Leitsatz (amtlich)
Sind an einer GmbH zwei Gesellschaften mit je 50 v. H. beteiligt und üben die beiden Muttergesellschaften auf die GmbH einen beherrschenden Einfluß i. S. des § 17 des Aktiengesetzes vom 6. September 1965 aus, haben die Muttergesellschaften den Anspruch auf die Gewinnausschüttung gegen die GmbH in Ihren Steuerbilanzen für das abgelaufene Wirtschaftsjahr auszuweisen, wenn die Entstehung dieser Forderung tatsächlich gesichert erscheint (Fortführung der Entscheidung vom 2. April 1980 I R 75/76, BFHE 131, 196, BStBl II 1980, 702).
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 1; EStG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH - war zu 50 v. H. an der S-GmbH beteiligt; die Beteiligung hatte sie im November 1967 von der W-GmbH erworben und im März 1969 wieder veräußert. Die andere Hälfte der Anteile hielt die H-GmbH.
Allein zeichnungs- und vertretungsberechtigter Geschäftsführer der S GmbH war der Geschäftsführer der Klägerin.
Der Jahresabschluß 1968 der S-GmbH wurde in der Gesellschafterversammlung vom 6. April 1969 festgestellt, es wurde beschlossen, einen Betrag von 55 000 DM an die Klägerin auszuschütten. Der Jahresabschluß der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 1968 wurde in der Gesellschafterversammlung vom 7 Juli 1969 genehmigt.
In ihrer Körperschaftsteuererklärung 1969 kürzte die Klägerin unter Hinweis auf § 9 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1968 (KStG) den Bilanzgewinn um die Ausschüttung. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wies die Klägerin darauf hin, daß eine Kürzung des Gewinns nach der genannten Vorschrift nicht in Betracht komme, weil die Beteiligung der Klägerin an der S-GmbH im Jahre 1969 nicht ununterbrochen zwölf Monate bestanden habe. Die Klägerin vertrat demgegenüber die Auffassung, sie hätte den Gewinnanspruch schon zum 31. Dezember 1968 ausweisen können und reichte eine geänderte Bilanz auf diesen Stichtag ein, in der sie nachträglich den Gewinnanteil aus der Beteiligung an der S-GmbH für das Geschäftsjahr 1968 aktiviert hatte.
Im Körperschaftsteuerbescheid 1969 erhöhte das FA den zu versteuernden Einkommensbetrag um die Ausschüttung von 55 000 DM. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit dem Einspruch, der insoweit ohne Erfolg blieb. Mit der Klage machte sie geltend, das FA habe zu Unrecht die Ausschüttung dem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen 1969 zugerechnet. Bei dem Betrag handle es sich um einen schachtelbegünstigten Gewinn des Jahres 1968. In dieser Zelt sei er bei der Untergesellschaft entstanden und deshalb auch zum 31. Dezember 1968 bei ihr, der Klägerin, zu bilanzieren gewesen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der Revision. Sie ist der Auffassung, daß sie nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung den Gewinnanspruch schon in ihrem Jahresabschluß 1968 hätte aktivieren dürfen. Das ergebe sich aus der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 3. November 1975 II ZR 67/73 (BGHZ 65, 230) und dem handelsrechtlichen Schrifttum. Jedenfalls verfahre die Klägerin bei Gewinnansprüchen gegenüber ihren anderen Tochtergesellschaften in der Weise, daß sie die Gewinnansprüche dem Jahr zuordne, für das Ausschüttungen erfolgten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung ihr Einkommen um 55 000 DM niedriger anzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des FG erlauben dem erkennenden Senat keine abschließende Beurteilung der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Gewinne aus der Beteiligung an der S-GmbH schon in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1968 - so die Klägerin - oder erst in der Steuerbilanz zum 31. Dezember 1969 - so das FA - auszuweisen waren.
1. Das FG ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im allgemeinen erst dann in den Jahresabschluß aufzunehmen sind, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluß der Beteiligungsgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe begründet worden ist (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1973 I R 67/72, BFHE 111, 72, BStBl II 1974, 234; weiterhin BGHZ 65, 230 unter II 1.). Das FG hat auch nicht übersehen, daß nach der genannten Entscheidung des BGH die Aktivierung eines bei Ende des Wirtschaftsjahres rechtlich noch nicht fest entstandenen Gewinnanspruchs dann zulässig sein kann, wenn er sich gegen ein verbundenes Unternehmen mit gleichem Geschäftsjahr richtet, an dem die Gesellschaft mit Mehrheit beteiligt ist, und infolgedessen in dem Zeitpunkt, an dem diese Gesellschaft ihren Jahresabschluß feststellt, die Entstehung der Forderung tatsächlich gesichert erscheint. In der Vorentscheidung wird auch darauf hingewiesen, daß sich der Bundesminister der Finanzen (BdF) in dem Schreiben vom 3. Dezember 1976 (BStBl I 1976, 679) die Entscheidung des BGH zu eigen gemacht hat; er hat ihre Anwendung auf die Fälle ausgedehnt, in denen eine nicht mit Mehrheit beteiligte Obergesellschaft die Mehrheit der Stimmrechte an der Untergesellschaft besitzt oder durch eindeutige Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern, die zusammen die Mehrheit bei der Untergesellschaft besitzen, sichergestellt ist, daß ein entsprechender Beschluß über die Gewinnverwendung der Untergesellschaft gefaßt und durchgeführt wird (Pool-Vertrag). Das FG hat auch unter diesen Gesichtspunkten geprüft, ob der Gewinnanspruch nach handelsrechtlichen Grundsätzen schon in der Bilanz zum 31. Dezember 1968 hätte aktiviert werden können und nach steuerrechtlichen Grundsätzen hätte aktiviert werden müssen. Es hat das verneint. Als bedeutungslos sah es in diesem Zusammenhang insbesondere an, daß der Geschäftsführer der Klägerin für die Zeit ihrer Beteiligung zugleich auch der Geschäftsführer bei der S-GmbH war.
2. in der Entscheidung vom 2. April 1980 I R 75/76 (BFHE 131, 196, BStBl II 1980, 702), die das FG bei Abfassung seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigen konnte, hat der erkennende Senat die Grundsätze des Urteils in BGHZ 65, 230 auf die Aktivierung des Gewinnanspruchs einer Aktiengesellschaft angewendet, die nur mit 47, 5 v. H., also nicht mit Mehrheit, an einer anderen Aktiengesellschaft beteiligt war, aber zusammen mit dem anderen Aktionär die untergeordnete Aktiengesellschaft beherrschte. In dem damaligen Fall hatte stets Einigkeit zwischen den beiden Aktionären über die von der abhängigen Gesellschaft auszuschüttenden Dividenden bestanden. Der Senat hat sich davon leiten lassen, daß es bei übereinstimmendem Handeln die beiden Aktionäre in der Hand gehabt hätten, die von ihnen gewünschte Gewinnverteilung bei der abhängigen Gesellschaft durchzusetzen; bei Feststellung des Jahresabschlusses der Muttergesellschaft habe der Anspruch auf die ausgeschüttete Dividende der Tochtergesellschaft als gesichert erscheinen müssen. Aus diesem Grunde kam der BFH zu der Auffassung, daß die Muttergesellschaft ihre Forderung auf die Dividende nicht erst im Jahr der Beschlußfassung durch die Untergesellschaft, sondern schon im Jahresabschluß des vorangegangenen Geschäftsjahres, für das die Ausschüttung bestimmt war, in der Steuerbilanz aktivieren mußte.
Im Streitfall sind die Klägerin und die weitere Gesellschafterin ebenfalls eine GmbH zu je 50 v. H. an der S-GmbH beteiligt. Aus dem Gegenstand des Unternehmens aller drei Gesellschaften, soweit er im Firmennamen zum Ausdruck kommt, kann entnommen werden, daß sie in etwa der gleichen Branche angehören. Das kann den Schluß zulassen, daß die Klägerin und die andere Gesellschafterin sich aus spezifisch-betrieblichen und unternehmerischen Gesichtspunkten und nicht etwa aus Gründen der bloßen Kapitalanlage an der S-GmbH beteiligt haben. Für sich allein gesehen geben paritätische Beteiligungsverhältnisse von 50 : 50 an einer Kapitalgesellschaft jedem einzelnen Gesellschafter noch nicht die Macht, seinen Willen bei der Tochtergesellschaft durchzusetzen. Jeder Gesellschafter ist bei der Beeinflussung der gemeinsamen Tochtergesellschaft auf die Mitwirkung des anderen Gesellschafters angewiesen. Die beiden paritätisch beteiligten Gesellschafter können aber ihre Beeinflussungsmöglichkeit nicht nur von Fall zu Fall, sondern auf die Dauer ihrer paritätischen Beteiligung koordinieren. Im Streitfall kann dies dadurch geschehen sein, daß die beiden Gesellschafter den Geschäftsführer der einen Gesellschaft den Geschäftsführer der Klägerin zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der S-GmbH einsetzten. Gerade die Entsendung eines Geschäftsführers aus der Muttergesellschaft zur Führung der Geschäfte der Tochtergesellschaft wird in der Literatur als ein typisches Mittel angesehen, um die Tochtergesellschaft zu beherrschen und sie demzufolge als abhängiges Unternehmen i. S. des § 17 Abs. 1 des Aktiengesetzes vom 6. September 1965, (AktG 1965) zu qualifizieren (Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, § 17, Rdnr. 57). Es ist anerkannt, daß ein beherrschender Einfluß i. S. des § 17 AktG auch von mehreren gleichgeordneten Unternehmen ausgehen kann, sofern für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft ausreichende Grundlagen in Gestalt vertraglicher oder organisatorischer Bindung oder rechtlicher und tatsächlicher Umstände sonstiger Art bestehen (BGH-Urteil vom 4. März 1974 II ZR 89/72, Betriebs-Berater 1974 S. 572 - BB 1974, 572 -, durch das das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 30. Mai 1972 8 U 231/1971, BB 1972, 979, bestätigt wurde).
Es erscheint somit im Streitfall nicht ausgeschlossen, daß zwischen der Klägerin und der anderen Gesellschafterin den beiden Muttergesellschaften und der S-GmbH oder zwischen der Klägerin allein und der S-GmbH ein Abhängigkeitsverhältnis entsprechend dem § 17 Abs. 1 AktG 1965 vorgelegen hat. Ist das aber der Fall, ist der Klägerin nach den Grundsätzen der Entscheidungen in BGHZ 65, 230 und in BFHE 131, 196, BStBl II 1980, 702 das Recht zuzubilligen, den Anspruch auf die Gewinnausschüttung der S-GmbH für 1968 schon in ihrer Handelsbilanz zum 31. Dezember 1968 zu aktivieren. Es gelten hier die gleichen Grundsätze, auf die sich der BGH in BGHZ 65, 230 unter Bezugnahme auf Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff (Aktiengesetz, § 151 Anm. 74) gestützt hat. Die Aussagefähigkeit einer Bilanz, die den Geschäftserfolg eines bestimmten Jahres aufzeigen soll, könnte leiden, wenn im gleichen Geschäftsjahr erzielte Gewinne einer Tochtergesellschaft erst im folgenden Geschäftsjahr bei der Muttergesellschaft vereinnahmt werden durften. Dort ist auch ausgeführt, daß dem das Verbot des Ausweises unrealisierter Gewinne nicht entgegensteht. Diese Gefahr scheide aus, wenn bei der Aktivierung des Gewinnanteils (Dividende) dessen Ausschüttung bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung feststehe.
Durfte die Klägerin den von der S-GmbH auszuschüttenden Gewinnanteil schon in ihrem Jahresabschluß zum 31. Dezember 1968 - aufgrund eines handelsrechtlichen Aktivierungswahlrechts - ausweisen, bestand steuerrechtlich ein Zwang zur Aktivierung. Auf die Ausführungen in der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 8. Februar 1969 GrS 2/68 (BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291, unter II 3a) wird verwiesen.
3. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Sie ist daher aufzuheben. Es bedarf einer umfassenden Aufklärung aller Umstände tatsächlicher, organisatorischer und rechtlicher Art, die geeignet sind, das Verhältnis der S-GmbH zu ihren beiden "Muttergesellschaften" oder zu der Klägerin allein i. S. des § 17 AktG 1965 zu beurteilen. Davon hängt die Frage ab, in welchem Jahre die Klägerin den Anspruch auf die Gewinnausschüttung zu aktivieren hatte. Hat schon 1968 steuerrechtlich ein Zwang zur Aktivierung des Gewinnausschüttungsanspruchs bestanden, ist kein Raum mehr dafür, diesen Gewinn bei der Körperschaftsteuerveranlagung der Klägerin für das Streitjahr 1969 zu erfassen.
Fundstellen
Haufe-Index 413513 |
BStBl II 1981, 184 |
BFHE 1981, 80 |