Entscheidungsstichwort (Thema)
Änderungsfestsetzung bei unrichtigem Antrag auf Anhängerzuschlag
Leitsatz (NV)
1. Weder der von einem Fahrzeughalter tatsächlich gewollte Inhalt des Antrages nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG (Anhängerzuschlag) noch die Unrichtigkeit der Mitteilung der Zulassungsstelle über den Inhalt eines solchen bei ihr gestellten Antrages kann eine dem FA nachträglich bekanntgewordene Tatsache darstellen und die Änderung eines Kfz-Steuerbescheides rechtfertigen.
2. Der Antrag nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG muß zu Beginn des betreffenden Besteuerungszeitraums gestellt werden.
3. Für die Anfechtungsklage gegen einen Steuerbescheid fehlt nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil damit gerechnet werden kann, daß der Bescheid vom FA bei einem Erfolg einer gleichzeitig anhängigen Verpflichtungsklage nach §172 Abs. 1 Nr. 2a AO 1977 oder §173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 aufgehoben werden wird.
4. Zu der Frage, ob nach §100 Abs. 4 FGO zugleich mit der Entscheidung über eine Verpflichtungsklage einer von deren Erfolg abhängigen Anfechtungsklage stattgegeben werden darf und ob zwischen der Verpflichtung zur Festsetzung eines Anhängerzuschlags nach §10 Abs. 1 Satz 1 KraftStG und der Aufhebung des Kfz-Steuerbescheides für die betreffenden Anhänger ein solches Abhängigkeitsverhältnis besteht.
Normenkette
KraftStG § 10 Abs. 1, 3; AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 100 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Halterin von mehreren Lkw-Zugmaschinen und Lkw-Anhängern. Bei der Wiederzulassung von zwei Zugmaschinen im September 1992 ... bzw. im Februar 1993 ... ist von dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt -- FA --) ein Anhängerzuschlag zur Kraftfahrzeugsteuer nach §10 Abs. 3 Nr. 5 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes -- KraftStG -- (Anhängerzuschlag bei verkehrsrechtlich zulässigem Gesamtgewicht des schwersten Kfz- Anhängers von mehr als 16 000 kg, aber nicht mehr als 18 000 kg) erhoben worden. Dies beruhte darauf, daß in dem von der Klägerin unterzeichneten Antrag auf Wiederzulassung bei der Fahrzeugart eingetragen war "ANH. Z. = 5". Dieser Antrag der Klägerin war von der Kfz-Zulassungsstelle aufgrund des bei der Erstzulassung erhobenen Datenbestandes vorbereitet und dem FA im Datenträgeraustausch übermittelt worden; er wurde von dem Datenverarbeitungsprogramm des FA als Antrag auf einen Anhängerzuschlag nach §10 Abs. 3 Nr. 5 KraftStG gewertet. Im Zeitpunkt der Erstzulassung war jedoch "5" die höchste Zuschlagstufe gewesen, weil §10 Abs. 3 KraftStG nur fünf Zuschlagstufen auswies. Durch Änderung des §10 Abs. 3 KraftStG in Art. 19 des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1322, 1339) war jedoch inzwischen eine sechste Zuschlagstufe eingeführt worden.
Für fünf ausschließlich von den beiden Zugmaschinen gezogene Anhänger der Klägerin ... , die ein amtliches Kennzeichen in grüner Schrift tragen und ein zulässiges Gesamtgewicht von mehr als 18 000 kg haben, wurde vom FA Kraftfahrzeugsteuer zunächst nicht erhoben. Mit Bescheiden vom 3. Januar 1994 setzte das FA für diese Anhänger jedoch nachträglich Kraftfahrzeugsteuer -- unter Anrechnung der erhobenen Anhängerzuschläge -- fest, nachdem es die zu niedrige Festsetzung des Anhängerzuschlages in den bei der Wiederzulassung der Zugmaschinen ergangenen Kraftfahrzeugsteuerbescheiden festgestellt hatte. Der gegen diese Bescheide erhobene Einspruch und der Antrag der Klägerin, die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Zugmaschinen zu ändern und rückwirkend den Anhängerzuschlag neu festzusetzen, blieben ohne Erfolg.
Auf die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (FG) 1997, 1408 veröffentlichten Urteil das FA zur Änderung der Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Zugmaschinen hinsichtlich der streitigen Zeiträume verpflichtet und zugleich die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Anhänger aufgehoben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA, mit der die Verletzung des §173 der Abgabenordnung (AO 1977) geltend gemacht wird. Das FA trägt vor, ein Antrag, der auf die Höhe der Steuerfestsetzung Einfluß nehme, könne zwar eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache sein, wenn er vor dem maßgebenden Zeitpunkt der abschließenden Zeichnung des Verwaltungsaktes wirksam gestellt worden sei. Im Streitfall seien jedoch vor diesem Zeitpunkt keine Anträge auf Anhängerzuschläge der Stufe 6 gestellt worden. Die beim Straßenverkehrsamt gestellten Anträge seien nicht in den Verfügungsbereich des FA gelangt. Versehen der Mitarbeiter der Zulassungsstelle seien dem FA nicht zuzurechnen. Die Anträge auf Festsetzung von Anhängerzuschlägen der Stufe 5 seien eindeutig und daher einer Auslegung nicht zugänglich gewesen. Daß die Klägerin etwas anderes habe beantragen wollen als sie tatsächlich beantragt habe, rechtfertige eine Änderung nach §173 AO 1977 nicht.
Das FA beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet und führt zur Abweisung der Klage (§126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Steuerbescheide sind nach §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 aufzuheben oder zu ändern, soweit Tatsachen nachträglich bekanntwerden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Auffassung des FG, der von der Klägerin tatsächlich gewollte Inhalt des Antrages nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG sei eine solche dem FA nachträglich bekanntgewordene Tatsache, ist unzutreffend und verletzt Bundesrecht (§118 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Ein Steuerbescheid darf nach §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 nur aufgehoben oder geändert werden, wenn die Tatsachen, die dem FA nachträglich bekanntwerden, zu einer höheren Steuer führen. Das ist nur dann der Fall, wenn die betreffende Tatsache ein Merkmal des gesetzlichen Steuertatbestandes erfüllt, wenn sie also für die Festsetzung der Steuer erheblich ist. Ein Anhängerzuschlag nach §10 Abs. 3 KraftStG wird nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG erhoben, wenn der Eigentümer des Kfz bzw. der Halter einen diesbezüglichen Antrag stellt. Der Antrag ist als eine Erklärung, der §10 KraftStG steuerrechtliche Folgen beimißt, eine Verfahrenshandlung. Der Inhalt (die Bedeutung) des Antrages ist in entsprechender Anwendung des §133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu ermitteln (vgl. u.a. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 17. Mai 1995 I B 183/94, BFHE 178, 59, BStBl II 1995, 781). Es kommt also auf den objektiven Erklärungsinhalt des Antrages an, so wie diesen die Behörde bei verständiger Würdigung verstehen mußte. Das von dem Beteiligten Gemeinte ist nur dann entscheidend, wenn es in der Erklärung Niederschlag gefunden hat. Was der Beteiligte tatsächlich gewollt hat, ist deshalb für sich genommen für den Inhalt seines Antrages ohne Bedeutung.
2. Soweit das FG das FA zur Änderung der Steuerbescheide für die Zugmaschinen und zur Festsetzung von Anhängerzuschlägen nach §10 Abs. 3 Nr. 6 KraftStG verurteilt hat, läßt sich sein Urteil auch nicht aufgrund anderer dem FA nachträglich bekanntgewordener Tatsachen als im Ergebnis richtig aufrechterhalten (§126 Abs. 4 FGO).
Der sinngemäß von der Klägerin nachträglich gestellte Antrag, einen Anhängerzuschlag nach §10 Abs. 3 Nr. 6 KraftStG festzusetzen, rechtfertigt eine Änderung der bestandskräftigen Steuerfestsetzungen nach §10 Abs. 3 Nr. 5 KraftStG nicht nur deshalb nicht, weil der Antrag nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG zu Beginn des betreffenden Besteuerungszeitraums gestellt werden muß (vgl. Urteil des Senats vom 20. August 1996 VII R 1 und 6/96, BFH/NV 1997, 152), sondern auch, weil es sich dabei um eine neue, bei Erlaß der zu ändernden Steuerbescheide noch nicht vorhandene und daher nicht um eine nachträglich bekanntgewordene Tatsache i.S. des §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 handelt (vgl. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1994 IX R 11/91, BFHE 176, 221, BStBl II 1995, 192).
Die (angebliche) Unrichtigkeit der Mitteilung über den Inhalt des von der Klägerin bei der Zulassungsstelle gestellten Antrages ist ebenfalls nicht, wie die Klägerin meint, eine Tatsache, die nach §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 die Änderung der Steuerbescheide rechtfertigen könnte. Nach §3 Abs. 1 Nr. 1 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) hatte die Klägerin bei der Wiederzulassung ihrer Zugmaschinen eine Steuererklärung abzugeben; es war ihr überlassen, ob sie darin ggf. einen Antrag nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG stellen und für welche Stufe des Anhängerzuschlages sie sich dabei entscheiden wollte. Der eigentliche Empfänger dieser Steuererklärung -- einschließlich des in ihr ggf. enthaltenen Antrages nach §10 Abs. 2 Satz 1 KraftStG -- war jedoch nicht die Zulassungsstelle, bei der die Steuererklärung lediglich anläßlich der verkehrsrechtlichen Zulassung der Lkw einzureichen war (vgl. Urteil des Senats vom 26. November 1991 VII R 38/90, BFHE 167, 179, BStBl II 1992, 440), sondern das FA. Die Zulassungsstelle ist nicht "Vertreter" des FA. Ein bei der Zulassungsstelle eingereichter Antrag wird deshalb nur wirksam, wenn er dem FA zugeht, und er wird nur mit dem Inhalt wirksam, mit dem er dem FA zugeht. Allein der Inhalt des dem FA zugegangenen Antrages ist also für die Steuerfestsetzung entscheidend. Eine unrichtige Unterrichtung des FA über eine bei der Zulassungsstelle vorgenommene Verfahrenshandlung wie das Einreichen eines Antrages stellt mithin keine Tatsache dar, die i.S. des §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu einer höheren Steuer führen kann.
Auch sonst sind keine Tatsachen erkennbar, die dem FA nach Erlaß seiner aufgrund der Anträge der Klägerin auf Wiederzulassung ihrer Zugmaschinen ergangenen Bescheide bekanntgeworden und für die festzusetzende Kraftfahrzeugsteuer von Bedeutung sind. Da es hinsichtlich der Festsetzung eines Anhängerzuschlags nur auf den bei dem FA eingegangenen Antrag und dessen unter Berücksichtigung der dem FA damals bekannten Umstände zu ermittelnden Inhalt ankommt, ist es vielmehr von vornherein ausgeschlossen, daß irgendwelche nachträglich bekanntwerdenden Tatsachen dafür von Bedeutung sein können, was die Klägerin beantragt hat.
Ob die Zulassungsstelle in dem Programm ihrer Datenverarbeitungsanlage dem Umstand hätte besonders Rechnung tragen müssen, daß infolge der Änderung des KraftStG für das Rechenzentrum der Finanzverwaltung der Vermerk "ANH.Z. = 5" eine andere Bedeutung erhalten hatte als er bisher besaß -- etwa durch Verzicht auf den automatischen Ausdruck "ANH.Z. = 5" in Anträgen auf Wiederzulassung einer Zugmaschine oder durch zusätzlichen Hinweis auf die geänderten Anhängerzuschläge --, ist für die Anwendung des §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 ohne Bedeutung. Denn selbst wenn dies Ermittlungspflichten des FA begründen könnte, würde deren Verletzung ebensowenig wie eine falsche Auslegung des gestellten Antrags eine Änderung der ergangenen Bescheide nach §173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 rechtfertigen, sondern höchstens deren Rechtswidrigkeit zur Folge haben können. Deshalb bedarf es für die hier zu treffende Entscheidung keiner Darlegung, daß das FA den (ihm von der Zulassungsstelle richtig übermittelten) Antrag der Klägerin richtig ausgelegt hat. Versäumnisse der Zulassungsstelle müßte sich das FA im übrigen ohnehin nicht entgegenhalten lassen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Oktober 1989 VII R 58/87, BFHE 158, 466, BStBl II 1990, 249, und vom 16. Dezember 1986 VII R 151/84, BFH/NV 1987, 198).
Soweit das FG der auf Verpflichtung des FA zur Änderung der Steuerbescheide für die Zugmaschinen gerichteten Klage stattgegeben hat, ist sein Urteil nach alledem aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Verpflichtungsklage ist abzuweisen.
3. Soweit das FG der gegen die Steuerbescheide für die Anhänger gerichteten Anfechtungsklage stattgegeben hat, verletzt sein Urteil ebenfalls Bundesrecht. Die in objektiver Klagehäufung mit der Verpflichtungsklage auf Festsetzung eines (höheren) Anhängerzuschlags verbundene Anfechtungsklage gegen die Steuerfestsetzung für die Anhänger ist allerdings -- was das FG stillschweigend unterstellt hat -- zulässig, obwohl die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide lediglich die logische Folge des (vermeintlichen) Anspruches auf Festsetzung des Anhängerzuschlags wäre. Die Klägerin mußte sich gleichwohl nicht damit begnügen, eine Aufhebung der angefochtenen Bescheide seitens des FA nach einem etwaigen Erfolg ihrer Verpflichtungsklage abzuwarten. Anders als bei einer infolge der Aufhebung eines Verwaltungsaktes von der Behörde zu erbringenden Leistung, die zugleich mit der Anfechtungsklage vor Gericht zu erstreiten im allgemeinen kein rechtsschutzfähiger Anlaß besteht (vgl. BFH-Entscheidungen vom 13. Juli 1989 IV B 44/88, BFH/NV 1990, 247, und vom 16. Juli 1980 VII R 24/77, BFHE 131, 158, BStBl II 1980, 632, betreffend den Antrag auf Folgenbeseitigung nach §100 Abs. 1 Satz 2 FGO), fehlt für die Klage gegen einen Steuerbescheid nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil damit gerechnet werden kann, daß er vom FA bei einem Erfolg einer gleichzeitig anhängigen Verpflichtungsklage nach §172 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 oder §173 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 aufgehoben werden wird (vgl. schon FG Nürnberg, Urteil vom 2. Februar 1983 V 257/82, EFG 1983, 463). Denn es ist nicht der einfachere, schnellere oder aus sonstigen Gründen vorzugswürdige Weg, die ggf. ohnehin nötige Aufhebung des Verwaltungsaktes im Verwaltungswege statt durch Gestaltungsurteil vorzunehmen, das ein nochmaliges Tätigwerden der Verwaltung -- anders als bei einem Leistungsurteil -- erübrigt.
Auch die Entscheidung des FG über die Anfechtungsklage kann indes keinen Bestand haben. Dabei kann offen bleiben, ob das FG die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Anhänger trotz der noch ausstehenden Erhebung der (zutreffenden) Anhängerzuschläge für die Zugmaschinen aufgrund seiner Entscheidung hinsichtlich der richtigen Besteuerung der Zugmaschinen nach §10 Abs. 1 Satz 1 KraftStG als rechtswidrig ansehen oder ob es diese Bescheide aufgrund einer besonderen prozessualen Befugnis in entsprechender Anwendung des §100 Abs. 4 FGO aufheben durfte. Denn die Kraftfahrzeugsteuerbescheide für die Anhänger sind jedenfalls deshalb nicht aufzuheben, sondern rechtmäßig, weil die Verpflichtungsklage unbegründet ist und die Voraussetzungen des §10 Abs. 1 Satz 1 KraftStG nicht vorliegen. Das Urteil des FG ist daher auch insoweit aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen (§126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 67485 |
BFH/NV 1998, 1265 |