Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat der Steuerpflichtige die Beiträge auf einen langfristigen Kapitalansammlungsvertrag aus einem Betrag geleistet, der ihm auf Grund der Diskontierung eines Warenwechsels zugeflossen ist, so ist die Tatsache der Wechseldiskontierung für sich allein kein Grund, um ein Sparen mit Kredit anzunehmen.
Normenkette
EStG § 10/1/2/d
Tatbestand
Streitig ist, ob die Beiträge, die der Bf. in den Jahren 1952 und 1953 auf zwei Kapitalansammlungsverträge geleistet hat, mit einer Kreditaufnahme in Zusammenhang stehen und demnach nicht als Sonderausgaben berücksichtigt werden können. Diese Beiträge hat der Bf. in folgender Weise geleistet: Er hat seiner Bank am 30. Dezember 1952 zwei im März 1953 fällige Besitzwechsel über je 61.841,45 DM und am 28. Dezember 1953 einen im April 1954 fälligen Besitzwechsel über 53.300 DM jeweils mit der Weisung übergeben, aus dem Diskonterlös 40.000 DM für die Bildung eines Kapitalansammlungsvertrages zu verwenden und den Rest seinem laufenden Konto gutzuschreiben. Aus bank- und buchungstechnischen Gründen hat die Bank die Diskontabrechnung ungeteilt zugunsten des laufenden Kontos vorgenommen und die Sparbeiträge dem Konto belastet. Das Konto hat zu dieser Zeit einen Debetsaldo ausgewiesen.
Das Finanzamt veranlagte den Bf., ohne die Beiträge als begünstigt anzuerkennen. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Berufung hatte ebenfalls keinen Erfolg. Wie das Finanzamt, so ist auch das Finanzgericht der Auffassung, daß der Bf. die Beiträge unter Inanspruchnahme von Kredit geleistet habe. Ein noch nicht fälliger Besitzwechsel sei zwar ein Vermögenswert, aber kein verfügbares Geld. Die Wechseldiskontierung möge rechtlich als Kaufvertrag angesehen werden. Wirtschaftlich sei sie lediglich eine Krediteinräumung, weil der Diskonterlös nur unter dem Vorbehalt des Eingangs der Wechselsumme gutgeschrieben werde. Es handle sich bei dieser Krediteinräumung auch nicht bloß um einen technischen Weg; die Krediteinräumung sei vielmehr notwendig gewesen, weil dem Bf. in Gestalt der erst später fällig werdenden Wechsel keine verfügbaren Mittel zur Hand gewesen seien.
Mit seiner Rb. wehrt sich der Bf. gegen die Nichtanerkennung der Beiträge als Sonderausgaben. Er macht geltend: Das Finanzgericht habe unberücksichtigt gelassen, daß es sich um erstklassige Wechsel gehandelt habe. Mit der Diskontierung der Besitzwechsel habe er über die ihm jeweils gutgeschriebene Summe verfügen können. Daß er bei Nichteinlösung der Wechsel hätte in Anspruch genommen werden können, ändere nichts daran, daß der ihm gutgeschriebene Betrag ihm uneingeschränkt zur Verfügung gestanden habe, und zwar nicht bloß als kreditierter, sondern als eigener Betrag. Das Finanzgericht habe die unter Umständen aus dem Wechsel sich ergebende Haftung zu Unrecht in den Vordergrund gestellt. Hätte das Finanzgericht recht, dann wären alle kaufmännischen Bilanzen falsch, weil sie die Gutschrift aus einem diskontierten Wechsel ohne jeden Vorbehalt als Vermögen auswiesen und die wechselrechtliche Haftung nicht passivierten (sogar nicht einmal passivieren dürften).
Entscheidungsgründe
Die Rb. muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG 1951 und 1953 sind zwar, wie das Finanzgericht auch nicht verkannt hat, solche Beitragsleistungen nicht begünstigt, denen fremde Mittel zugrunde liegen oder die in unmittelbarem oder mittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang mit einem Kredit stehen. Diese die Begünstigung ausschließenden Voraussetzungen sind aber vom Finanzgericht zu Unrecht nur um deswillen bejaht worden, weil ein Diskontgeschäft vorliegt.
Der Besitzwechsel verkörpert eine Forderung. Wird der Besitzwechsel diskontiert, so führt das ebenso wie der Verkauf einer Forderung zum Zufließen eigener Geldmittel, insoweit der Ankaufsbetrag dem Verkäufer gutgeschrieben oder ausgezahlt wird. Es ist dem Finanzgericht zwar zuzugeben, daß in den Fällen, in denen ein Wechsel oder eine Forderung erst nach dem Zeitpunkt des Verkaufs fällig wird und der Verkäufer für den richtigen Eingang des Wechsels oder der Forderung haftet, wegen dieser von jenem in Rechnung gestellten Rückgriffsmöglichkeit auf den Verkäufer trotz des Abschlusses eines Kaufvertrags wirtschaftlich eine Kreditgewährung vorliegt oder vorliegen kann. Im Rahmen der Bankgeschäfte wird die Diskontierung von Wechseln dementsprechend mit Recht den Kreditgeschäften zugeordnet (vgl. Herold, Das Kreditgeschäft der Banken, 14. Aufl., S. 126). Trotzdem wäre es nach der Auffassung des Senats eine mit dem Sinn und Zweck der soeben erwähnten Einschränkung nicht zu vereinbarende Auslegung, nämlich eine überspannung der Begriffe "fremde Mittel" und "Zusammenhang mit Kredit", wollte man hierunter auch die den normalen Erwartungen und dem normalen Geschäftsablauf entsprechenden Fälle des Ankaufs guter Warenwechsel und Warenforderungen rechnen, in denen sich die Beziehungen der Beteiligten in dem Ankaufgeschäft erschöpfen, der Verkäufer also mit dem weiteren Schicksal des diskontierten Wechsels oder der verkauften Forderung nichts mehr zu tun hat (diese von dem Käufer eingezogen und von dem Schuldner bezahlt werden).
Die einkommensteuerliche Begünstigung von Kapitalansammlungsverträgen soll den Steuerpflichtigen zum Sparen anregen. Sparen setzt entsprechende Barmittel oder verfügbare Bankguthaben voraus. Wer nicht genügend Mittel dieser Art hat, kann sie sich dadurch verschaffen, daß er Wirtschaftsgüter anderer Art, z. B. Wertpapiere, Waren oder Grundstücke, verkauft. Er verfügt dann über "eigene" (weder unmittelbar noch mittelbar mit einem Kredit in Zusammenhang stehende) Mittel jener Art und ist, wenn er hieraus Beiträge auf Kapitalansammlungsverträge leistet, nach § 10 Abs. 1 Ziff. 2 d EStG begünstigt. Daß er u. U. wegen irgendwelcher Mängel des verkauften Gegenstands in Anspruch genommen werden kann und deswegen den Kaufpreis zum Teil zurückzahlen muß, kann an jenem Ergebnis nichts ändern. Wer die Wirtschaftsgüter anderer Art (Wertpapiere, Waren usw.) aber nicht verkauft, sondern lediglich als Kreditunterlage - sei es auch in Form der Sicherungsübereignung oder Sicherungsabtretung - benutzt und sie also nach wie vor, zum mindesten wirtschaftlich, in seinem Vermögen behält, der verfügt in Gestalt der auf diese Weise (zusätzlich) beschafften Barmittel oder Guthaben nicht über "eigene" (weder unmittelbar noch mittelbar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit Kredit stehende) Mittel und ist, wenn er hieraus Beiträge auf Kapitalansammlungsverträge leistet, nicht begünstigt. Nicht begünstigt ist also, um den Grundgedanken nochmals herauszustellen, derjenige, der zwar keine Barmittel, wohl aber andere Wirtschaftsgüter besitzt und sich Barmittel nur dadurch verschafft, daß er die anderen Wirtschaftsgüter als Kreditunterlage benutzt, aber nicht aufgibt. Die vorentwickelten Grundsätze gelten auch, wenn ein auf einen anderen gezogener Wechsel oder eine Forderung verkauft oder als Kreditunterlage benutzt wird. Im Fall des Verkaufs ist der Steuerpflichtige begünstigt, im Fall der Benutzung als Kreditunterlage dagegen nicht. Ob dieser oder jener Fall gegeben ist, mag dann schwer abzugrenzen sein, wenn sich, wie es gerade für Geschäfte der vorliegenden Art zutrifft, Merkmale des Kaufs mit denen der Kreditgewährung mischen. Entsprechend dem vorerwähnten Grundgedanken ist dann für die Einordnung entscheidend, ob der "Verkäufer" des Wechsels oder der Forderung sich dieses Wirtschaftsguts endgültig begibt oder nicht.
Geht man hiervon aus, so ist das Wechseldiskontgeschäft, wie es von den Banken normalerweise durchgeführt wird, für die hier zu entscheidende Frage, ob die durch die Diskontierung erlangten Mittel eigene oder fremde sind, nicht als Kreditgewährung, sondern als Kauf anzusehen. Der Verkäufer gibt den Wechsel endgültig fort. Die Bank zieht den Wechsel aus eigenem Recht und für eigene Rechnung ein. Daß der Rückgriff gegen den Verkäufer offen bleibt, unterscheidet dieses Geschäft zwar von dem Kaufgeschäft, das wie der Kauf einer Forderung unter Ausschluß der Haftung des Verkäufers überhaupt keine Merkmale eines Kreditgeschäfts aufweist. Dieser Rückgriffsmöglichkeit kann aber, weil ihr Eintritt nach dem von allen Beteiligten erwarteten Verlauf nur als Ausnahmefall in Rechnung gestellt wird, ebensowenig entscheidende Bedeutung zukommen wie etwa bei anderen (unzweifelhaften) Kaufverträgen dem Bestehen von Minderungsansprüchen. Anders wäre die Beurteilung allerdings dann, wenn etwa zwar die Form der Wechseldiskontierung gewählt, tatsächlich der Wechsel aber nach wie vor zur Verfügung des zur Einlösung verpflichteten "Verkäufers" gehalten worden wäre oder zwar eine Wechseldiskontierung vorläge, die Inanspruchnahme der Haftung des Verkäufers aber als von vornherein wahrscheinlich in Rechnung gestellt worden wäre. Es mag zutreffen, daß Fälle dieser Art für das Finanzamt nur schwer erkennbar sein werden. Das ist aber kein Grund, um diese Ausnahmefälle zum Maßstab für die Normalfälle anzunehmen.
Das Urteil des Finanzgerichts, das die Wechseldiskontierung schlechthin als schädlich angesehen hat, war danach wegen Rechtsirrtums aufzugeben. Die nicht spruchreife Sache war an das Finanzgericht zur nochmaligen Entscheidung zurückzuverweisen.
Bei seiner Entscheidung wird das Finanzgericht auch darauf zu achten haben, ob die Gutschrift auf das einen Debetsaldo ausweisende laufende Konto wirklich nur ein der technischen Vereinfachung dienender Weg, der Bf. also in der Verfügung über die Wechsel bei deren Hingabe an die Bank wirklich frei gewesen oder nicht doch schon im Hinblick auf den ihm von der Bank gewährten Kredit von vornherein gebunden war. In diesem Fall hätte der Bf. nicht aus frei verfügbaren Mitteln geleistet (vgl. das Urteil des erkennenden Senats VI 207/58 S vom 5. Dezember 1958, BStBl 1959 III S. 58, Slg. Bd. 68 S. 145).
Fundstellen
Haufe-Index 409967 |
BStBl III 1961, 159 |
BFHE 1961, 432 |
BFHE 72, 432 |