Leitsatz (amtlich)
Eine gesonderte Inrechnungstellung von Steuer i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 liegt nicht vor, wenn die in einem Vertrag enthaltene Abrechnung offenläßt, ob der leistende Unternehmer den Umsatz versteuern oder als nach § 4 Nr. 9 UStG 1967 steuerfrei behandeln will, und demgemäß die Abrechnungsvereinbarung für jeden der beiden Fälle eine alternative Ausgestaltung enthält.
Normenkette
UStG 1967 § 15 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte mit notariellem Vertrag vom 11. August 1978 das Grundstück in X von Frau A R.
§ 5 des notariellen Kaufvertrags lautet wie folgt:
"Der Gesamtkaufpreis für das Grundstück mit Gebäude beträgt 178 570 DM (in Worten: Einhundertachtundsiebzigtausendfünfhundertsiebzig Deutsche Mark) zuzüglich 12 % Mehrwertsteuer (21 430 DM).
Für den Fall, daß dieser Erwerbsvorgang nicht mehrwertsteuerpflichtig sein sollte, beträgt der Kaufpreis 200 000 DM (in Worten: Zweihunderttausend Deutsche Mark).
Von dem vorstehend genannten Kaufpreis entfallen 20 000 DM (einschließlich Mehrwertsteuer) auf den Grund und Boden, der Rest entfällt auf das Gebäude. Der Gesamtkaufpreis von 200 000 DM einschließlich Mehrwertsteuer ist von der Käuferin auf das Konto der Verkäuferin ... einzuzahlen."
Die Verkäuferin hat die Lieferung des Grundstücks nicht der Umsatzsteuer unterworfen, weil der Vorgang unter das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) Fällt und damit gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (Mehrwertsteuer) - UStG 1967 - umsatzsteuerfrei ist. Sie hat auf diese Steuerbefreiung nicht verzichtet.
Die Klägerin hat am 12. Januar 1979 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) eine Umsatzsteuervoranmeldung für das Jahr 1978 eingereicht, auf der vermerkt ist: "Zugleich Optionsantrag nach §§ 19 (4) UStG in Verbindung mit § 9 UStG." In dieser Voranmeldung hat sie ihre Umsätze von 8 762 DM dem allgemeinen Steuersatz von 12 v. H. unterworfen. Außerdem hat sie die Vorsteuern in Höhe von 21 654, 10 DM ausgewiesen. Hierin ist die im Grundstückskaufvertrag aufgeführte Umsatzsteuer von 21 430 DM mitenthalten.
Das FA erkannte den Vorsteuerabzug bezüglich dieses Betrages nicht an, weil die Veräußerung des Grundstücks an die Klägerin umsatzsteuerfrei geblieben sei. Der Einspruch blieb erfolglos.
Mit der Klage hat die Klägerin geltend gemacht, sie habe durch ihre Option nach § 19 Abs. 4 UStG 1967 die Berechtigung zum Vorsteuerabzug erlangt. In § 5 Abs. 1 des notariellen Kaufvertrages vom 11. August 1978 sei die Umsatzsteuer eindeutig mit 21 430 DM gesondert ausgewiesen. Sie hat daher beantragt, abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 21 430 DM anzuerkennen und demgemäß die zu entrichtende Umsatzsteuer um diesen Betrag niedriger festzusetzen.
Demgegenüber meint das FA, der Grundstückskaufvertrag vom 11. August 1978 stelle keine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis dar, weil der in § 5 Abs. 2 des Vertrages geregelte Fall vorliege. Da die Verkäuferin auf die Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967 nicht verzichtet habe, sei der Erwerbsvorgang nicht umsatzsteuerpflichtig. Für diesen Fall sehe der Kaufvertrag einen Kaufpreis von 200 000 DM ohne Umsatzsteuer vor.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß der von der Klägerin begehrte Vorsteuerabzug mangels eindeutiger gesonderter Inrechnungstellung von Umsatzsteuer scheitere (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967; vgl. Umsatzsteuer-Rundschau - UStR - 1981, 200 -).
Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet.
Der von ihr geltend gemachte Vorsteuerabzugsanspruch in Höhe von 21 430 DM scheitert schon daran, daß diese Steuer der Klägerin nicht gesondert in Rechnung gestellt ist (vgl. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967). Es kann daher dahinstehen, ob der Klägerin das Grundstück von einem Nichtunternehmer oder von einem Unternehmer (Regelversteuerer oder Kleinunternehmer i. S. des § 19 UStG 1967) geliefert worden ist. Auch auf die vom FG erörterte Frage, ob die Grundstücksveräußerung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1967 umsatzsteuerfrei gewesen sei oder nicht, kommt es nicht an. Denn es fehlt bereits an der von § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 geforderten gesonderten Inrechnungstellung der Steuer.
Eine gesonderte Inrechnungstellung von Steuer, die gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 beim Rechnungsempfänger zum Vorsteuerabzugsanspruch führt, kann zwar grundsätzlich auch Bestandteil eines Vertrages sein (vgl. Urteil des Senats vom 4. März 1982 V R 107/79). Aussteller einer derartig im Vertrag enthaltenen Abrechnung mit gesondert in Rechnung gestellter Steuer ist bei einem gegenseitigen Vertrag dann in der Regel derjenige, der die Lieferungen oder Leistungen, welche in dem Vertrag berechnet werden, erbracht hat oder erbringen soll, da ihn die Abrechnungslast trifft. Die in der Abrechnung enthaltene gesonderte Inrechnungstellung von Steuern muß jedoch wie bei jeder anderen Abrechnungsform eindeutig, klar und in jedem Falle unbedingt sein, weil der Aussteller mit dem gesonderten Steuerausweis eine besondere steuerrechtliche Verantwortung übernimmt. Einerseits verschafft er dem Empfänger der Abrechnung eine der Voraussetzungen, die nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 zum Vorsteuerabzug führen können. Andererseits schuldet er den von ihm ausgewiesenen Steuerbetrag, wenn er als Nichtunternehmer oder Kleinunternehmer i. S. des § 19 UStG 1967 zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (§ 14 Abs. 3 UStG - zweite Alternative - 1967).
An einem unbedingten gesonderten Steuerausweis fehlt es im Vertrag vom 11. August 1978, in dem zwar (im ersten Absatz des § 5) die Steuer zunächst gesondert ausgewiesen ist, dann aber (im zweiten Absatz) weiter bestimmt ist, daß der Kaufpreis für den Fall, daß der Erwerbsvorgang nicht umsatzsteuerpflichtig sein sollte, 200 000 DM betrage. Aus welchen Gründen die Vertragspartner diese Gestaltung gewählt haben, kann hier dahinstehen. Jedenfalls ist aus der Vertragsvereinbarung nicht zu entnehmen, daß die Verkäuferin die Steuer in Höhe von 21 430 DM jetzt schon der Klägerin gesondert in Rechnung stellen wollte; denn für den Fall, daß der Erwerbsvorgang nicht umsatzsteuerpflichtig sein sollte, enthält der Vertrag eine dieser Annahme zuwiderlaufende Alternativvereinbarung in bezug auf den (zivilrechtlichen) Kaufpreis. Da die Parteien nach dem Wortlaut des Vertrages bei Vertragsabschluß selbst noch nicht wußten, wie der Verkaufsvorgang umsatzsteuerrechtlich behandelt werden sollte, enthält der Vertrag lediglich eine alternative Vorausregelung über den Kaufpreis und dessen Berechnung. Welche der Alternativen endgültiger Vertragsbestandteil werden sollte, war in die einseitige Entscheidung der Verkäuferin gestellt. Diese mußte nach ihrer Entscheidung über die Versteuerung des Grundstücksumsatzes eine endgültige schriftliche Erklärung gegenüber der Klägerin abgeben, ob sie sich für die Preisvereinbarung nach § 5 Absatz 1 oder § 5 Absatz 2 des Vertrages entschieden habe. Nur in dieser Erklärung kann eine steuerrechtliche Wirkungen erzeugende Abrechnung gesehen werden. Da dies nicht geschehen ist, fehlt es auf der Basis des Vertrages vom 11. August 1978 an einer gesonderten Inrechnungstellung der Umsatzsteuer. Dieses Ergebnis wird durch folgende Überlegung bestätigt: Würde der Klägerin bei der gegebenen Sachlage der begehrte Vorsteuerabzugsanspruch gewährt und daraufhin die Verkäuferin des Grundstücks vom FA in Anspruch genommen werden, so würde und könnte diese einwenden, daß hier nach dem weiteren Ablauf der Vertragsabwicklung nicht § 5 Absatz 1, sondern § 5 Absatz 2 des Vertrages endgültiger Vertragsbestandteil geworden sei, so daß es an einem umsatzsteuerpflichtigen Vorgang fehle und sie somit Umsatzsteuer nicht gesondert ausgewiesen habe.
Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl II 1982, 317 |
BFHE 1982, 134 |