Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Erstattung von Kraftfahrzeugsteuer im Konkurs
Leitsatz (NV)
Ein Anspruch auf Erstattung von Kraftfahrzeugsteuer gehört zur Konkursmasse, wenn der Rechtsgrund für die Erstattung auf Steuer(-voraus-)zahlungen zurückzuführen ist, die der Gemeinschuldner vor der Eröffnung des Konkursverfahrens geleistet hat.
Normenkette
AO 1977 § 37 Abs. 2; KraftStG 1979 §§ 6, 11 Abs. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 3; KO §§ 1, 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1, § 55 Nr. 1
Tatbestand
Durch amtsgerichtlichen Beschluß wurde über das Vermögen der X-GmbH (Gemeinschuldnerin) das Konkursverfahren eröffnet und der Kläger zum Konkursverwalter bestellt. Der Kläger meldete nach Konkurseröffnung zwei Fahrzeuge der Gemeinschuldnerin ab. Das Finanzamt (FA) setzte die Kraftfahrzeugsteuer neu fest. Danach ergab sich ein Anspruch auf Erstattung von Kraftfahrzeugsteuer. Gegen dieses Guthaben rechnete das FA rückständige, vor Konkurseröffnung entstandene und fällig gewordene Lohnsteuer auf. Hierüber erging ein Abrechnungsbescheid.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte aus, die Aufrechnung sei gemäß § 55 Nr. 1 der Konkursordnung (KO) unzulässig gewesen, weil der Erstattungsanspruch nicht vor Eröffnung des Konkursverfahrens, auch nicht bedingt, entstanden sei.
Ob ein Erstattungsanspruch als vorkonkurslicher Anspruch zu werten sei oder zur Masse gehöre, sei ausschließlich nach Konkursrecht zu beantworten. Eine Konkursforderung liege gemäß § 3 Abs. 1 KO vor, wenn der Vermögensanspruch zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens begründet sei. Der Kraftfahrzeugsteuer-Erstattungsanspruch sei im Streitfall nicht vor Eröffnung des Konkursverfahrens, auch nicht bedingt, entstanden.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die fehlerhafte Anwendung des § 55 Nr. 1 KO durch das FG. Die Aufrechnung gegegen den Kraftfahrzeugsteuer-Erstattungsanspruch sei zulässig. Der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch werde bei der Kraftfahrzeugsteuer bereits zu dem Zeitpunkt gelegt, zu dem die Steuer im voraus entrichtet werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Der vom Kläger zugunsten der Konkursmasse geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Kraftfahrzeugsteuer ist durch wirksame Aufrechnung des FA erloschen. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist somit rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Auf Grund der von der Vorinstanz getroffenen Feststellungen, die für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), ist davon auszugehen, daß der Gemeinschuldnerin ein Erstattungsbetrag wegen Kraftfahrzeugsteuer zustand, daß diesem Anspruch mindestens gleich hohe vorkonkursliche Steuerforderungen gegen die Gemeinschuldnerin gegenüberstanden und daß die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung (§ 226 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -, §§ 387ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -; zur Aufrechnungsbefugnis im Konkurs vgl. § 53 KO) vorlagen. Hiervon gehen übereinstimmend auch die Parteien aus. Es steht ebenfalls fest, daß das FA mit den Steuerforderungen nach Konkurseröffnung wirksam aufgerechnet hat.
2. Der vom FG in seinem Urteil vertretenen Auffassung, daß die Aufrechnung gemäß § 55 Nr. 1 KO unzulässig sei, weil der Erstattungsanspruch nicht vor Konkurseröffnung, auch nicht bedingt, entstanden sei, ist nicht zu folgen.
a) Bei der Frage, wann ein steuerlicher Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 AO 1977 entsteht, werden in Rechtsprechung und Schrifttum unterschiedliche Auffassungen vertreten (vgl. hierzu mit Hinweisen auf Rechtsprechung und Schrifttum Urteil des Senats vom 6. Februar 1990 VII R 86/88, BFHE 160, 108, BStBl II 1990, 523; Hein, Überlegungen zur Entstehung des steuerlichen Erstattungsanspruchs, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1990, 301ff.).
Während nach der materiellen Rechtsgrundtheorie der Erstattungsanspruch schon dann entsteht, wenn etwas gezahlt wird, was nach dem materiellen Recht nicht geschuldet wird, verlangt die formelle Rechtsgrundtheorie darüber hinaus die Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung, aufgrund dessen die materiell-rechtlich nicht geschuldete Steuer geleistet worden ist.
b) Im Streitfall ist eine Auseinandersetzung mit diesen Meinungen entbehrlich, da hinsichtlich der hier maßgeblichen Zugehörigkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis zur Konkursmasse Sondervorschriften des Konkursrechts eingreifen.
Im Konkurs des Steuerpflichtigen kommt es für die Frage, ob ein Erstattungsanspruch zur Konkursmasse gehört (vgl. § 1 Abs. 1 KO), nicht darauf an, ob der Anspruch zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung im steuerrechtlichen Sinne entstanden war. Maßgeblich ist hier nicht die Vollrechtsentstehung, sondern der Zeitpunkt, in dem nach konkursrechtlichen Grundsätzen der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt worden ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Mai 1979 VIII R 58/77, BFHE 128, 146, BStBl II 1979, 639; Senats-Urteile vom 12. Januar 1984 VII R 155/82, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Konkursordnung, § 54, Rechtsspruch 1; vom 4. August 1987 VII R 11/84, BFH/NV 1987, 707, und vom 29. Januar 1991 VII R 45/90, BFH/NV 1991, 791).
c) Nach den §§ 53, 54 KO ist ein Gläubiger des Gemeinschuldners außerhalb des Konkursverfahrens zur Aufrechnung befugt, wenn die aufzurechnenden Forderungen bereits zur Zeit der Eröffnung des Konkursverfahrens bestanden haben, wobei es nach § 54 Abs. 1 KO unschädlich ist, wenn die Forderungen oder eine von ihnen zu diesem Zeitpunkt noch bedingt waren. § 55 Nr. 1 KO schließt aber die Aufrechnung im Konkurs aus, wenn jemand vor oder nach der Eröffnung des Verfahrens eine Forderung an den Gemeinschuldner erworben hat und nach der Eröffnung etwas zur Masse schuldig geworden ist. Im Streitfall standen diese Vorschriften des Konkursrechts der Aufrechnung durch das FA nicht entgegen; der vom Kläger geltend gemachte Erstattungsanspruch ist somit erloschen (§ 226 Abs. 1 AO 1977, §§ 387, 389 BGB).
d) Nach konkursrechtlichen Grundsätzen war der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch bereits vor Konkurseröffnung gelegt worden. Die Erstattungsansprüche waren somit vor der Konkurseröffnung zumindest aufschiebend bedingt entstanden (§ 54 Abs. 1 KO).
Bei Steuervorauszahlungen erlangt der Steuerpflichtige bereits mit der Zahlung einen Erstattungsanspruch unter der aufschiebenden Bedingung, daß die nach Ablauf des Veranlagungs- oder Entrichtungszeitraums geschuldete Steuer geringer ist als die Summe der geleisteten Vorauszahlungen. Dieser aufschiebend bedingte Anspruch gehört zur Konkursmasse (§ 1 Abs. 1 KO), auch wenn die aufschiebende Bedingung - und damit die Vollrechtsentstehung - erst nach Konkurseröffnung eintritt.
Diese zur Einkommensteuer (BFHE 128, 146) entwickelten Rechtsgrundsätze wurden vom erkennenden Senat auch auf die Körperschaftsteuer (StRK, Konkursordnung, § 54, Rechtsspruch 1; BFH/NV 1991, 791) und die Umsatzsteuer (BFH/NV 1987, 707) angewendet; sie finden auch Anwendung auf die Kraftfahrzeugsteuer (Senats-Urteil vom 9. Februar 1993 VII R 12/92, BFHE 170, 300, BStBl II 1993, 94, 207).
e) Die Kraftfahrzeugsteuer entsteht nach § 6 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) mit Beginn der Steuerpflicht, bei fortlaufenden Entrichtungszeiträumen mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums, der in der Regel einem Jahr entspricht (§ 11 Abs. 1 KraftStG). § 6 betrifft aber nicht eigentlich den Kraftfahrzeugsteuer-Tatbestand, der - aufbauend auf der Steuerbarkeit (§ 1 Abs. 1 KraftStG) - durch § 5 KraftStG (Steuerpflicht) und § 7 KraftStG (Steuerschuldner) umschrieben wird, sondern die Kraftfahrzeugsteuer-Zahlungsschuld (Klein/Olbertz, Kommentar zum Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl., § 6 Anm. 1), somit die Steuerschuld als Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 38 AO 1977). Sie entsteht mit Beginn der Steuerpflicht, regelmäßig also mit Beginn des jeweiligen Entrichtungszeitraums, und wird, wenn der Zeitpunkt der Beendigung der Steuerpflicht nicht feststeht, unbefristet festgesetzt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KraftStG). Für den Entrichtungszeitraum ist die Steuer somit aus erhebungstechnischen Gründen im voraus zu entrichten (vgl. BFH-Beschluß vom 31. Januar 1973 II B 79/72, BFHE 108, 56, BStBl II 1973, 197).
Die Dauer der Steuerpflicht ist im Regelfall von der verkehrsrechtlichen Zulassung des Fahrzeugs abhängig (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Bei Beendigung der Steuerpflicht, z.B. durch Abmeldung des Fahrzeugs, ist die Steuer für die Zeit vom Beginn des (letzten) Entrichtungszeitraums, in den das Ende der Steuerpflicht fällt, bis zum Ende der Steuerpflicht durch Endbescheid neu festzusetzen (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG). Überzahlte Steuer ist nach § 37 Abs. 2 AO 1977 von Amts wegen zu erstatten (Klein/Olbertz, a.a.O., § 12 Anm. 8; Strodthoff, Kommentar zum Kraftfahrzeugsteuergesetz, § 12 Rdnr. 8).
Dieser Erstattungsanspruch hat seinen Rechtsgrund in der Verpflichtung zur Vorausentrichtung der Kraftfahrzeugsteuer (vgl. § 11 Abs. 1 KraftStG) zu Beginn der Steuerpflicht. Mit der Zahlung der Steuer wird unter der aufschiebenden Bedingung, daß die Steuerpflicht vor Ende des Entrichtungszeitraums endet (vgl. § 5 KraftStG), der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt. Zumindest bei auf unbestimmte Zeit zugelassenen Fahrzeugen und damit verbundenen fortlaufenden Entrichtungszeiträumen erfolgt die Steuerzahlung unter der Bedingung der Steuerpflicht während des ganzen Entrichtungszeitraums. Stellt sich wegen der Abmeldung des Fahrzeugs heraus, daß die im voraus entrichtete Steuerzahlung den schließlich gesetzlich geschuldeten Betrag übersteigt, ist die Bedingung für den Erstattungsanspruch eingetreten. Einer Festsetzung des Erstattungsanspruchs bedarf es nicht.
Im Streitfall führt die dargestellte Rechtslage dazu, daß mit der vor Konkurseröffnung durch die Gemeinschuldnerin bewirkten Zahlung der Kraftfahrzeugsteuer für den regelmäßigen Entrichtungszeitraum von einem Jahr der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt worden ist, der mit der Abmeldung der Fahrzeuge zur Entstehung gelangt ist. Der Anspruch auf den Erstattungsbetrag, der aus dem vorkonkurslichen Vermögen geleistet worden ist, gehört somit zur Konkursmasse und stellt keinen konkursfreien Neuerwerb dar (ebenso: FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 1991 3 K 328/88, EFG 1992, 2).
Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, daß bis zur Abmeldung der Fahrzeuge, also bis zu einem Zeitpunkt nach Konkurseröffnung, die Kraftfahrzeugsteuer mit Rechtsgrund gezahlt worden ist und sich ein Erstattungsanspruch nur für einen Teil des Entrichtungszeitraumes ergibt, der nach der Konkurseröffnung liegt. Wie oben ausgeführt, kommt es für die Frage der Zugehörigkeit zur Konkursmasse allein auf den Zeitpunkt an, in dem der Rechtsgrund für den Erstattungsanspruch gelegt worden ist - hier die Zahlung - und nicht auf den Zeitpunkt der materiell-rechtlichen oder formellen Entstehung des Anspruchs bzw. auf seinen zeitlichen Anknüpfungs- oder Bezugspunkt.
f) Die zur Kraftfahrzeugsteuer aus dem KraftStG gezogenen Schlüsse für das Bestehen eines aufschiebend bedingten Erstattungsanspruchs werden durch den konkursrechtlichen Grundsatz bestätigt, daß Steuererstattungsansprüche in die Konkursmasse fallen, wenn die Steuerzahlungen, die zu diesen Ansprüchen geführt haben, entweder aus der Konkursmasse oder aus dem vorkonkurslichen Vermögen - also der späteren Konkursmasse - erfolgten (BFHE 128, 146, 148; Beermann in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, zu § 251 AO 1977 Anm. 47; Frotscher, Steuern im Konkurs, 3. Aufl., S. 47; Kuhn/Uhlenbruck, Kommentar zur Konkursordnung, 10. Aufl., § 1 Rdnr. 73b). Dieser Fall liegt hier vor. Die spätere Gemeinschuldnerin leistete die Steuerzahlungen aus ihrem vorkonkurslichen Vermögen. Also gehören auch die Ansprüche auf Erstattung von Kraftfahrzeugsteuer in das Konkursvermögen.
g) Soweit das FG seine Entscheidung darauf stützt, daß der Erstattungsanspruch von einer Handlung des Konkursverwalters, nämlich der Abmeldung der Fahrzeuge, abhing und deshalb erst während des Konkursverfahrens begründet worden sei, vermag diese Erwägung nicht zu überzeugen.
Zwar hat der BFH (BFHE 128, 146, 148) für die Zugehörigkeit des Erstattungsanspruchs zur Konkursmasse ergänzend zu der Voraussetzung der Zahlung der Steuerschuld aus dem vorkonkurslichen Vermögen verlangt, daß der Konkursverwalter keinerlei Tätigkeiten entfalten mußte, die einen Neuerwerb durch ihn rechtfertigen könnten. Eine solche Tätigkeit war im Streitfall aber nicht nötig. Die bloße Abmeldung der Fahrzeuge als steuertechnische Voraussetzung für die Beendigung der Steuerpflicht ist nicht ausreichend, um damit einen konkursfreien Neuerwerb zu rechtfertigen, da damit keinerlei Gegenleistung aus dem nachkonkurslichen Vermögen des Gemeinschuldners verbunden ist. Die Abmeldung war vielmehr zur Erhaltung der Konkursmasse und Befriedigung der Gläubiger geboten, um keine weiteren mit dem Halten eines Fahrzeuges verbundenen Kosten entstehen zu lassen. Es handelte sich mithin nur um eine pflichtgemäße Maßnahme des Konkursverwalters zur Sicherung der Masse.
Fundstellen
Haufe-Index 419194 |
BFH/NV 1994, 287 |