Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen gemäß § 82a EStDV 1974 ist nicht, daß die Räume, die modernisiert werden, bereits vor dem 1. Januar 1957 als Wohnung bestanden haben oder zu Wohnzwecken genutzt worden sind.
Normenkette
EStG 1974 § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q; EStDV 1974 § 82a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ließ in den Jahren ab 1972 an dem Gebäude. das ihm im Jahre 1971 von seiner Mutter überlassen worden war, umfangreiche Baumaßnahmen durchfuhren. Dadurch wurde -- nach seinen eigenen Angaben -- die Nutzung des Gebäudes geändert. und zwar dahingehend, daß das Gebäude ab Oktober 1974 nur mehr für Wohnzwecke genutzt wurde.
1. In der Einkommensteuererklarung für 1974 machte der Kläger für die Baumaßnahmen im Erdgeschoß und im 1. Obergeschoß Modernisierungsaufwand nach § 82a der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) geltend.
Im Einkommensteuerbescheid 1974 vom 18. Mai 1976 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. September 1976 erkannte der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) von den im Jahre 1974 angefallenen Kosten nur einen Teilbetrag als nach § 82a EStDV begünstigten Modernisierungsaufwand an, weil nur Aufwand in dieser Höhe auf die Modernisierung bereits bisher Wohnzwecken dienender Räume entfalle, während der Rest die Umgestaltung der bisher nicht zu Wohnzwekken genutzten Räume betreffe. Dem Begehren, 1/5 der Aufwendungen des Jahres 1972 gemäß § 82b EStDV als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen, gab das FA nicht statt, weil diese Aufwendungen in einem engen räumlichen, zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit Herstellungsaufwand stünden. Der Kläger habe eine Generalüberholung des Gebäudes durchgeführt. Das FA ließ lediglich 2 v. H. aus diesem Betrag gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum Abzug zu.
2. In der Einkommensteuererklärung für 1975 machte der Kläger für die Modernisierungsarbeiten dieses Jahres gemäß § 82a EStDV erhöhte Absetzungen geltend. Außerdem begehrte er -- wie 1974 -- den Werbungskostenabzug von 1/5 der Aufwendungen des Jahres 1972 sowie die erhöhten Absetzungen nach § 82a EStDV aus dem vollen Betrag der Modernisierungsaufwendungen des Jahres 1974.
Das FA erkannte im Einkommensteuerbescheid 1975 vom 16. März 1977 von den geltend gemachten Modernisierungsaufwendungen des Jahres 1975 einen Betrag von 6 198 DM deshalb nicht an, weil er auf bisher nicht zu Wohnzwecken genutzte Räume entfiel. Diese Aufwendungen sowie die Kosten für die erstmalige Anbringung von Jalousien an den Dachfenstern rechnete es zu den Herstellungskosten, die der Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG unterliegen. Die Modernisierungsaufwendungen aus dem Jahr 1974 sowie die vom Kläger als Erhaltungsaufwand geltend gemachten Aufwendungen des Jahres 1972 behandelte es wie bei der Veranlagung 1974.
3. Der Kläger erhob gegen die Einkommensteuerfestsetzungen 1974 und 1975 Klagen, die gemäß Beschluß des Finanzgerichts (FG) vom 22. Januar 1980 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden.
Das FG, dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 396 veröffentlicht ist, gab der Klage teilweise statt.
Im Streitfall habe es sich nach dem Gesamtbild der Verhältnisse um eine "einheitliche Baumaßnahme im Wesen einer Generalüberholung und Modernisierung des Hauses im ganzen und von Grund auf" und demgemäß auch bei den vom Kläger als Reparaturkosten geltend gemachten Aufwendungen des Jahres 1972 um Herstellungskosten gehandelt. Die Baumaßnahmen 1972 bis 1975 seien als eine einheitliche Maßnahme im Sinne einer Generalüberholung und zur künftig besseren und intensiveren Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken anzusehen. Der Kläger habe selbst ausgeführt, daß 1972 begonnen worden sei, das Gebäude vom Keller bis zum Dach zu renovieren. Es habe sich dabei nicht nur um Aufwendungen zur Erhaltung des Gebäudes in einem ordnungsmäßigen Zustand oder zum Zwecke einer üblichen Modernisierung gehandelt.
Die Klage sei aber insoweit begründet, als das FA die erhöhten Absetzungen nach § 82a EStDV für den Teil der Modernisierungsaufwendungen der Jahre 1974 und 1975 nicht anerkannt habe, der auf die Umgestaltung der bisher für die Arztpraxis und für gewerbliche Zwecke verwendeten Räume in Wohnräume entfalle.
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 22. Mai 1980 -- eingegangen beim FG am 28. Mai 1980 -- Revision eingelegt und dabei ausgeführt, die Revision des Klägers richte sich gegen die Auslegung des § 9 EStG durch FA und FG. Nach Auffassung des Klägers seien die streitigen Kosten in Herstellungskosten und Erhaltungsaufwand aufteilbar, da sie nicht im räumlichen Zusammenhang angefallen seien. Mit dem am 25. Juli 1980 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz vom 23. Juli 1980 begründete der Kläger die Revision.
Er beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer 1974 und 1975 auf null DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision des Klägers als unbegründet zurückzuweisen.
In seiner eigenen Revision beantragt das FA, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unzulässig.
Die Revision ist bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision (§ 115 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger hat seine Revision nicht fristgerecht begründet. Zu der nach § 120 Abs. 2 FGO erforderlichen Begründung einer Revision gehört es, daß der Revisionskläger sich zumindest kurz, und zwar unter Überprüfung seines eigenen Standpunkts, mit der Begründung des angefochtenen Urteils auseinandersetzt. Der dem FG am 28. Mai 1980 zugegangene Revisionsschriftsatz enthält keine Revisionsbegründung in diesem Sinne. Der Kläger hat nur seine von der Vorinstanz abweichende Rechtsmeinung in einem Satz kundgetan, ohne irgendwelche Gründe anzugeben, inwieweit die Rechtsauffassung des FG falsch oder fehlerhaft auf den Sachverhalt angewendet worden sei. Die dem BFH am 25. Juli 1980 zugegangene Revisionsbegründung ist erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen. Darauf, daß auch der Revisionsantrag nicht rechtzeitig gestellt wurde, kam es unter diesen Umständen nicht an.
III.
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Das FG ist bei seiner Entscheidung von der Rechtsauffassung ausgegangen, daß, wenn Baumaßnahmen teils Erhaltungsaufwand, teils Herstellungsaufwand seien, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse entschieden werden müsse, ob eine einheitliche Baumaßnahme im Sinne einer Generalüberholung oder Modernisierung vorliege, und ferner, daß die Begünstigung gemäß § 82a EStDV in den in den Veranlagungszeiträumen 1974 und 1975 geltenden Fassungen auch dann zu gewähren sei, wenn die Räume, die modernisiert werden, zuvor durch Vermietung und Verpachtung an Gewerbetreibende oder Freiberufler (Arztpraxis) und insoweit nicht als Wohnräume genutzt worden sind. Es hat dazu ausgeführt, daß nach dem Sachverhalt nicht völlig neue Räume geschaffen worden seien, und es hat offengelassen, ob bei einem Sachverhalt, bei dem Räume neu geschaffen worden wären, anders zu entscheiden gewesen wäre.
Die Rechtsauffassung des FG verstößt nicht gegen das Gesetz.
Die Begünstigung gemäß § 82a EStDV 1974 beruht auf der Ermächtigung in § 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q EStG 1974.
Danach kann der Steuerpflichtige neben den AfA für das Gebäude von den Herstellungskosten, die für den Einbau der in der Anlage 7 zu dieser Verordnung bezeichneten Anlagen und Einrichtungen bei einem nicht zu einem Betriebsvermögen gehörenden Gebäude aufgewendet worden sind, im Jahre der Herstellung und in den folgenden neun Jahren bis zu 10 v.H. absetzen.
Voraussetzung für die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen ist, daß die Gebäude nicht zu einem Betriebsvermögen gehören, überwiegend Wohnzwekken dienen und vor dem 1. Januar 1957 fertiggestellt worden sind (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. q Satz 2 EStG 1974).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt.
Das Gebäude ist nach den Feststellungen des FG im Jahre 1938 erbaut worden. Die Grundfläche der Wohnzwecken dienenden Räume des Gebäudes betrug, wie das FG in dem die Veranlagungszeiträume 1974 und 1975 betreffenden Teil seiner Entscheidung ausführte, nach den vom FA unwidersprochen gebliebenen Angaben des Klägers bereits vor Baubeginn mehr als die Hälfte der gesamten Nutzfläche.
Die Voraussetzungen der Begünstigung gemäß § 82a EStDV 1974 sind aber nicht nur dem Wortlaut nach unabhängig davon erfüllt, ob die Wohnung schon vor dem 1. Januar 1957 hergestellt worden ist, sondern auch nach ihrem Sinn und Zweck.
Der Sinn und Zweck der Begünstigung ist es, in vor dem 1. Januar 1957 hergestellten Gebäuden die Herstellung von Wohnungen zu fördern, die modernen Ansprüchen genügen (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juni 1975 VIII R 114/71, BFHE 116, 469, BStBl II 1975, 878). Das kann, wie der Senat ausgesprochen hat, auch bei der Generalüberholung und Modernisierung eines Gebäudes im ganzen und von Grund auf der Fall sein.
Wie der Senat in dem Urteil VIII R 104/79 vom 2. August 1983, BStBl II 1983, 728, -- die im Veranlagungszeitraum 1973 geltende Fassung des § 82 a EStDV betreffend -- für den Fall der Modernisierung unter gleichzeitiger Umwandlung von Großwohnungen in Kleinwohnungen entschieden hat, kann aus der Bezugnahme auf § 40 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) nicht entnommen werden, die modernisierten Räume müßten bereits vor dem Stichtag als Wohnung bestanden haben. Aus der Bezugnahme auf § 40 des II. WoBauG kann auch nicht entnommen werden, zusätzliche Voraussetzung der Begünstigung sei, daß die modernisierten Räume schon vor ihrer Modernisierung als Wohnräume genutzt worden sind. Denn der Sinn und Zweck der Begünstigung, die Herstellung von Wohnungen zu fördern, die modernen Ansprüchen genügen, wird auch erfüllt, wenn Räume, die ihrer Art und Beschaffenheit nach schon bisher als Wohnräume hätten verwendet werden können, aber bisher als Praxisräume oder für gewerbliche Zwecke genutzt worden sind, nach der Modernisierung Wohnzwecken dienen.
Entgegen der Auffassung des FA beruht die Vorentscheidung nicht darauf, daß die Vorinstanz die "Schaffung neuer Räume" als durch § 82a EStDV 1974 begünstigt angesehen habe. Das FG hat diese Frage vielmehr offengelassen.
Der Senat vermag dem FA nicht darin zuzustimmen, daß der Gesichtspunkt der Praktikabilität von Steuergesetzen der vom FG gefundenen Auslegung entgegenstehe.
Fundstellen
Haufe-Index 74748 |
BStBl II 1983, 731 |