Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Wertpapiere, die für Betriebskredite nicht nur kurzfristig oder vorübergehend zur Behebung vorübergehender Schwierigkeiten verpfändet worden sind, gehören zum notwendigen Betriebsvermögen mit der Folge, daß Erträge aus dem Verkauf der Wertpapiere Teil der Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 5
Tatbestand
Der Bf. betreibt einen Großhandel mit technischen Artikeln aller Art. Seine Firma ist nicht im Handelsregister eingetragen. Den Gewinn ermittelt er nach § 4 Abs. 1 EStG. Das Finanzamt hat den Bf. nach überprüfung seiner steuerlichen Verhältnisse, bei der das Buchführungsergebnis wegen der Nichtverbuchung erheblicher Geschäftsvorfälle durch Ergänzungsschätzungen berichtigt wurde, für die Kalenderjahre 1949 und 1950 zur Einkommensteuer und zur Gewerbesteuer veranlagt. In dem Gewinn, der diesen Veranlagungen zugrunde gelegt wurde, sind Erträge aus Wertpapierverkäufen enthalten, und zwar für 1949 in Höhe von 3120,90 DM und für 1950 in Höhe von 2648,50 DM. Die Bilanzen wiesen Wertpapierbestände von 6556,50 DM (am 31. Dezember 1949) und von 16 309 DM (am 31. Dezember 1950) aus.
Gegen die Heranziehung der Erträge aus den Wertpapierverkäufen wandte sich der Bf. mit dem Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid für 1950 und gegen die Gewerbesteuermeßbescheide für 1949 und 1950. Zur Begründung machte er geltend, als Minderkaufmann sei er nicht berechtigt, gewillkürtes Betriebsvermögen in seine Bilanzen aufzunehmen. Minderkaufleute dürften in ihren Bilanzen nur Wirtschaftsgüter führen, die dem Betrieb objektiv dienten. Die Wertpapiere seien jedoch nicht aus betrieblichen Gründen angeschafft worden; außerdem stehe ihm nicht das Recht zu, die Wertpapiere und deren Erträge in den Bilanzen zu führen, weil seine Buchführung verworfen worden sei. Die Bilanzen seien deshalb zu berichtigen. Für das Jahr 1949 sei der Erlös aus Wertpapierverkäufen einkommensteuerpflichtig, weil zwischen Anschaffungs- und Verkaufstag ein Zeitraum von weniger als zwölf Monaten liege; doch sei für die Gewerbesteuer der Erlös auch für 1949 aus dem Gewinn aus Gewerbebetrieb auszuscheiden. Im Jahre 1950 bestehe hinsichtlich der Erträge aus den Wertpapierverkäufen weder Einkommensteuer- noch Gewerbesteuerpflicht.
Die Zurückweisung des Einspruchs begründete das Finanzamt unter anderem damit, die Wertpapiere seien von April 1949 bis September 1950 für Bankkredite, die unstreitig am 31. Dezember 1949 70 346,22 DM und am 31. Dezember 1950 71 559,63 DM betragen hätten, verpfändet gewesen. Die vom Bf. zunächst als Betriebsvermögen behandelten Wertpapiere seien 1949 notwendiges Betriebsvermögen geworden, als sie den Zweck gehabt hätten, dem Bankkredit des Bf. zu dienen.
Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht ist davon ausgegangen, daß die als Kreditunterlage hingegebenen Wertpapiere notwendiges Betriebsvermögen gewesen seien. Notwendiges Betriebsvermögen könne sowohl der Steuerpflichtige haben, der den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittele, als auch der Steuerpflichtige, dessen Gewinn nach § 5 EStG ermittelt werde. Das Vorbringen der Beteiligten zu der Frage, ob der Bf., der den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermittele, berechtigt bzw. verpflichtet sei, in seinen Bilanzen gewillkürtes Betriebsvermögen zu führen, sei deshalb unbeachtlich. Zu dem notwendigen Betriebsvermögen seien alle Wirtschaftsgüter zu rechnen, die dem Betrieb objektiv zu dienen bestimmt seien. Dies gelte auch dann, wenn der Steuerpflichtige sie buchmäßig anders behandle. Die Aufnahme dieser Wirtschaftsgüter in die Bilanz sei erforderlich, wobei für die Frage, welche Wirtschaftsgüter aufzunehmen seien, die Verhältnisse des Betriebes und die Verkehrsauffassung maßgebend seien. Wertpapiere seien ohne weiteres dann notwendiges Betriebsvermögen, wenn ihr Ankauf in die eigentliche gewerbliche Betätigung des Kaufmanns, zum Beispiel eines Bankiers, falle oder wenn ihr Erwerb erkennbar mit dem Betriebszweig des Unternehmens zusammenhänge. Wertpapiere des Privatvermögens würden durch ihre Verwendung zur Erlangung von Geschäftskrediten nicht schon zu Teilen des Betriebsvermögens, wenn sie nur kurzfristig oder vorübergehend zur Behebung vorübergehender Nöte oder Schwierigkeiten in den Dienst des Betriebes gestellt würden. In dem Urteil des Reichsfinanzhofs III A 322/33 vom 12. Oktober 1933 (RStBl 1934 S. 56) sei unter anderem noch ausgeführt, der Begriff "dem Betrieb dienen" reiche weiter als der Begriff der gewerblichen Nutzung. Ein Grundstück könne zum Beispiel dadurch dem Betrieb dienen, daß es als Kreditunterlage verwertet würde. Erforderlich sei nach dem genannten Urteil lediglich, daß der Gegenstand dauernd - nicht nur kurzfristig oder vorübergehend zur Behebung vorübergehender Nöte oder Schwierigkeiten - in den Dienst des Betriebes gestellt sei. Im Streitfall sei es unerheblich, aus welchen Gründen der Bf. die Wertpapiere angeschafft habe. Aus der Höhe der Bankschulden sei zu schließen, daß die Wertpapiere nicht kurzfristig oder zur Behebung vorübergehender Schwierigkeiten in Pfand gegeben worden seien, sondern daß sie wesentlich dem Betrieb gedient hätten. Sie seien deshalb nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs als Betriebsvermögensteile in die Bilanzen aufzunehmen. Daraus folge, daß die Erträge zum Gewinn und zum Gewerbeertrag zu rechnen seien.
Zur Begründung der von ihm eingelegten Rb. trägt der Bf. vor, es sei richtig, daß er in der Zeit von April 1949 bis September 1950 verschiedentlich seinen privaten Wertpapierbesitz auf Veranlassung und unter Druck der Bank zur Absicherung seines Geschäftskredites hergegeben habe. Der jeweiligen Absicherungserklärungen gegenüber der Bank hätte es wohl nicht bedurft, wenn er, der Bf., den Wertpapierbesitz in dem angegebenen Zeitraum als Betriebsvermögen betrachtet hätte. Die Absicherungserklärungen seien erforderlich gewesen, weil auch die Bank die Wertpapiere als sein persönliches privates Eigentum angesehen habe. Die nicht exakte buchführungsmäßige Darstellung durch die Angestellten ändere hieran nichts, da der tatsächliche Wille des Steuerpflichtigen maßgebend sei. Das Finanzamt spreche in dem Einspruchsbescheid von einer dauernden Verpfändung, während nach der Feststellung des Finanzgerichts die Wertpapiere "fast ständig" verpfändet gewesen seien. Da letzteres der Fall sei, treffe der Begriff "dauernd" nicht zu. Diese Tatsache sei bei der Urteilsfindung durch das Finanzgericht nicht gewürdigt worden. Das Schreiben des früheren Bevollmächtigten vom 4. Februar 1956, in dem dieser dem Finanzgericht unter anderem mitgeteilt habe, daß die Wertpapiere "auch in den strittigen Jahren fast ständig verpfändet waren für geschäftliche Kredite der Banken", sei nicht genügend berücksichtigt worden. Das von dem Finanzgericht angezogene Urteil des Reichsfinanzhofs III A 322/33 vom 12. Oktober 1933 sei nicht richtig ausgelegt worden. Das Urteil des Reichsfinanzhof VI 797/38 vom 4. Januar 1939 (RStBl 1939 S. 284), auf das die Vorentscheidung ebenfalls Bezug genommen habe, spreche nur von Wertpapieren, die "ständig" als Kreditunterlage für geschäftliche Zwecke dienten. Es könne daher für den vorliegenden Fall nicht in Betracht kommen. Schließlich vertritt der Bf. erneut die Auffassung, daß er als Minderkaufmann kein gewillkürtes Betriebsvermögen haben könne.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Zutreffend ist das Finanzgericht davon ausgegangen, daß die Frage, ob notwendiges Betriebsvermögen vorliegt, nach der Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes zu entscheiden ist. Zum notwendigen Betriebsvermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb objektiv zu dienen bestimmt sind. Dies gilt sowohl für Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 5 EStG, als auch für solche, die, wie der Bf., den Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln. Die Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum notwendigen Betriebsvermögen ist nicht davon abhängig, wie das Wirtschaftsgut buchmäßig behandelt wird. Ein Wirtschaftsgut, das notwendiges Betriebsvermögen ist, ist es wegen seiner tatsächlichen Beziehung zum Betrieb (vgl. Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 6. Auflage, §§ 4, 5 Tz. 104).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ergibt sich folgendes: Im Streitfall haben die Wertpapiere dem Betrieb objektiv gedient, indem sie für Betriebskredite verpfändet waren. Allerdings hat die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der der erkennende Senat beitritt, in Fällen dieser Art die Wirtschaftsgüter nur dann als Teil des Betriebsvermögens angesehen, wenn sie dauernd dem Betrieb gedient haben (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs III A 322/33 vom 12. Oktober 1933, a. a. O., und VI 797/38 vom 4. Januar 1939, a. a. O.). Der Begriff "dauernd" kann hiernach jedoch nicht mit dem Begriff "endlos" gleichgesetzt werden. Ein Gegenstand dient vielmehr, wie der Reichsfinanzhof in dem Urteil III A 322/33 mit Recht hervorgehoben hat, dann dauernd einem Betrieb, wenn er nicht nur kurzfristig oder vorübergehend zur Behebung vorübergehender Nöte oder Schwierigkeiten in den Dienst des Betriebes gestellt ist. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts waren im Streitfall die Wertpapiere vom April 1949 bis zum September 1950 fast ständig in vollem Umfange für Betriebskredite verpfändet. Die Bank hat vor der Hingabe dieser über eine längere Zeit sich erstreckenden Kredite von nicht unerheblicher Höhe einen Druck auf den Bf. zur Leistung einer Sicherheit durch Verpfändung der Wertpapiere ausgeübt, dem dieser sich offensichtlich nicht entziehen konnte. Es muß deshalb angenommen werden, daß die Verpfändung der Wertpapiere der Aufrechterhaltung bzw. der Erweiterung der Betriebsmöglichkeiten des Bf. für längere Zeit gedient hat. Dafür spricht auch die buchmäßige Behandlung. Es ist nicht anzunehmen, daß der Bf. die Wertpapiere in die Bilanzen zum 31. Dezember 1949 und 31. Dezember 1950 aufgenommen hätte, wenn er selbst davon ausgegangen wäre, daß die Wertpapiere dem Betrieb nur vorübergehend dienen würden. Bei dieser Sachlage ist das Finanzgericht ohne Rechtsirrtum zu dem Ergebnis gekommen, daß die Wertpapiere nicht nur kurzfristig oder zur Behebung vorübergehender Schwierigkeiten für Betriebskredite in Pfand gegeben worden sind und daß sie aus diesem Grunde notwendiges Betriebsvermögen waren. Da es sich um notwendiges Betriebsvermögen handelt, kann es schon aus diesem Grunde nicht darauf ankommen, ob der Bf. Vollkaufmann oder Minderkaufmann ist.
Nicht begründet ist schließlich auch der Einwand des Bf., die Absicherungserklärungen gegenüber der Bank seien erforderlich gewesen, weil auch die Bank die Wertpapiere als Privatvermögen des Bf. betrachtet habe. Es ist zu beachten, daß die Verpfändung der Wertpapiere unabhängig davon, ob diese Betriebs- oder Privatvermögen waren, notwendig war, wenn die Bank gegenüber anderen Gläubigern des Bf. eine besondere Sicherheit durch ein Pfandrecht an den Wertpapieren erwerben wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 409616 |
BStBl III 1960, 139 |
BFHE 1960, 370 |
BFHE 70, 370 |
BB 1960, 436 |
DB 1960, 456 |