Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer Handelsrecht Gesellschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
Bei Berechnung des ermäßigten Körperschaftsteuersatzes nach § 19 Abs. 2 KStG für Gesellschaften mit beschränkter Haftung ist das eingezahlte Stammkapital (Nennkapital) nicht um die bei der Gesellschaft liegenden eigenen Anteile zu kürzen.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 2; GmbHG § 33
Tatbestand
I. Bescheid
Streitig ist, für welche Gewinnausschüttungen die steuerpflichtige GmbH bei der Körperschaftsteuerveranlagung 1953 den Ausschüttungssteuersatz nach § 19 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1953 beanspruchen kann. Die GmbH hat ein Stammkapital von 300 000 DM, das voll eingezahlt ist. Im Veranlagungszeitraum 1953 befanden sich Stammanteile in Höhe von 167 000 DM im Besitze der GmbH selbst und 133 000 DM in den Händen der Gesellschafter der GmbH. Die Steuerpflichtige legte ihrer Gewinnermittlung ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni zugrunde. Sie hat für das Wirtschaftsjahr 1952/53 16 000 DM und für 1953/54 40 000 DM an ihre Gesellschafter als Gewinn ausgeschüttet. Sie begehrt hierfür im Rahmen des § 19 Abs. 2 KStG den ermäßigten Körperschaftsteuersatz. Hierbei vertritt sie die Auffassung, daß für den Ausschüttungssteuersatz von 30 % die Begrenzung auf 8 % des gesamten eingezahlten Stammkapitals (300 000 DM) in Frage komme. Bei der vorläufigen Körperschaftsteuerveranlagung 1953 und in der Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt den Standpunkt vertreten, die im Besitz der GmbH befindlichen eigenen Stammanteile in Höhe von 167 000 DM hätten hierbei auszuscheiden und es komme für den ermäßigten Steuersatz höchstens ein Betrag von 8 % von 133 000 DM in Frage. Es stütze sich hierbei auf den Erlaß des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen vom 22. Februar 1954 - S 2550 - 1510/V B-4.
Das Finanzgericht gab der Berufung statt. Nach § 33 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) bestehe die Möglichkeit, eigene Geschäftsanteile, auf welche die Stammeinlage vollständig eingezahlt sei, zu erwerben. Nach § 33 Abs. 2 GmbHG solle die GmbH solche Anteile jedoch nur erwerben, sofern der Erwerb aus dem über den Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandenen Vermögen geschehen könne. Das Finanzgericht vermöge der Auffassung des Finanzamts nicht zu folgen. Nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes seien 8 % des eingezahlten Stammkapitals steuerbegünstigt. Auch die bei der GmbH liegenden Anteile zählten bürgerlich-rechtlich zum Stammkapital und es liege bürgerlich-rechtlich keine Rückzahlung des Kapitals durch den Erwerb der Anteile vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (Entscheidungen I 113/52 U vom 10. Februar 1953, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 102, Slg. Bd. 57 S. 254; I 34/53 S vom 9. Juni 1953, BStBl 1953 III S. 250, Slg. Bd. 57 S. 654; I 57/52 U vom 8. September 1953, BStBl 1953 III S. 344, Slg. Bd. 58 S. 138) sei der Gesetzesbefehl, wie er sich nach dem klaren Wortlaut ergebe, maßgebend. Auch die Grundlagen des Gesetzes würden keine Veranlassung geben, einen anderen Standpunkt einzunehmen. Nach dem Entwurf eines "Gesetzes zur änderung steuerlicher Vorschriften und zur Sicherung der Haushaltsführung" (Bundestags-Drucksache 4092 Erste Wahlperiode 1949) solle der gespaltene Steuersatz nicht nur der Förderung des Kapitalmarktes, sondern darüber hinaus auch der Verringerung der Steuerlast für einen wesentlichen Teil der Körperschaften in dem jetzt möglichen und gebotenen Rahmen dienen. In der Begründung heiße es zu § 19 Abs. 2 des Entwurfes unter anderem: Um nicht auch übermäßige Gewinnausschüttungen, mit denen insbesondere bei Einmanngesellschaften zu rechnen sei, steuerlich zu begünstigen, erscheine es angebracht, bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung die berücksichtigungsfähigen Ausschüttungen auf 8 v. H. des Stammkapitals zu beschränken. Mit der Erwähnung des Nennkapitals im Klammerzusatz solle zum Ausdruck gebracht werden, daß verdecktes Kapital außer Ansatz bleibe. (Im einzelnen siehe die Gründe des Finanzgerichts in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1957 S. 94 Nr. 119.)
Den ermäßigten Steuersatz hat das Finanzamt auf berücksichtigungsfähige Ausschüttungen in Höhe von (51,7 % von 10 640 DM = 5 500 DM + 44,8 % von 10 640 DM = 4 766 DM) 10 266 DM, das Finanzgericht auf solche von (51,7 % von 16 000 DM = 8 272 DM + 44,8 % von 24 000 DM 10 752 DM) 19 024 DM angewandt.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts vertritt die Rechtsauffassung des Veranlagungsverfahrens und verweist hierzu auch auf die Beschränkung der Rechte der bei der Kapitalgesellschaft liegenden eigenen Anteile, wie dies in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 165/54 S vom 17. September 1957, BStBl 1957 III S. 401, Slg. Bd. 65 S. 437, unter 3B Ziff. 2 im einzelnen dargestellt wird. Die Steuerpflichtige bringt vor, ein Abweichen vom klaren Wortlaut des Gesetzes auf Grund des § 1 Abs. 2 und Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) komme nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 57/52 U vom 8. September 1953 insbesondere dort in Frage, wo es sich um die Auslegung von Gesetzen und Verordnungen zugunsten der Steuerpflichtigen handele. Die Verwaltung sei auf Grund ihrer Mitwirkung bei der Gesetzgebung im allgemeinen in der Lage, ihre Belange hinsichtlich der Fassung des Gesetzes in ausreichendem Masse zu wahren.
Entscheidungsgründe
Der Rb. des Vorstehers des Finanzamts muß der Erfolg versagt werden.
Das KStG bemißt die Vergünstigung für Gesellschaften mit beschränkter Haftung auf 8 % des eingezahlten Stammkapitals. Das "eingezahlte Stammkapital" ist ein bürgerlich-rechtlicher, kein rein steuerrechtlicher, wirtschaftlich auszulegender Begriff. Nach § 7 Abs. 2 GmbHG darf die Anmeldung der Gesellschaft zum Handelsregister nur erfolgen, nachdem von jeder Stammeinlage 1/4, mindestens aber der Betrag von 250 DM eingezahlt ist. Es besteht eine Einzahlungsverpflichtung der Gesellschafter, die im § 19 Abs. 2 GmbHG zum Schutze der Gläubiger mit Sicherungen versehen ist (Entscheidung des Reichsgerichts II 252/28 vom 7. Dezember 1928, Sammlung der Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 123 S. 8). Die §§ 20 ff. GmbHG enthalten eingehende Vorschriften für den Fall der nicht rechtzeitigen Einzahlung auf die Stammeinlage.
Die GmbH weist ihre Forderung gegen die Gesellschafter hinsichtlich der noch ausstehenden Beträge in ihrer Bilanz aus (vgl. Rundschau für GmbH 1958 S. 165). Dieser Posten fällt weg, sobald die Gesellschafter ihrer Einzahlungsverpflichtung nachgekommen sind. Das Stammkapital ist dann im Sinne des Gesetzes eingezahlt.
Wie das Finanzgericht bereits hervorhebt, ergibt sich aus § 33 GmbHG, daß der Gesetzgeber in dem Erwerb eigener Anteile keine Rückzahlung der Beträge sieht, die auf die Stammeinlage eingezahlt sind. Die Steuerpflichtige weist in ihrer DM-Eröffnungsbilanz für die eigenen Anteile einen Betrag von 167 000 DM (Nennbetrag der Anteile) aus. Die freie Rücklage ist in der DM-Eröffnungsbilanz mit 360 217,65 DM enthalten. Diese Werte werden in den Bilanzen bis zum 30. Juni 1952 unverändert fortgeführt. Die Bilanz laut Betriebsprüfung weicht von diesen Zahlen nicht wesentlich ab. Ein Verstoß gegen § 33 Abs. 2 GmbHG liegt somit nicht vor. Auf die Frage, wie das Rechtsproblem zu entscheiden ist, wenn die eigenen Anteile unter Verstoß gegen § 33 Abs. 2 GmbHG erworben worden sind, braucht im Streitfalle nicht eingegangen zu werden.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts prüft die Vergünstigung des § 19 Abs. 2 KStG aus der Blickrichtung des einzelnen Gesellschafters. Sie geht davon aus, daß lediglich Gewinnausschüttungen bis zu 8 % des Nennbetrages der bei den Gesellschaftern liegenden Geschäftsanteile begünstigt sind. Der Gesetzgeber begünstigt aber 8 % des eingezahlten Stammkapitals und läßt die Frage des Besitzes der Anteile außer Betracht. Wie das Finanzgericht im einzelnen zutreffend ausführt, soll die Gesellschaft für ihre Gewinnausschüttungen eine Vergünstigung erhalten. Es handelt sich um eine Vergünstigung für die Gesellschaft, nicht für ihre Gesellschafter.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 BvG 1/51 vom 23. Oktober 1951, Sammlung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 1 S. 14, kann ein Gesetz wegen Widerspruchs mit den Grundsätzen des Rechtsstaates nicht sein, wenn die Fassung seinen wirklichen Gehalt nicht zum Ausdruck bringt, wenn sie mißverständlich oder irreführend ist oder wenn das Gesetz in sich widerspruchsvoll ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Das Gesetz ist weder mißverständlich noch irreführend noch in sich widerspruchsvoll, wenn es die Höhe der Vergünstigung von der Höhe des eingezahlten Stammkapitals abhängig macht und einer GmbH mit einem höheren eingezahlten Stammkapital eine entsprechend höhere Vergünstigung gewährt. Eine Prüfung darüber hinaus, ob es sich nach dem Wortlaut des Gesetzes um eine zweckmäßige Regelung handelt, ist den Gerichten versagt.
Der Reichsfinanzhof hat zur Frage der Berücksichtigung der eigenen Anteile einer Kapitalgesellschaft bei Berechnung der Gewinnausschüttungen und der Höhe der Beteiligung eines Gesellschafters in einer Reihe von Entscheidungen Stellung genommen. In der Entscheidung des Reichsfinanzhofs I A 451/32 vom 20. Juni 1933, Reichssteuerblatt (RStBl) S. 984, wurde ausgesprochen, daß bei der Mindestbesteuerung die auf die eigenen Anteile der Körperschaft entfallenden Beträge außer Ansatz zu bleiben haben. Nach der Entscheidung des Reichsfinanzhofs 5 415/40 Vom 8. April 1941, RStBl S. 410, Slg. Bd. 50 S. 150, müssen bei der Entscheidung der Frage, ob eine wesentliche Beteiligung im Sinne des § 8 Ziff. 6 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), § 20 der Dritten Verordnung zur Durchführung des Gewerbesteuergesetzes vorliegt, die im Besitz der Körperschaft befindlichen Anteile unberücksichtigt bleiben. Im Gegensatz dazu hat die Entscheidung des Reichsfinanzhofs III A 33/28 vom 5. Dezember 1929, RStBl 1930 S. 34, bei der Schachtelvergünstigung zu § 27 des Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) ausgeführt, daß für die Berechnung des Anteils der Muttergesellschaft die eigenen Anteile der Tochtergesellschaft nicht zu berücksichtigen seien (siehe auch Krekeler, Bewertungsgesetz, 6. Aufl. S. 438). Die Grundsätze dieser Entscheidung hat die Literatur auf die Schachtelvergünstigung nach § 9 KStG übernommen. Auch hier werden bei Berechnung des Hundertsatzes der Beteiligung die bei der Untergesellschaft liegenden Anteile nicht berücksichtigt (siehe Boettcher, Steuer und Wirtschaft 1944 Sp. 236; Mirre-Dreutter, Anm. 3 a zu § 9 KStG, S. 547; Kennerknecht, Anm. 11 zu § 9 KStG, S. 294; Herrmann-Heuer, Anm. 11 zu § 9 KStG, Lieferung Oktober 1957; siehe auch Deutsche Notarzeitschrift 1956 S. 179).
Aus den Entscheidungen I A 451/32 und I 415/40 wird man für die vorliegende Streitfrage Folgerungen nicht ziehen können, da die Probleme dieser Entscheidungen wirtschaftlich anders gelagert sind. Bei der Frage der Höhe der Gewinnausschüttung kann man die bei der Kapitalgesellschaft selbst liegenden Anteile nicht berücksichtigen, weil die auf diese Anteile entfallenden Gewinne aus dem Vermögen der Kapitalgesellschaft bei der Gewinnausschüttung nicht herausgehen. § 8 Ziff. 6 GewStG legt keinen bestimmten Hundertsatz für den Begriff der wesentlichen Beteiligung fest. Er muß deshalb nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten bestimmt werden. Dagegen wird man die für § 27 RBewG 1925 (ß 60 RBewG 1934) und für § 9 KStG 1934 allgemein anerkannte Auffassung auf § 19 Abs. 2 KStG 1953 übertragen müssen. Das Gesetz knüpft die Berechnung an bestimmte äußere Vorgänge. Es widerspricht auch dem Sinn des Gesetzes, durch weitergehende Erhebungen über den Besitz der Anteile die Berechnung zu erschweren. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs gibt somit keine Veranlassung für den Streitfall, von dem klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen.
Der gegenteiligen Ansicht in Abschnitt 48 Abs. 1 der Körperschaftsteuer-Richtlinien 1955 wird nicht beigepflichtet. Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Urteil Der Bundesminister der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten und hat gegen den Bescheid vom 16. September 1958 mündliche Verhandlung beantragt.
Hinsichtlich des Tatbestandes wird auf den Bescheid verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung brachte der Vertreter des Bundesministers der Finanzen vor, § 19 Abs. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1953 diene nicht dazu, die Gesellschaft, sondern die Gesellschafter zu begünstigen (Förderung des Kapitalmarktes). Es komme deshalb darauf an, welche Einlagen die Gesellschafter in die Körperschaft tatsächlich getätigt hätten. Sie bestimmten sich nach dem Nominalbetrag der bei den Gesellschaftern liegenden Anteile.
Das Vorbringen des Vertreters des Bundesministers der Finanzen in der mündlichen Verhandlung gibt keinen Anlaß, von den Grundsätzen, wie sie in dem Bescheid dargestellt sind, abzuweichen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes bemißt sich der ermäßigte Körperschaftsteuersatz nach dem eingezahlten Stammkapital (Nennkapital). Die Begünstigung ist eindeutig auf die Gesellschaft, nicht auf den Nennbetrag der bei den Gesellschaftern liegenden Anteile abgestellt. Es mag zutreffen, daß für die Mindestbesteuerung nach § 17 KStG 1953 die eigenen Anteile der Körperschaft nicht zu berücksichtigen sind. Wie aber in dem Bescheid dargestellt wird, ist die wirtschaftliche und rechtliche Lage bei § 19 Abs. 2 KStG 1953 anders geartet als bei der Mindestbesteuerung.
Der Senat verbleibt bei den Grundsätzen des Bescheides und verweist im einzelnen auf die dort gemachten Ausführungen.
Fundstellen
Haufe-Index 409295 |
BStBl III 1959, 136 |
BFHE 1959, 354 |
BFHE 68, 349 |
BB 1959, 367 |
DB 1959, 393 |