Entscheidungsstichwort (Thema)
Kirchensteuerpflicht bei Glaubensübertritt; Bindung des BFH an Feststellungen des FG zu Bestand und Inhalt innerkirchlicher Bestimmungen
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Begründung der Kirchensteuerpflicht durch Glaubensübertritt (Konversion).
2. An die Feststellungen des FG zu Bestand und Inhalt innerkirchlicher Bestimmungen ist der BFH als Revisionsinstanz wie an eine Tatsachenfeststellung gebunden (§ 155 FGO i.V.m. § 560 ZPO). Die Bindungswirkung entfällt, soweit die erstinstanzlichen Feststellungen auf einem nur kursorischen Überblick über die zu behandelnde Materie beruhen.
Normenkette
GG Art. 4 Abs. 1, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3; KiStG Bay Art. 2 Abs. 2; ZPO § 560; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) wurde 1951 in Rumänien geboren. 1978 zog sie nach Deutschland und erklärte gegenüber der zuständigen Meldebehörde, sie sei katholisch. In den Einkommensteuererklärungen der folgenden Jahre gab sie ihre Religionszugehörigkeit stets mit "rk" an. Die katholische Kirchensteuer wurde bis einschließlich 1999 entrichtet.
Gegen den Kirchensteuerbescheid 2000 legte die Klägerin mit der Begründung Einspruch ein, sie sei nicht katholisch; die Angaben gegenüber den Behörden seien irrtümlich erfolgt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das katholische Kirchensteueramt ―KiStA―) wies den Einspruch unter Hinweis auf das bisherige Verhalten der Klägerin als unbegründet zurück.
In dem sich daran anschließenden Klageverfahren legte die Klägerin eine Taufbescheinigung vor, aus der hervorgeht, dass sie 1951 rumänisch-orthodox getauft wurde. Das KiStA verwies demgegenüber auf den Umstand, dass die Klägerin 1984 ihren Sohn aus zweiter Ehe habe katholisch taufen lassen. Im Rahmen der Tauffeier habe sie auf die Frage des Priesters: "Glaubst Du an die heilige katholische Kirche?", geantwortet: "Ich glaube". Durch dieses Bekenntnis sei die Klägerin jedenfalls, ungeachtet ihres ursprünglichen Glaubens, zum katholischen Glauben übergetreten und damit kirchensteuerpflichtig geworden. Das Finanzgericht (FG) folgte dem im Wesentlichen und wies die Klage als unbegründet zurück. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 142 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Sie beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die römisch-katholische Kirchensteuer 2000 auf 0 € festzusetzen.
Das KiStA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. a) Kirchensteuerpflichtig sind gemäß Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 des Bayerischen Gesetzes über die Erhebung von Steuern durch Kirchen, Religions- und weltanschauliche Gemeinschaften (KiStG Bay) i.d.F. der Bekanntmachung vom 21. November 1994 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1994, 1026) die Angehörigen von Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie weltanschaulichen Gemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Wer Angehöriger einer solchen Kirche oder Religionsgemeinschaft ist, bestimmt sich gemäß Art. 2 Abs. 2 KiStG Bay nach innerkirchlichem Recht (vgl. auch Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. Januar 2004 I R 63/02, BFH/NV 2004, 814; vom 24. März 1999 I R 124/97, BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499, m.w.N.). Über Bestand und Inhalt dieses Rechts hat gemäß § 155 FGO i.V.m. § 560 der Zivilprozessordnung (ZPO) das FG als Tatsacheninstanz zu entscheiden. Die diesbezüglichen Feststellungen binden den BFH als Revisionsgericht grundsätzlich wie tatsächliche Feststellungen (§ 118 Abs. 2 FGO; vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 814).
b) Das Recht der Religionsgemeinschaften, ihre Angelegenheiten und damit auch die Mitgliedschaft ihrer Angehörigen selbständig zu regeln, findet gemäß Art. 140 des Grundgesetzes (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) seine Schranken in den für alle geltenden Gesetzen (BFH-Urteile in BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499, und in BFH/NV 2004, 814, m.w.N.). Dazu gehören vornehmlich die Grundrechte und in diesem Zusammenhang vor allem Art. 4 Abs. 1 GG. Diese Regelung schützt insbesondere auch das Recht, über den Eintritt in eine Religionsgemeinschaft selbst zu bestimmen (Senatsurteil in BFHE 188, 245, 247, BStBl II 1999, 499, 500, m.w.N.). Demzufolge darf ―unabhängig von dem Recht der Kirchen zur selbständigen Ordnung der Kirchenmitgliedschaft― eine kirchliche Mitgliedschaftsregelung, die eine Person einseitig und ohne Rücksicht auf ihren Willen der Kirchengewalt unterwirft, nicht als Grundlage für die Kirchensteuerpflicht herangezogen werden (Urteil des Bundesverfassungsgerichts ―BVerfG― vom 31. März 1971 1 BvR 744/67, BVerfGE 30, 415, 423; BFH-Urteil in BFHE 188, 245, 248, BStBl II 1999, 499, 500, m.w.N.).
c) Der Wille, einer Religionsgemeinschaft anzugehören, muss sich in einem positiven Bekenntnis manifestieren. Setzt die maßgebliche innerkirchliche Regelung ihrerseits kein formalisiertes Bekenntnis zur Begründung der Mitgliedschaft voraus, so muss der in den staatlichen Kirchensteuergesetzen verwendete Begriff "Kirchenangehöriger" verfassungskonform in der Weise ausgelegt werden, dass als kirchensteuerpflichtiger Angehöriger einer Kirche bzw. Religionsgemeinschaft nur behandelt wird, wer sich ―persönlich oder durch seinen gesetzlichen Vertreter― durch eine nach außen hin erkennbare und zurechenbare Willensäußerung (vgl. § 130 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) zu dieser Kirche oder Religionsgemeinschaft bekannt hat (BFH-Urteile in BFHE 188, 245, BStBl II 1999, 499; in BFH/NV 2004, 814, beide m.w.N.). Eines formalisierten Eintrittsaktes (ausdrückliche Beitrittserklärung) bedarf es hierzu nicht, sofern der Wille des Betroffenen anderweitig in geeigneter Form Berücksichtigung finden kann (BFH-Urteil vom 6. Oktober 1993 I R 28/93, BFHE 172, 570, BStBl II 1994, 253).
2. Ob die auf den Streitfall anzuwendenden Vorschriften des katholischen Kirchenrechts zum Glaubensübertritt diesen Vorgaben entsprechen, vermag der Senat auf der Grundlage der Feststellungen des FG nicht zu entscheiden.
a) Den Ausführungen des FG zufolge ist der Übertritt eines rumänisch-orthodox getauften Christen zur katholischen Kirche (Konversion) nach den maßgeblichen innerkirchlichen Bestimmungen nicht an die Einhaltung spezieller Formvorschriften gebunden. Erforderlich und genügend soll hierzu lediglich sein, dass der nicht katholisch getaufte Christ ein formloses Bekenntnis zum katholischen Glauben ablegt. Der Betreffende müsse sich dabei ―so das FG weiter― der kirchenrechtlichen Bedeutung dieses Bekenntnisses, also des Übertritts zur katholischen Kirche, nicht einmal bewusst sein. Es genüge vielmehr eine Art "Parallelwertung in der Laiensphäre" dahin gehend, dass der Betreffende mit dem Bekenntnis seine Zugehörigkeit zur katholischen Kirche dokumentiere.
b) Es kann dahingestellt bleiben, ob eine solche Regelung mit Art. 4 Abs. 1 GG vereinbar wäre. Denn die Ausführungen des Gerichts über Bestand und Inhalt der maßgeblichen Bestimmungen der katholischen Kirche zum Glaubensübertritt können einer Entscheidung des Streitfalls nicht zugrunde gelegt werden. Sie beruhen auf einem nur kursorischen Überblick über die zu behandelnde rechtliche Problematik und entfalten daher keine Bindungswirkung (vgl. BFH-Urteil vom 26. April 1995 II R 13/92, BFHE 177, 492, BStBl II 1995, 540; ferner Lange in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Kommentar, § 118 FGO Rz. 68). Das FG beruft sich zur Begründung seiner Auffassung allein auf die Monographie von Zotz, Katholisch getauft - katholisch geworden, Beiheft 35, Münsterischer Kommentar zum CODEX IURIS CANONICI (2002). Weitere Quellen werden nicht herangezogen. Auf die konkrete Ausgestaltung des Übertrittsrechts in der kirchlichen Praxis geht das FG nicht näher ein. In der genannten Monographie heißt es jedoch ausdrücklich, die Konversion setze nicht nur die Taufe in einer anderen Kirche und das Glaubensbekenntnis des Aufzunehmenden voraus, sondern darüber hinaus eine Bitte um Aufnahme, eine entsprechende Unterrichtung (Katechumenat) und vor allem die hoheitliche Erklärung der Aufnahme durch die katholische Kirche; das Ablegen des Glaubensbekenntnisses bewirke "alleine noch nicht die Aufnahme in die volle Gemeinschaft der katholischen Kirche" (vgl. Zotz, a.a.O., S. 103, ebenso die ―vom FG ebenfalls zitierte― Zusammenfassung auf S. 141). Wie das FG vor diesem Hintergrund zu seiner Feststellung kommt, eine Konversion sei formlos möglich, ist nicht wie erforderlich nachvollziehbar.
c) Dem Senat ist es verwehrt, eigene Feststellungen zu Bestand und Inhalt des hier maßgeblichen innerkirchlichen Rechts zu treffen. Der Rechtsstreit war daher gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO an das FG zurückzuverweisen, ohne dass noch auf den von der Klägerin gerügten Verstoß gegen das rechtliche Gehör einzugehen ist. Für den zweiten Rechtsgang wird angeregt, die Frage, ob die Klägerin wirksam zum katholischen Glauben übergetreten ist, durch ein Sachverständigengutachten klären zu lassen (§§ 81 Abs. 1, 82 FGO i.V.m. §§ 404 ff. ZPO).
Fundstellen
Haufe-Index 1451050 |
BFH/NV 2006, 209 |
BStBl II 2006, 139 |
BFHE 2006, 573 |
BFHE 210, 573 |
BB 2005, 2677 |
DB 2006, 257 |
DStRE 2006, 182 |
DStZ 2005, 848 |
HFR 2006, 180 |
Inf 2006, 49 |
NWB 2005, 4015 |
NVwZ-RR 2007, 59 |
NWB direkt 2005, 11 |
RdW 2006, 457 |
StBW 2005, 6 |
Kirche & Recht 2006, 87 |
StB 2006, 6 |
stak 2006, 0 |