröffnet wird oder wenn er seinen Betrieb einstellt. Die Klägerin hat aufgrund des Vertrages die Sicherungsanlage zu warten und alle Störungen unverzüglich kostenlos zu beseitigen, die durch natürliche Abnutzung und ordnungsmäßigen Gebrauch entstehen.
Die Auftraggeber der Klägerin verpflichten sich, einen einmaligen Baukostenzuschuß und eine monatliche Mietgebühr (Wartungsgebühr) zu zahlen. Die Höhe des Baukostenzuschusses hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; sie übersteigt bisweilen die Herstellungskosten der Anlage. Die Höhe der monatlichen Mietgebühr bleibt unverändert, auch wenn der Vertrag über die zunächst vorgesehene Vertragsdauer von fünf Jahren hinaus verlängert wird. Der Auftraggeber hat über den Baukostenzuschuß und die monatlichen Mietzahlungen hinaus die Kosten für Batterien und Materialersatz, Veränderungen, Erweiterungen und Demontage sowie für Beseitigung außerordentlicher Schäden zu tragen.
Nach den Verträgen behält sich die Klägerin das Eigentum an den bei ihren Auftraggebern eingebauten Alarmanlagen vor. Die Gefahr des Verlustes oder der Beschädigung der Anlage trägt jedoch ab Beginn der Herstellungsarbeiten der Auftraggeber.
Die Klägerin hat für das Jahr 1972 für die Herstellung von Alarmanlagen, deren Kosten im Einzelfall über 800 DM liegen, aus Herstellungskosten von insgesamt X DM eine Investitionszulage von 10 v. H. beantragt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Investitionszulage 1972 auf null DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch hat auf die Klage das Finanzgericht (FG) der Klägerin die Investitionszulage zugesprochen.
Das FA vertritt mit seiner Revision die Auffassung, zulageberechtigt sei nur der wirtschaftliche Eigentümer der angeschafften Wirtschaftsgüter. Die von der Klägerin hergestellten Alarmanlagen gingen aber entgegen der Auffassung des FG in das wirtschaftliche Eigentum des Auftraggebers über.
Nach den Feststellungen des FG übersteige die wirtschaftliche Nutzungsdauer der Anlage die unkündbare Grundmietzeit von fünf Jahren nicht. Damit sei die Klägerin als bürgerlich-rechtliche Eigentümerin der Anlage von der Einwirkung auf die Anlage praktisch auf Dauer ausgeschlossen, weil ihrem Herausgabeanspruch kein wirtschaftlicher Wert beizumessen sei.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
1. Nach § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in der für den Streitfall maßgebenden Fassung vom 29. Oktober 1970 (BGBl I 1970, 1482, BStBl I 1970, 1016) erhalten Unternehmer i. S. des § 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG), die in Berlin (West) einen Betrieb oder eine Betriebstätte haben, u. a. für die Anschaffung oder Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eine Investitionszulage in Höhe von 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Die Klägerin erfüllt die subjektiven Voraussetzungen für die Gewährung einer Investitionszulage, denn sie ist ein in Berlin ansässiges Unternehmen i. S. des § 2 UStG. Zulageberechtigt ist grundsätzlich der Investor, der bürgerlich-rechtlicher Eigentümer der angeschafften oder hergestellten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist. Fallen bürgerlich-rechtliches Eigentum und wirtschaftliches Eigentum auseinander, so ist zulageberechtigter Investor derjenige, der wirtschaftliches Eigentum an diesen Wirtschaftsgütern erwirbt (Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 19 BerlinFG, Rdnrn. 10 bis 12; Richter, Investitionszulagen, Kommentar, 2. Aufl., S. 55 Rdnr. 32).
2. Die von der Klägerin abgeschlossenen Verträge sind gemischte Verträge; denn sie verpflichten die Klägerin zur Errichtung der jeweiligen Alarmanlage, zur Überlassung dieser Anlage für wenigstens fünf Jahre und zur Wartung während der Vertragsdauer. Der Auftraggeber vergütet der Klägerin durch den Baukostenzuschuß regelmäßig die Herstellungskosten der Anlage. Er zahlt außerdem während der unkündbaren Vertragsdauer von fünf Jahren eine Wartungsgebühr, deren Höhe nur verständlich ist, wenn man sie nicht nur als Entgelt für die in der Wartung bestehenden Dienstleistungen, sondern im Zusammenhang mit einem angemessenen Verkaufspreis der Anlage betrachtet. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der durch die Wartung notwendig werdende Materialersatz grundsätzlich von den Auftraggebern der Klägerin gesondert zu ersetzen ist.
Die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Vertrags ist eine andere als die einer Miete der Alarmanlage. Ein Mietvertrag ist auf den zeitlich begrenzten Gebrauch einer Sache gegen Zahlung eines angemessenen Mietzinses gerichtet. Soll ein Vertrag als Mietvertrag angesehen werden, so müssen Mietzins, Mietdauer und Mietbedingungen auch bei wirtschaftlicher Betrachtung sich ausschließlich nach der bezweckten Gebrauchsüberlassung richten. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) mit dem sog. Gasflaschenurteil vom 25. Oktober 1963 IV 429/62 U (BFHE 78, 107, BStBl III 1964, 44) entschieden hat, ist dies nicht der Fall, wenn in einem als Mietvertrag bezeichneten Vertrag die Mietdauer so bemessen ist, daß bei ihrem Ablauf die Mietsache durch den Gebrauch technisch oder wirtschaftlich verbraucht ist und während des Vertragsverhältnisses praktisch keine Möglichkeit besteht, sie an den Vermieter zurückzugeben. Der Umstand, daß die jeweilige Anlage bei Ablauf der unkündbaren Dauer des "Mietverhältnisses" verbraucht ist, führt dazu, daß der Herausgabeanspruch der Klägerin wirtschaftlich wertlos ist. Dies hat aber zur Folge, daß die Auftraggeber die Klägerin trotz des Vorbehalts des bürgerlich-rechtlichen Eigentums für die Dauer der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit der Anlage davon ausschließen können, das Eigentum durch Herausgabe geltend zu machen. Die Vermietung ist demgemäß nur eine formal-rechtliche Gestaltung eines von Anfang an auf Veräußerung der Alarmanlagen gerichteten Rechtsgeschäfts; die Auftraggeber sind damit wirtschaftliche Eigentümer der Anlage i. S. des § 11 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG - (vgl. BFH-Entscheidung vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466 [483], BStBl II 1970, 264; vgl. auch § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Die Alarmanlagen sind ihnen für die Besteuerung und demgemäß auch für die Gewährung der Investitionszulage zuzurechnen (§ 19 Abs. 8 BerlinFG). Dem steht nicht entgegen, daß das Vertragsverhältnis bei Aufgabe des Gewerbebetriebs oder bei Insolvenz des Auftraggebers vorzeitig beendet werden kann. Denn diese Regelung entspricht einem Sicherungsbedürfnis der Klägerin gegen Zahlungsunfähigkeit ihrer Vertragspartner. Sie wird zudem nur in Ausnahmefällen wirksam.
3. Die Klägerin hat vorgetragen, das Gasflaschen-Urteil IV 429/62 U sei auf ihren Fall deshalb nicht anwendbar, weil die Gasflaschen des damaligen Streitfalles dem Produktionsprozeß der Mieter gedient hätten, während die von ihr eingerichteten Alarmanlagen lediglich die Sicherung von Räumen gegen Einbruch bezweckten. Dieser Einwand verkennt jedoch, daß es für die Beurteilung, ob wirtschaftliches Eigentum eines anderen als des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers gegeben ist, nicht darauf ankommt, welchen Gebrauch der andere von der ihm überlassenen Sache macht. Entscheidend ist allein, daß der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers wertlos ist, weil der Mieter die Sache aufgrund der Vertragsgestaltung bis zu ihrer vollständigen Abnutzung nicht herauszugeben braucht.
Auch der Einwand der Klägerin, daß sie den Schlüssel zum Zentralschaltgerät der Alarmanlage nicht aus der Hand gebe, so daß der Auftraggeber zum "Herzen" der Anlage keinen Zugang habe, rechtfertigt nicht eine andere Entscheidung. Denn es ist durchaus üblich, daß die Hersteller technischer insbesondere elektronischer Geräte, auch wenn diese Geräte verkauft werden, bestimmte Bauteile versiegeln oder unzugänglich machen, damit sichergestellt wird, daß bei Wartungen und Reparaturen das Know-how des Herstellers wirksam wird und daß die Geräte nicht durch unsachgemäße Eingriffe Dritter nachhaltig beschädigt werden.
4. Die Entscheidung des FG, die von einer anderen rechtlichen Beurteilung ausgeht, war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Aufgrund der gegebenen Rechtslage war die Klage abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Fundstellen
Haufe-Index 72808 |
BStBl II 1978, 507 |
BFHE 1979, 240 |