Entscheidungsstichwort (Thema)
Absoluter Revisionsgrund und zulassungsfreie Revision, wenn Urteilsgründe nicht binnen fünf Monaten niedergelegt worden sind
Leitsatz (NV)
Werden Tatbestand und Entscheidungsgründe des finanzgerichtlichen Urteils nicht binnen fünf Monaten nach der Verkündung des Urteils schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben, so ist die Entscheidung i.S. des § 119 Nr. 6 FGO nicht mit Gründen versehen.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6
Tatbestand
Das Finanzamt (FA), der Beklagte und Revisionsbeklagte, hatte aufgrund einer von den Klägern eingereichten Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts durch Bescheid vom 24. Januar 1984 ein den Klägern gehörendes Grundstück zum 1. Januar 1983 als Zweifamilienhaus bewertet. Wegen neuer Tatsachen änderte das FA durch Bescheid vom 12. Dezember 1989 die Grundstücksart in Einfamilienhaus. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.
Das Urteil erging aufgrund mündlicher Verhandlung und wurde in der Sitzung vom 3. Juli 1991 verkündet. Am selben Tag wurde das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle übergeben. Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung wurden der Geschäftsstelle erst am 29. Mai 1992 übergeben. Sie sind ausschließlich durch den Berichterstatter unterschrieben, der die Unterschriften der beiden anderen Richter ersetzt hat. Das Urteil ist den Klägern am 19. Juni 1992 zugestellt worden.
Mit der Revision machen die Kläger Verletzung von § 116 Abs. 1 Nr. 5, § 119 Nr. 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die Rüge der Kläger, das Urteil des FG sei nicht mit Gründen versehen (§ 119 Nr. 6 FGO i.V.m. § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO), ist begründet.
Nach § 119 Nr. 6 FGO ist ein Urteil stets als auf der Verletzung von Bundesrecht beruhend anzusehen, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Das ist nach dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. April 1993 GmS-OGB 1/92 (Die Steuerberatung 1993, 229) der Fall, wenn Tatbestand und Entscheidungsgründe nicht binnen fünf Monaten nach Verkündung schriftlich niedergelegt, von den Richtern besonders unterschrieben und der Geschäftsstelle übergeben worden sind. Der erkennende Senat schließt sich dieser Beurteilung an; § 138 Nr. 6 der Verwaltungsgerichtsordnung, dessen Auslegung Gegenstand der Entscheidung des Gemeinsamen Senats war, entspricht § 119 Nr. 6 FGO.
Danach ist im Streitfall das Urteil nicht i.S. des § 119 Nr. 6 FGO mit Gründen versehen, denn Tatbestand und Entscheidungsgründe sind erst nach etwa 12 Monaten unterschrieben der Geschäftsstelle übergeben worden. Das FG wird die Sache nunmehr erneut zu verhandeln und zu entscheiden haben (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 423234 |
BFH/NV 1994, 186 |