Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ersetzt ein Arbeitgeber Reisekosten mit niedrigeren Pauschsätzen, als sie in Abschn. 21 LStR aufgeführt sind, so spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, daß die gezahlten Beträge den tatsächlichen Aufwand abgelten.
Wird die Vermutung widerlegt, kann in der Regel der Unterschied zu den Pauschbeträgen im Abschn. 21 LStR 1963 ohne Einzelnachweis als Werbungskosten anerkannt werden.
Normenkette
EStG § 9; LStDV § 20; LStR Abschn. 21
Tatbestand
Der steuerpflichtige Ehemann (Stpfl.) ist Verkaufsleiter einer Maschinenfabrik. Für die Dienstreisen, die er mit seinem Opel- Rekord ausführt, vergütet ihm der Arbeitgeber 0,21 DM je Fahrtkilometer und 15 DM an Tagesspesen (7,50 DM bei Reisen zwischen 6 und 12 Stunden). Bei der Veranlagung 1964 beantragte der Stpfl. unter Hinweis auf § 20 LStDV 1962 und Abschn. 21 Abs. 4, 6, 7 und 10 LStR 1963, ihm den Unterschied gegenüber den dort gewährten Sätzen als Werbungskosten anzuerkennen.
Das FA lehnte das ab, weil die vom Arbeitgeber gewährten Beträge als voller Ersatz der durch die Dienstreisen veranlaßten Aufwendungen gedacht seien. Das werde besonders deutlich bei dem Kilometersatz von 0,21 DM, der der Tabelle des ADAC für den Wagentyp des Stpfl. bei rd. 40.000 km Jahresleistung entspräche. Der Ansatz der Pauschbeträge nach den LStR würde im Streitfall zu einer unzutreffenden Besteuerung führen.
Der Stpfl. behauptete demgegenüber, sein Arbeitgeber gebe ihm nur Zuschüsse zu den Reisekosten. Hinsichtlich der Tagesspesen trug er vor, mit Rücksicht auf seinen Arbeitgeber müsse er in erstrangigen Gaststätten verkehren, zumal dort auch Besprechungen mit der Kundschaft stattfänden.
Die Klage hatte bezüglich des Kilometergeldes zum Teil und wegen des Verpflegungsmehraufwandes vollen Erfolg. Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 120 veröffentlicht ist, führte aus, der in Abschn. 21 Abs. 6 und 10 LStR vorgesehene Satz von 0,25 DM stehe dem Stpfl. ohne Nachweis nicht zu, weil er offensichtlich den tatsächlichen Kosten nicht entspreche. Es sei zu beanstanden, daß das FA den Aufwand des Stpfl. an Hand der ADAC-Tabelle geschätzt habe. Jedoch weise diese für den vom Stpfl. benutzten Wagen bei einer Jahresleistung von 40.000 km die Kosten mit 0,216 DM je km aus. Es müßten daher dem Stpfl. 0.006 DM je km als Werbungskosten zuerkannt werden. Seinen Verpflegungsmehraufwand habe der Stpfl. zwar ebenfalls nicht nachgewiesen. Hier kämen jedoch die Pauschbeträge in Abschn. 21 Abs. 4 Nr. 3 LStR zum Zuge, die in der Regel ohne Einzelnachweis anerkannt werden könnten. Der BFH gehe zwar im Urteil IV 24/53 U vom 13. August 1953 (BFH 58, 13, BStBl III 1953, 296) von der Annahme aus, daß der Arbeitgeber immer dann, wenn er dem Arbeitnehmer einen Mehraufwand vergüte, vollen Ersatz leiste. Die Lebenserfahrung bestätige diese Auffassung jedoch nicht. Die Pauschbeträge der Richtlinien seien vielmehr Erfahrungssätze, die sich für die verschiedenen Einkommensstufen im Rahmen des üblichen Aufwands bewegten. Danach stehe dem Stpfl. der Pauschbetrag für Verpflegungsmehraufwand ohne Einzelnachweis zu.
Mit der Revision rügt das FA Verstoß gegen § 9 EStG - § 20 LStDV -, weil das FG ohne Glaubhaftmachung des tatsächlichen Aufwands über die erstatteten Beträge hinaus Werbungskosten anerkannt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Zu den Pauschbeträgen in den LStR Abschn. 21 für Mehraufwand an Verpflegung und für die Benutzung des eigenen Pkw auf Dienstreisen hat der Senat mehrfach ausgeführt, daß die Anweisungen schwierige, zum Teil die persönliche Lebenshaltung berührende Ermittlungen vermeiden und dadurch der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens dienen wollen. Die Anweisungen sind zwar keine Rechtsnormen und es besteht deshalb kein vor den Steuergerichten verfolgbarer Rechtsanspruch auf ihre Anwendung in jedem Falle. Die Pauschsätze sind vielmehr Schätzungen im Sinne des § 217 AO, die auf Erfahrungen der Finanzbehörden beruhen und im Interesse möglichster Gleichbehandlung der Steuerpflichtigen auch von den Steuergerichten angewendet werden sollen, so lange sie nicht im Einzelfalle offensichtlich zu falschen Ergebnissen führen. Der angestrebten Vereinfachung und Gleichbehandlung entspricht es nicht, Einzelfälle allzu intensiv zu prüfen; die Nichtanwendung der Richtsätze muß auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (Entscheidungen des Senats betreffend Verpflegung auf Dienstreisen: VI 143/60 U vom 11. August 1961, BFH 73, 669, BStBl III 1961, 509; VI 116/65 vom 17. August 1966, BFH 86, 713, BStBl III 1966, 634; VI R 168/66 vom 14. April 1967, BFH 88, 422, BStBl III 1967, 430; betreffend Reisekosten mit eigenem Pkw: VI 101/62 U vom 28. Juni 1963, BFH 77, 290, BStBl III 1963, 425).
Eine Besonderheit ergibt sich, wenn der Arbeitgeber Dienstreisekosten vereinbarungsgemäß mit Pauschbeträgen ersetzt, die niedriger sind als die Sätze in Abschn. 21 LStR. Es fragt sich dann, ob der Unterschied ohne Einzelnachweis als Werbungskosten berücksichtigt werden kann. In solchen Fällen kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, daß die vertraglich festgelegten Sätze auf die Erfordernisse des einzelnen Arbeitsverhältnisses abgestimmt und mit Ihnen die vollen Kosten der Dienstreisen ersetzt sind. Würden in solchen Fällen immer und ohne weiteres die höheren Pauschsätze der LStR angewendet, so führte dies notwendig zu einer unrichtigen Besteuerung. Dem läßt sich nicht allgemein entgegenhalten, daß nach der Lebenserfahrung der vorstehende Schluß oft nicht zutrifft. Diesem Umstand trägt die Rechtsprechung dadurch ausreichend Rechnung, daß sie nur eine widerlegbare Vermutung aufstellte. Tut der Arbeitnehmer nämlich dar, daß die Leistungen seines Arbeitgebers nach den Abreden nur ein Zuschuß zu den tatsächlichen Reisekosten sein sollen und der Arbeitnehmer etwaige weitere Kosten aus seiner Tasche zahlen soll, dann sind die nachgewiesenen Mehraufwendungen für die Arbeitnehmer Werbungskosten. Der Mehraufwand kann dann im allgemeinen ohne Einzelnachweis bis zur Höhe der Sätze der Richtlinien geschätzt werden.
Hier ist streitig, wie die Leistungen des Arbeitgebers gedacht waren. Das FG hätte Beweis darüber erheben müssen, wie der Arbeitgeber und der Stpfl. zu dem Kilometersatz von 0,21 DM und zu dem Spesensatz gekommen sind und welche Bedeutung sie diesen Beträgen im Verhältnis zu dem tatsächlichen Dienstaufwand beimaßen. Der vom Stpfl. mit der Steuererklärung vorgelegte Durchschlag einer Bescheinigung des Arbeitgebers ist unzureichend; die Bescheinigung trägt keine Unterschrift.
Das angefochtene Urteil, dem eine andere Rechtsauffassung zugrunde liegt, wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 412713 |
BStBl III 1967, 728 |
BFHE 1967, 532 |
BFHE 89, 532 |