Leitsatz (amtlich)
Zuwendungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person sind nur dann nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG zu berücksichtigen, wenn ihnen eine vertraglich festgelegte etwa gleichwertige Gegenleistung des Empfängers gegenübersteht. Wurden die Zuwendungen dagegen nach Gesichtspunkten bemessen, die zwischen Fremden nicht denkbar wären, sind Zuwendungen auf Grund gesetzlicher Unterhaltspflicht anzunehmen, deren Abzug als Sonderausgabe durch § 12 Ziff. 2 EStG ausgeschlossen wird.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1/1, § 12 Abs. 2
Streitjahr(e)
1961
Tatbestand
Die steuerpflichtigen Eheleute bewohnen zusammen mit dem Vater der Ehefrau ein Haus, das die Eltern der Ehefrau durch notariellen Vertrag vom 5. Juli 1951 zusammen mit ihrem Hausrat, ihrer Wäsche und Kleidung sowie ihrer Ladeneinrichtung mit den gesamten Warenbeständen ihrer Tochter, der steuerpflichtigen Ehefrau, zu Eigentum übertragen haben. Bis zum Tode des letztversterbenden Elternteils sollten Besitz, Nutzungen, Lasten und Gefahren der übertragenen Vermögenswerte den Eltern bzw. dem überlebenden Elternteil verbleiben. Es wurde ihnen auch ein lebenslängliches Nießbrauchsrecht eingeräumt, auf dessen grundbuchmäßige Sicherung aber verzichtet wurde. Als Gegenleistung für die Übertragung der Vermögenswerte wurde ein Betrag von 18.000 DM vereinbart, der durch Verrechnung mit einem gleich hohen Darlehen der Ehefrau das diese zum Wiederaufbau der Gebäude ihren Eltern gegeben hatte, getilgt wurde. In dem gleichen Vertrag verpflichtete sich die Ehefrau schließlich noch, ihre Eltern zu unterhalten, ihnen insbesondere Wohnung, Verpflegung, Arzt und Arzneimittel zu gewähren, ihnen jede durch Alter oder Krankheit notwendig werdende Pflege zuteil werden zu lassen, die Kosten einer erforderlichen Krankenhausbehandlung zu tragen und sie standesgemäß beerdigen zu lassen. Die Mutter der Ehefrau ist im Jahre 1954 gestorben. Ihr im Streitjahr 90jähriger Vater konnte im Jahre 1961 wegen Pflegebedürftigkeit seine im zweiten Stock des Hauses gelegene 87,34 qm große Wohnung nicht mehr benutzen und wurde deshalb von den Steuerpflichtigen (Stpfl.) in einem 16 qm großen Schlafzimmer in ihren Wohnräumen betreut. Die Stpfl. beantragten in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 1961, die von ihnen mit 6.272,52 DM angegebenen Aufwendungen für den Vater der Ehefrau als dauernde Last bei den Sonderausgaben zu berücksichtigen. Das Finanzamt (FA) zog jedoch nur 376 DM als Sonderausgaben ab, da es der Auffassung war, es handle sich bei den Leistungen an den Vater um eine Versorgungsrente, von der nur der 6 v. H. betragende Ertragsanteil abzugsfähig sei.
Der Einspruch führte zu einer geringen Herabsetzung der Einkommensteuer, da das FA den Mietwert der Wohnung des Vaters herabsetzte, die Versorgungsrente nunmehr mit 5.472 DM zugrunde legte und den Ertragsanteil von 6 v. H. entsprechend auf 328 DM ermäßigte. Außerdem ergab sich daraus eine Verminderung der Mieteinnahmen der Stpfl. um 501 DM und eine Erhöhung ihres Verlustes bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Die Berufung der Stpfl. hatte im wesentlichen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) errechnete den Wert der von den Stpfl. für den Vater der Ehefrau erbrachten Leistungen auf 5.595 DM, sah diesen Betrag nicht als Rentenleistung, sondern als Erfüllung einer dauernden Last an und zog ihn demgemäß nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG in voller Höhe als Sonderausgabe ab. Es ging davon aus, daß keine zahlen- oder wertmäßig festgelegte Leistung der Stpfl. vorliege, wie dies Voraussetzung für die Annahme einer Leibrente sei. Infolgedessen könne auch kein Ertragsanteil ermittelt werden. Daß die Ehefrau gegenüber ihrem Vater zur Unterhaltsgewährung gesetzlich verpflichtet sei, schließe die Abzugsfähigkeit nicht aus; denn § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehe dem in § 12 Ziff. 2 EStG enthaltenen Abzugsverbot vor. Die von den Stpfl. mit 6.272,52 DM geltend gemachten Aufwendungen seien jedoch hinsichtlich des als "Unfallaufwendung" mit 300 DM angegebenen Betrags zu hoch; anzuerkennen seien lediglich die glaubhaft gemachten Krankheitskosten von 123,65 DM.
Das FA rügt mit seiner nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden Rb. unrichtige Anwendung des § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG und des § 12 Ziff. 2 EStG. Aus dem in § 12 Ziff. 2 EStG verwendeten Wort "Zuwendungen" sei zu schließen, daß alle ohne Gegenleistung erfolgenden Aufwendungen an eine unterhaltsberechtigte Person unter das Abzugsverbot fallen sollten, so daß dadurch ein Abzug nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG ausgeschlossen werde. Bei der Vereinbarung zwischen den Stpfl. und den Eltern der Ehefrau stehe der Versorgungsgedanke eindeutig im Vordergrund. Die Stpfl. hätten für die Übereignung des Grundbesitzes und des Mobiliars durch Aufrechnung mit ihrer Darlehnsforderung eine entsprechende Gegenleistung erbracht. Hinsichtlich der Versorgungsleistungen sei jedenfalls eine Gegenleistung der Stpfl., wie sie zwischen Fremden bemessen worden wäre, nicht erkennbar. Der Wert der von den Eltern überlassenen Vermögenswerte sei übrigens nach einer von den Stpfl. nicht bestrittenen Schätzung des FA nur mit etwa 8.524 DM anzunehmen. Unter diesen Umständen stehe der Wohnungs- und Unterhaltsgewährung durch die Stpfl. zwar eine Gegenleistung gegenüber. Die Versorgungsleistungen seien aber nicht nach dem wirtschaftlichen Wert der Gegenleistung, sondern nach der Absicht der Versorgung bemessen worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Urteils des FG.
Der Vater der Ehefrau gehört zu den Personen, denen gegenüber die steuerpflichtige Ehefrau unterhaltspflichtig ist im Sinn von § 12 Ziff. 2 EStG. Das muß nach der seit 1958 geltenden Fassung dieser Vorschrift auch der Ehemann gegen sich gelten lassen. Die Entscheidung des Streitfalls hängt davon ab, ob diese Vorschrift anzuwenden ist, weil die Zuwendungen an den Vater der Ehefrau und Grund dieser Unterhaltspflicht geleistet wurden. Sind dagegen die Aufwendungen eine Gegenleistung für die auf Grund des notariellen Vertrags vom Jahre 1951 erfolgte Übernahme der Vermögenswerte der Eltern der Ehefrau, so schließt diese Vorschrift den Abzug nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG nicht aus. Die Auffassung des FG, § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG gehe § 12 Ziff. 2 EStG immer vor, trifft nicht zu. Es ist dies insbesondere nicht aus dem vom FG angeführten Urteil VI 285/64 U vom 4. Mai 1965 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 82 S. 543 - BFH 82, 543 -, BStBl III 1965, 444) zu entnehmen. In jener Entscheidung handelte es sich um eine Unterhaltsrente, die einer nichtunterhaltsberechtigten Person vertraglich zugesichert worden war. Anders ist die Rechtslage bei Zuwendungen an Unterhaltsberechtigte. In diesen Fällen schließt der letzte Halbsatz in § 12 Ziff. 2 EStG auch bei vertraglicher Vereinbarung der Unterhaltszuwendung einen Abzug nach § 10 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aus (Urteil VI 154/57 U vom 17. Juli 1959, BFH 69, 218, BStBl III 1959, 345). Da nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu den gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen im Sinn von § 12 Ziff. 2 EStG alle Personen gehören, die nach bürgerlichem Recht einen Unterhaltsanspruch haben können (Urteil VI 227/60 U vom 8. September 1961, BFH 73, 739, BStBl III 1961, 535) ohne daß es dabei auf ihre Bedürftigkeit ankommt, fällt die mit dem Vater der steuerpflichtigen Ehefrau getroffene Unterhaltsvereinbarung unter das Abzugsverbot des § 12 Ziff. 2 EStG. Der rechtlichen Beurteilung des FG, § 12 Ziff. 2 EStG sei nicht anwendbar, ist daher nicht zu folgen.
Die angefochtene Entscheidung war daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben.
Die Vorentscheidung würde jedoch im Ergebnis zutreffen, wenn die streitigen Zuwendungen eine Gegenleistung der Stpfl. für die von den Eltern der Ehefrau übernommenen Vermögenswerte wären. Das ist jedoch zu verneinen. Nach dem Vertrag vom 5. Juli 1951 hatten die Stpfl. für den Vermögenserwerb 18.000 DM zu zahlen. Sie haben diese Gegenleistung durch Aufrechnung mit einer gegen die Eltern der Ehefrau bestehende Darlehnsforderung erbracht. Nach der Feststellung des FG sollte den Eltern zwar bis zu ihrem Tode das lebenslängliche Nießbrauchsrecht an den übertragenen Vermögenswerten zustehen. Diese Vereinbarung, die nicht im Grundbuch eingetragen wurde, ist aber offenbar nicht durchgeführt worden; denn sonst hätten die Stpfl. dem Vater Miete zahlen müssen, und es wäre nicht angängig, daß sie den Mietwert des ihm überlassenen Raumes als eine Zuwendung ansetzen.
Selbst wenn bei derartigen Übergabeverträgen zwischen Verwandten grundsätzlich nicht genau zu prüfen ist, ob Leistung und Gegenleistung wertmäßig übereinstimmen, so muß doch wenigstens ein angemessenes Verhältnis zwischen ihnen bestehen (Urteile VI 321/61 U vom 28. Juni 1963, BFH 77, 287, BStBl III 1963, 424; IV 8/62 U vom 23. Januar 1964, BFH 79, 516, BStBl III 1964, 422). Es braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die Ausführungen des FA zutreffen, der von ihm auf 8.524 DM geschätzte und von den Stpfl. nicht bestrittene Wert des übertragenen Vermögens liege erheblich unter der Forderung der Ehefrau von 18.000 DM. Nach den getroffenen Vereinbarungen haben die Stpfl. für die übernommene Verpflichtung zu Unterhaltsgewährung und Betreuung von den Eltern der Ehefrau jedenfalls keine ausdrückliche Gegenleistung erhalten. Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Eltern bei Abschluß des Übergabevertrags bereits sehr alt waren und von den Beteiligten ihre Lebenserwartung wahrscheinlich nicht mehr hoch eingeschätzt wurde, und wenn man weiter unterstellt, daß das ganze Vertragswerk eine vorweggenommene Erbregelung sein sollte, bei der von den verwandtschaftlich eng verbundenen Beteiligten keine genaue Rechnung über Leistung und Gegenleistung angestellt wurde, so überwiegt nach der von der Ehefrau erklärten Aufrechnung der Charakter einer Unterhaltsvereinbarung zugunsten der Eltern. Dann steht aber dem Abzug als Sonderausgabe § 12 Ziff. 2 EStG entgegen.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es die Steuer für das Streitjahr neu festsetzt und dabei auch prüft, ob und inwieweit den Stpfl. eine Steuerermäßigung nach § 33, § 33 a EStG zugestanden werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 425779 |
BFHE 1967, 479 |
BFHE 87, 479 |