Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erklärungspflicht aufgrund des “Posterlasses”
Leitsatz (NV)
1. Der Erlass des Saarländischen Ministeriums der Finanzen vom 16. September 1997 zur Bewertung des Grundbesitzes der Deutschen Post AG im Bundesgebiet nach dem Gebietsstand vor dem 3. Oktober 1990 (Posterlass) enthält keine Aufforderung zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf den Nachfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1996.
2. Die Deutsche Post AG ist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nicht gehindert, sich auf Feststellungsverjährung zu berufen, wenn sie die Feststellungserklärung so rechtzeitig abgegeben hat, dass das Finanzamt die Feststellung ohne Weiteres innerhalb der regulären Feststellungsfrist hätte vornehmen können.
Normenkette
AO § 149 Abs. 1 S. 2, § 169 Abs. 1 S. 1, § 181 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Sätze 1-2; BewG § 28 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines mit einer Postfiliale bebauten Grundstücks in X. Gemäß Art. 12 Abs. 43 des Postneuordnungsgesetzes vom 14. September 1994 (BGBl I 1994, 2325, 2389) unterliegt die Klägerin ab 1. Januar 1996 der Grundsteuer.
In Abstimmung mit der Klägerin und im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder erließ das Saarländische Ministerium der Finanzen am 16. September 1997 eine Verwaltungsvorschrift zur Bewertung des Grundbesitzes der Deutschen Post AG (DP AG) im Bundesgebiet nach dem Gebietsstand vor dem 3. Oktober 1990 (Posterlass). In dessen Ziffer 1 heißt es u.a.:
"Ab dem 01.01.1996 sind für den gesamten Grundbesitz der DP AG Einheitswerte festzustellen. Im Interesse einer vereinfachten Erledigung, der Wahrung der Gleichmäßigkeit der Bewertung und der Vermeidung von Rechtsbehelfen wurden in Abstimmung mit der DP AG einheitliche Bewertungsgrundlagen erarbeitet.
Die DP AG wird den zuständigen Finanzämtern die erforderlichen Einheitswerterklärungen bzw. Anträge auf Zurechnungsfortschreibung ohne besondere Aufforderung übersenden. Auf entsprechende Anforderungen durch die Finanzämter sollte daher für den Feststellungszeitpunkt 01.01.1996 verzichtet werden.
Die Einheitswertfeststellungen sind nach Eingang der Erklärung bzw. des Antrags bevorzugt zu bearbeiten. Die Feststellungen sollten grundsätzlich endgültig erfolgen."
Am 8. Mai 1998 reichte die Klägerin bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts des Grundstücks in X auf den 1. Januar 1996 ein.
Mit Nachfeststellungsbescheid auf den 1. Januar 1996 vom 27. Dezember 2002 stellte das FA den Einheitswert für das Grundstück fest, traf die Artfeststellung Geschäftsgrundstück und rechnete das Grundstück der Klägerin zu. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Dabei machte sie den Ablauf der Feststellungsfrist geltend.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1745 veröffentlichten Urteil statt. Die Feststellungsfrist sei am 31. Dezember 2000 abgelaufen. Insbesondere sei keine Anlaufhemmung nach § 181 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) eingetreten, da die Klägerin nicht besonders aufgefordert worden sei, eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1996 abzugeben. Eine solche Aufforderung ergebe sich auch nicht aus dem Posterlass. Zudem enthalte der Bescheid keinen Hinweis nach § 181 Abs. 5 Satz 2 AO.
Mit der Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung der §§ 149 Abs. 1 und 181 Abs. 3 Satz 2 AO. Der Posterlass enthalte sowohl eine Erklärungsaufforderung i.S. des § 181 Abs. 3 Satz 2 AO als auch eine besondere Frist i.S. des § 28 Abs. 2 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG). Soweit die Klägerin dennoch den Ablauf der Feststellungsfrist geltend mache, verstoße sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin nicht zur Abgabe einer Feststellungserklärung auf den 1. Januar 1996 aufgefordert worden und deshalb die Feststellungsfrist bei Ergehen des angefochtenen Bescheides bereits abgelaufen war
1. Eine Steuerfestsetzung ist gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO gilt dies sinngemäß auch für die gesonderte Feststellung und damit auch für die Feststellung von Einheitswerten für das Grundvermögen.
Die Frist für die gesonderte Feststellung derartiger Einheitswerte beginnt gemäß § 181 Abs. 3 Satz 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahrs, auf dessen Beginn die Hauptfeststellung, die Fortschreibung oder die Nachfeststellung vorzunehmen ist. § 181 Abs. 3 Satz 2 AO lässt jedoch die Feststellungsfrist erst mit Ablauf des Kalenderjahrs beginnen, in dem die Erklärung eingereicht wird, spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, auf dessen Beginn der Einheitswert festzustellen ist.
Die Anlaufhemmung des § 181 Abs. 3 Satz 2 AO setzt allerdings voraus, dass eine Verpflichtung bestand, eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts abzugeben. Gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 AO bestimmen die Steuergesetze, wer zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Abgabe einer Einheitswerterklärung für eine Nachfeststellung besteht nicht. Nach § 28 Abs. 1 BewG sind Erklärungen zur Feststellung des Einheitswerts lediglich auf Hauptfeststellungszeitpunkte abzugeben. Auf Nachfeststellungs- und Fortschreibungszeitpunkte ist gemäß § 149 Abs. 1 Satz 2 AO zur Abgabe einer Einheitswerterklärung lediglich derjenige verpflichtet, der hierzu von der Finanzbehörde aufgefordert wird.
2. Im Streitfall ist es danach bei der regulären vierjährigen Feststellungsfrist gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO geblieben. Diese Frist war bei Ergehen des angefochtenen Bescheides bereits abgelaufen.
a) Eine Aufforderung des FA an die Klägerin, für das streitige Grundstück eine Einheitswerterklärung abzugeben, ist nicht ergangen. Eine solche Aufforderung i.S. des § 149 Abs. 1 Satz 2 AO zur Abgabe einer Erklärung ergibt sich auch nicht aus dem Posterlass, und zwar weder ausdrücklich noch konkludent. In Ziffer 1 des Posterlasses sagt die Klägerin nur zu, unaufgefordert Einheitswerterklärungen abzugeben. Das entbindet die Steuerbehörden nicht davon, den Lauf der Feststellungsfrist zu beachten.
b) Mit ihrer Berufung auf den Ablauf der Feststellungsfrist verstößt die Klägerin auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Sie ist ihrer Selbstverpflichtung aus Ziffer 1 des Posterlasses zur Abgabe der Einheitswerterklärung so rechtzeitig nachgekommen, dass das FA die Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1996 ohne weiteres noch innerhalb der regulären vierjährigen Feststellungsfrist hätte durchführen können, wie es den Vorstellungen der an der Erarbeitung des Posterlasses Beteiligten entsprochen hätte.
Fundstellen
Haufe-Index 2153991 |
BFH/NV 2009, 894 |