Entscheidungsstichwort (Thema)
Vollbeendigung einer KG bei Simultaninsolvenz; Beschwer eines zu Unrecht zum Klageverfahren Beigeladenen; Verletzung der Sperrfrist des § 73 GmbHG als Rechtsmissbrauch
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Vollbeendigung einer KG bei Insolvenz von Gesellschaft und ihrer Gesellschafter (sog. Simultaninsolvenz).
2. Auch ein zu Unrecht zum Klageverfahren (hier: Anfechtung eines Gewinnfeststellungsbescheids) Beigeladener kann durch das finanzgerichtliche Urteil beschwert und deshalb befugt sein, Revision einzulegen.
3. Gehört eine 100%-ige Beteiligung an einer GmbH zum Betriebsvermögen, kann ein Auflösungsgewinn nach dem Realisationsprinzip auch vor Ablauf der Sperrfrist nach § 73 GmbHG anzusetzen sein. Ob in der Verletzung der Sperrfrist ein Missbrauch i.S. von § 42 AO 1977 zu sehen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Normenkette
HGB §§ 243, 252 Abs. 1 Nr. 4; GmbHG § 73; AO 1977 § 42; FGO §§ 48, 60, 68; EStG §§ 16-17
Verfahrensgang
Tatbestand
A. Zwischen der Klägerin und Revisionsklägerin zu 1. (Klägerin), einer GmbH & Co. KG als Besitzgesellschaft, und der X-GmbH als Betriebsgesellschaft bestand eine Betriebsaufspaltung. Die Klägerin war Alleingesellschafterin der X-GmbH.
Nach Beendigung des der Betriebsaufspaltung zugrunde liegenden Pachtvertrags beschloss die Klägerin im August 1996, die X-GmbH mit Wirkung zum 30. Juni 1996 aufzulösen. Die X-GmbH gab den gesamten Betrieb einschließlich der Pachtgegenstände an die Klägerin zurück; diese setzte deren Geschäftsbetrieb im eigenen Namen fort und unterrichtete die Geschäftspartner von der Umstrukturierung. Im Dezember 1996 beschloss die Klägerin, dass die Liquidation beendet sei.
Gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) erklärte die Klägerin für 1996 einen tarifbegünstigten Gewinn aus der Liquidation der GmbH. Sie habe 1996 sämtliche Aktiva und Passiva der X-GmbH übernommen. Das FA berücksichtigte den Auflösungsgewinn nicht, da er frühestens 1997 zu erfassen sei. Die Liquidation sei 1996 noch nicht abgeschlossen gewesen. Das FA versagte in diesem Zusammenhang auch die Anrechnung der von der GmbH entrichteten Körperschaft- und Kapitalertragsteuer sowie des Solidaritätszuschlags. Der Bescheid vom 12. August 1997 erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Den Antrag der Klägerin, den Feststellungsbescheid erklärungsgemäß zu ändern, lehnte das FA ab und wies den dagegen gerichteten Einspruch als unbegründet zurück.
Während des Klageverfahrens ist am 31. Dezember 2001 um 14.10 Uhr das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet worden. An der Klägerin waren der Beigeladene und Revisionskläger zu 2. (Revisionskläger zu 2.), W, und die Beigeladene und Revisionsklägerin zu 3. (Revisionsklägerin zu 3.), N, als Kommanditisten sowie die Y-GmbH als Komplementärin beteiligt. Der Revisionskläger zu 2. hat seinen Kommanditanteil 1998 auf eine neu gegründete X-AG & Co. KG übertragen und ist aus der Klägerin ausgeschieden. Über das Vermögen der Y-GmbH ist am 31. Dezember 2001 um 14.20 Uhr das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Nach § 14 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin scheidet ein Gesellschafter aus der Gesellschaft aus, wenn über sein Vermögen das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet wird.
Mit Bescheid vom 18. November 2002 hat das FA den Gewinnfeststellungsbescheid 1996 geändert und den Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage nach Beiladung des Insolvenzverwalters der Y-GmbH, des ausgeschiedenen Gesellschafters W sowie der Kommanditistin N abgewiesen (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2003, 1543).
Gegen das Urteil haben die Klägerin sowie W und N Revision eingelegt. Die Revisionskläger rügen die Verletzung sachlichen Rechts (§§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Während des Revisionsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Y-GmbH mangels Masse eingestellt (§ 207 Abs. 1 der Insolvenzordnung --InsO--) und mit Beschluss des Amtsgerichts O. vom 9. August 2006 Frau N zur Nachtragsliquidatorin bestellt worden.
Die Revisionskläger beantragen sinngemäß,
das Urteil des FG aufzuheben und den Bescheid für 1996 vom 18. November 2002 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb unter Ansatz eines Veräußerungsgewinns in Höhe von … DM (zuzüglich anzurechnender Körperschaftsteuer) festgestellt werden.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
B. Die Revisionen sind zulässig und begründet.
I. Zulässigkeit der Revisionen
1. Die Revision der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin ist insbesondere nicht (ohne Liquidation) beendet.
a) Die im Klageverfahren wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO gesetzlich angeordnete Prozessführungsbefugnis der Personengesellschaft endet (erst) mit deren Vollbeendigung (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1988 VIII R 90/84, BFHE 155, 250, BStBl II 1989, 326, und BFH-Beschluss vom 3. Juli 2000 VIII R 68/95, juris). Tritt die Vollbeendigung der Personengesellschaft während des Klageverfahrens ein, geht sowohl die Beteiligtenstellung als auch die Prozessführungsbefugnis von der Personengesellschaft auf die durch den angegriffenen Bescheid beschwerten Gesellschafter über (BFH-Beschluss vom 16. Januar 1996 VIII B 128/95, BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426; BFH-Urteile vom 28. März 2000 VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074, und vom 27. Juli 2005 II R 35/04, BFH/NV 2006, 18). Scheiden aus einer Personengesellschaft sämtliche Gesellschafter bis auf einen aus, geht das Gesellschaftsvermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den verbleibenden Gesellschafter über; die Gesellschaft ist ohne Liquidation beendet (vgl. Bundesgerichtshof --BGH--, Urteil vom 10. Dezember 1990 II ZR 256/89, BGHZ 113, 132, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1991, 844; Baumbach/Hopt, HGB, 32. Aufl., § 131 Rn. 35, m.w.N.; BFH-Beschluss in BFHE 179, 239, BStBl II 1996, 426).
b) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor. Zwar sieht § 14 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin vor, dass jeder Gesellschafter, über dessen Vermögen das Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet wird, aus der Gesellschaft ausscheidet. Sowohl über das Vermögen der Y-GmbH (Komplementärin) als auch über das Vermögen der X-AG & Co. KG, die an Stelle des bereits 1998 ausgeschiedenen Revisionsklägers zu 2. (W) als Kommanditistin in die Klägerin eingetreten war, sind Insolvenzverfahren eröffnet worden. Damit wären bis auf einen sämtliche Gesellschafter aus der Klägerin ausgeschieden, die Klägerin wäre liquidationslos beendet. Der Senat legt § 14 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags jedoch ergänzend dahin gehend aus, dass nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin die Gesellschafter der Klägerin in Folge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nicht mehr aus der Gesellschaft ausscheiden sollten. Damit ist die Klägerin noch nicht beendet. An die gegenteilige Auffassung des FG ist der BFH nicht gebunden (vgl. zur eigenständigen Beurteilung von Sachurteilsvoraussetzungen durch das Revisionsgericht Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 118 Rz. 45, m.w.N.).
aa) Die im Streitfall einschlägige Bestimmung in § 14 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags der Klägerin entspricht inhaltlich § 131 Abs. 3 Nr. 2 des Handelsgesetzbuchs (HGB) in der seit dem 1. Juli 1998 geltenden Fassung (Gesetz zur Neuregelung des Kaufmanns- und Firmenrechts und zur Änderung anderer handels- und gesellschaftsrechtlicher Vorschriften vom 22. Juni 1998, BGBl I 1998, 1474). Während die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters nach § 131 Nr. 5 HGB a.F. zur Auflösung der Gesellschaft führte, hat sie hier vertraglich --wie auch nach dem neuen Recht-- im Regelfall zur Folge, dass der Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet. Die Gesellschaft kann so mit den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt werden. Dadurch soll die Unternehmenskontinuität gewährleistet werden (vgl. BTDrucks 13/8444 S. 41 ff.). Eine solche vertragliche Regelung war auch unter dem alten Recht zulässig.
bb) Im Streitfall lässt der Wortlaut des Gesellschaftsvertrags zwar nicht erkennen, dass die Gesellschafter die Anwendbarkeit der als Fortsetzungsklausel wirkenden Ausscheidensklausel generell für den Fall beschränken wollten, dass die Gesellschaft bereits aufgelöst ist und sich in Abwicklung befindet (dazu: Schäfer in Großkomm. HGB, 4. Aufl., § 131 Rdn. 105). Der Zweck der Regelung, die Fortsetzung des Unternehmens ohne dessen Auflösung zu gewährleisten, wird unter solchen Umständen allerdings im Regelfall verfehlt (so bereits Urteil des Reichsgerichts vom 21. Februar 1919 II. 310/18, RGZ 95, 32; Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 21. April 1969 1 W Umw 386/68, Wertpapier-Mitteilungen/Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht --WM-- 1969, 900). Der BGH hat gleichwohl in einem Einzelfall die Fortsetzungsklausel angewandt, obwohl sich die Gesellschaft bereits in Abwicklung befand. Er hat dabei maßgeblich darauf abgestellt, dass der in Konkurs gefallene Gesellschafter oder sein Konkursverwalter die im Abwicklungsstadium einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit zahlreichen Gesellschaftern noch zu treffenden Beschlüsse wegen des Interessengegensatzes nachteilig beeinflussen könnte (vgl. Urteil des BGH vom 9. Juli 1964 VII ZR 257/62, WM 1964, 1086). Derartige Bedenken greifen im Streitfall jedoch nicht durch. Die in Insolvenz gefallenen Gesellschafter der Klägerin oder ihre Insolvenzverwalter können das Insolvenzverfahren der Klägerin nicht nachteilig beeinflussen. Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, weshalb die zeitlich nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin ebenfalls in Insolvenz geratenen Gesellschafter aus der Klägerin ausscheiden sollten. Lediglich ergänzend ist demnach zu erwägen, dass die liquidationslose Vollbeendigung der Klägerin möglicherweise zur Folge hätte, dass das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen nicht fortgesetzt werden könnte (a.A. Oberlandesgericht --OLG-- Hamm, Beschluss vom 3. Juli 2003 15 W 375/02, Der Betrieb --DB-- 2003, 2381; Liebs, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht --ZIP-- 2002, 1716; für teleologische Reduktion des § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB bei sog. Simultaninsolvenz von KG und ihrer Komplementär-GmbH: Karsten Schmidt, GmbH-Rundschau --GmbHR-- 2002, 1209; MünchKommHGB/ Karsten Schmidt, § 131 Rdnr. 76 und Anh. § 158 Rdnr. 67; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG, 9. Aufl., Vor § 64 Rdnr. 110; Schäfer in Großkomm HGB, § 131 Rdn. 88a a.E., 91; Koller/Roth/ Morck, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5. Aufl., § 131 Rz. 23; a.A.: Baumbach/Hopt, a.a.O., § 131 Rn. 22; für insolvenzrechtliche Lösungen: Gundlach/Frenzel/Schmidt, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 2004, 1658; Albertus/Fischer, Zeitschrift für das gesamte Zinsrecht --ZInsO-- 2005, 246). Eine solche Rechtsfolge haben die Gesellschafter ersichtlich nicht gewollt.
c) Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Klägerin ist keine Unterbrechung des Verfahrens eingetreten (§ 240 der Zivilprozessordnung --ZPO--, § 155 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das Insolvenzverfahren über das Vermögen einer Personengesellschaft berührt das einheitliche Gewinnfeststellungsverfahren nicht, da seine steuerlichen Folgen die Gesellschafter persönlich betreffen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. Juni 1994 VIII R 37/91, BFH/NV 1994, 859; zur Insolvenz über das Vermögen eines Gesellschafters vgl. Senatsurteil vom 24. August 2004 VIII R 14/02, BFHE 207, 10, BStBl II 2005, 246).
d) Die Klägerin ist bei Einlegung der Revision auch wirksam durch die Y-GmbH vertreten worden. Eine durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöste KG (§ 131 Abs. 1 Nr. 3 HGB) wird im Rahmen des § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO bei der Wahrnehmung der Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter durch die für die insolvenzfreie Abwicklung der Gesellschaft vorgesehenen Liquidatoren vertreten (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BFH-Urteil vom 26. August 2004 IV R 5/03, BFHE 207, 424, BStBl II 2005, 215, m.w.N.). Gemäß § 17 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrags sollte im Streitfall abweichend von § 146 HGB die Liquidation durch die persönlich haftende Gesellschafterin durchgeführt werden. Unerheblich ist, dass die Y-GmbH selbst infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen aufgelöst ist (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung --GmbHG--). Bis zu ihrer Vollbeendigung kann sie die Liquidation der KG noch wirksam vornehmen; die Befugnisse der insolventen GmbH in der Liquidation der KG werden vom Insolvenzverwalter der GmbH wahrgenommen (§ 146 Abs. 3 HGB; MünchKommHGB/Karsten Schmidt, § 146 Rdnr. 45). Nichts anderes ergibt sich für die Wahrnehmung der Prozessstandschaft im Gewinnfeststellungsverfahren einschließlich des Klageverfahrens. Nach Beendigung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Y-GmbH ist diese --vertreten durch die Nachtragsliquidatorin (Frau N)-- wiederum selbst zur Liquidation der Klägerin verpflichtet (vgl. Habersack in Großkomm. HGB, a.a.O., § 146 Rdn. 46; §§ 80 Abs. 1, 215 Abs. 2 InsO).
2. Die von W und N (Revisionskläger zu 2. und 3.) eingelegten Revisionen sind gleichfalls zulässig.
a) Die Revision steht nur den Beteiligten zu (§ 115 Abs. 1 FGO); als Beigeladene waren die Revisionskläger zu 2. und 3. am Klageverfahren beteiligt (§§ 57 Nr. 3, 60 FGO).
Der Revisionsbefugnis der Revisionsklägerin zu 3. (Frau N) steht nicht entgegen, dass --da die Klägerin fortbesteht (s.o. zu Abschn. B. I. 1. der Gründe) und die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO nicht vorliegen-- ihre Beiladung rechtswidrig war (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Für die Befugnis, selbst Rechtsmittel einlegen zu können, kommt es auf die tatsächliche Beteiligung an; deshalb kann grundsätzlich auch ein zu Unrecht im Klageverfahren Beigeladener Revision einlegen (vgl. BFH-Beschluss vom 31. August 2000 VIII R 33/00, BFH/NV 2001, 320).
b) Die Revisionskläger zu 2. und 3. sind durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert.
aa) Zwar fehlt einem zu Unrecht Beigeladenen (hier: Revisionsklägerin zu 3.) für die Einlegung der Revision die Beschwer, wenn seine (ihre) rechtlichen Interessen vom Ausgang des Verfahrens nicht berührt werden (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., Vor § 115 Rz. 20, m.w.N.; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 31. Januar 1969 IV C 83.66, BVerwGE 31, 233). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Beiladung deshalb rechtswidrig war, weil die eigene Klagebefugnis des Gesellschafters im Gewinnfeststellungsverfahren durch § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO ausgeschlossen ist. Unter dieser Voraussetzung kann sich die Beschwer aus dem Umstand ergeben, dass der Beigeladene von den festgestellten Besteuerungsgrundlagen unmittelbar selbst betroffen ist (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Vor §§ 115 bis 134 FGO Rz. 23 a.E.).
bb) Von Letzterem ist vorliegend auszugehen, da nicht nur Herr W, sondern auch die zu Unrecht beigeladene Frau N als am Gewinn beteiligte Gesellschafterin der Klägerin vom Ausgang des Verfahrens unmittelbar betroffen ist.
Zwar begehren sie --wie bereits die Klägerin in erster Instanz (§ 60 Abs. 6 Satz 1 FGO)-- im Streitjahr den Ansatz eines vom FA nicht erfassten zusätzlichen Gewinns aus der Auflösung der X-GmbH. Gleichwohl hat das FG zu Recht die Klagebefugnis für dieses Begehren bejaht. Angesichts der letztmals im Veranlagungszeitraum 1996 in Betracht kommenden Steuervergünstigung gemäß den §§ 16, 34 EStG für den gesamten Auflösungsgewinn liegt das schutzwürdige Interesse der Revisionskläger zu 2. und 3. an der Erfassung des Auflösungsgewinns im Streitjahr 1996 auf der Hand.
II. Begründetheit der Revisionen
Die Revisionen sind begründet. Das Urteil der Vorinstanz ist mangels ausreichender Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Revisionsantrag --ebenso wie der im erstinstanzlichen Verfahren in der mündlichen Verhandlung (12. Dezember 2002) gestellte Antrag-- nicht darauf gerichtet ist, das FA zur Änderung des Erstbescheids vom 12. August 1997 gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu verpflichten. Da dieser Verwaltungsakt mit Bescheid vom 18. November 2002 geändert und hierbei der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben wurde, legt der Senat den Revisionsantrag (ebenso wie den Klageantrag) vielmehr dahin aus, dass hierdurch der Änderungsbescheid mit dem Ziel der Feststellung eines Veräußerungsgewinns (Aufgabegewinns) angefochten werden sollte. Eine solche Klageänderung (hier: Auswechslung des Verfahrensgegenstands) war nach § 68 FGO (hier: n.F.; dazu Gräber/v. Groll, a.a.O., § 68 Rz. 10) zulässig (gl.A. BFH-Urteil vom 27. April 2004 X R 28/02, BFH/NV 2004, 1287). Der Senat weicht mit dieser Beurteilung nicht von den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 1. August 1984 V R 91/83 (BFHE 141, 492, BStBl II 1984, 788) ab, da der V. Senat für den von ihm zu entscheidenden Fall nicht über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 68 FGO zu entscheiden hatte.
2. Das FG hat im Wesentlichen angenommen, der Auflösungsgewinn werde erst im Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation realisiert. Dieser vom BFH zu § 17 EStG entwickelte Grundsatz sei ebenso anwendbar auf die Liquidation einer Kapitalgesellschaft, deren Anteile im Betriebsvermögen gehalten werden (mit Hinweis auf Neu, GmbHR 2000, 57, 61). Die Liquidation der X-GmbH sei 1996 noch nicht abgeschlossen gewesen. Die Gläubiger der X-GmbH seien weder befriedigt noch gesichert gewesen. Die Klägerin habe unstreitig Verbindlichkeiten der X-GmbH übernommen und Garantieleistungen für die X-GmbH erbracht.
3. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Vorinstanz hat verkannt, dass der Auflösungsgewinn bereits im Jahre 1996 angefallen ist. Das vorinstanzliche Urteil ist deshalb aufzuheben. Da das FG --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- keine Feststellungen zur Höhe des begünstigten Gewinns getroffen hat, ist die Sache zurückzuverweisen. Hierbei wird die Vorinstanz auch der Frage des Gestaltungsmissbrauchs i.S. von § 42 AO 1977 nachzugehen haben.
a) Wird eine Kapitalgesellschaft in der Weise aufgelöst und beendet, dass ihr Vermögen auf den Alleingesellschafter übertragen wird, der die Beteiligung im Betriebsvermögen hält, liegt darin die nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Halbsatz i.V.m. Abs. 3 EStG begünstigte Aufgabe eines --fingierten-- Teilbetriebs. Der Fall ist genauso zu behandeln, als ob die Kapitalgesellschaft ihr gesamtes Vermögen an den Alleingesellschafter oder an Dritte veräußern und anschließend den Erlös auskehren würde (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2. Halbsatz, Abs. 3 EStG; BFH-Urteile vom 15. September 1988 IV R 75/87, BFHE 155, 511, BStBl II 1991, 624, und vom 19. April 1994 VIII R 2/93, BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705). Der Begünstigung steht nach der Rechtsprechung auch nicht entgegen, dass die untergehende Kapitalgesellschaft Betriebsunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung war und ihre Aktiva und Passiva vom Besitzunternehmen übernommen werden (BFH-Urteil in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705).
b) Werden die Anteile an der Kapitalgesellschaft im Betriebsvermögen gehalten, bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung --GoB-- (§ 243 Abs. 1 HGB) und damit nach dem Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB.
aa) Vorliegend bedarf es keiner Entscheidung, ob hiernach bereits die Auskehrung von Teilen des Liquidationsvermögens zu einer (Teil-)Gewinnrealisierung führt. Letzteres ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn --wie im Streitfall-- das gesamte Aktivvermögen der Kapitalgesellschaft ausgekehrt wird (so bereits --zu § 17 EStG-- Senatsurteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428, 430) und der Alleingesellschafter die (interne) Verpflichtung (Freistellungsvereinbarung) eingeht, die verbleibenden Verbindlichkeiten zu tilgen. Unerheblich hierfür ist auch, ob das Vermögen vor Ablauf des Sperrjahres (§ 73 GmbHG) verteilt wird und demgemäß der von dem Alleingesellschafter erzielte Aufgabegewinn (hier: Gewinn aus der Aufgabe eines fingierten Teilbetriebs) bereits vor dem Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation bei der Kapitalgesellschaft angesetzt wird (Senatsurteil vom 27. November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731; zum Ende der Körperschaftsteuerpflicht vgl. BFH-Urteil vom 5. April 1960 I 43/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform --StRK--, Abgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 39; R 51 Abs. 2 der Körperschaftsteuer-Richtlinien --KStR-- 2004). Hiervon ist der Senat auch in seinem Urteil vom 19. August 2003 VIII R 44/01 (BFH/NV 2004, 925) ausgegangen. Dem liegt die Auffassung zugrunde, dass es für den Zeitpunkt der Gewinnrealisation nicht darauf ankommt, ob der dingliche Übertragungsakt wirksam ist (so die h.M.; vgl. Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., § 73 Rdnr. 19), da selbst dann, wenn dies zu verneinen sein sollte, jedenfalls das wirtschaftliche Eigentum an den ausgekehrten Wirtschaftsgütern auf den (oder die) Gesellschafter übergehen würde. Die Rechtsprechung des Senats beruht ferner auf der Annahme, dass allein die Missachtung der Sperrfrist keine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) auslöst. Auch hieran ist festzuhalten (ganz h.M.; vgl. zur Körperschaftsteuer Urteil des Reichsfinanzhofs --RFH-- vom 10. Mai 1938 I 266/37, RStBl 1938, 630; BFH-Urteil vom 14. Dezember 1965 I 246/62 U, BFHE 84, 420, BStBl III 1966, 152; Blümich/ Hofmeister, § 11 KStG Rz. 50; Frotscher in Frotscher, KStG/ UmwStG, § 11 KStG Rz. 45; Dötsch/Geiger/Klingebiel/Lang/ Rupp/Wochinger, Verdeckte Gewinnausschüttung/verdeckte Einlage, 2004, D 1830; Graffe in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Kommentar zum KStG und EStG, § 11 KStG n.F. Tz. 25; zur Besteuerung des Anteilseigners Wassermeyer in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 20 Rdnr. D 14; Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, § 20 EStG Anm. 332).
bb) Dem Ansatz des Auflösungsgewinns im Jahre 1996 steht ferner nicht entgegen, dass Ansprüche auf Gewinne (Dividenden) aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Allgemeinen erst dann zu aktivieren sind, wenn ein Gewinnverwendungsbeschluss der Kapitalgesellschaft vorliegt und hierdurch ein verfügbarer Rechtsanspruch auf einen Gewinnanteil in bestimmter Höhe endgültig begründet wird (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1989 X R 9/86, BFHE 156, 443, BStBl II 1989, 714, m.w.N.; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 25. Aufl., § 5 Rz. 270 "Dividendenansprüche" und Rz. 676). Diese für die offene Ausschüttung des laufenden Gewinns geltenden Grundsätze sind auf Ausschüttungen im Rahmen der Liquidation einer Kapitalgesellschaft entsprechend anzuwenden. Einen formellen Ausschüttungsbeschluss der X-GmbH hat das FG zwar nicht festgestellt. Jedoch ist der Einstellung der zu übertragenden Vermögensgegenstände in das zwischen den Gesellschaften geführte Verrechnungskonto am 15. Dezember 1996 zweifelsfrei zu entnehmen, dass die X-GmbH den Ausschüttungsanspruch der Klägerin anerkannt und erfüllt hat.
4. Im Rahmen seiner erneuten Entscheidung über den Streitfall wird das FG --vorbehaltlich der Ausführungen zu Abschn. B.II.5. der Gründe dieses Urteils-- die Höhe des erzielten und begünstigten Auflösungsgewinns zu ermitteln haben. Dieser ist grundsätzlich nach dem Wert des ausgekehrten Aktivvermögens --einschließlich der anzurechnenden Körperschaftsteuer-- abzüglich der Teilwertabschreibung auf die Beteiligung an der GmbH und der von der Kapitalgesellschaft "übernommenen" Verbindlichkeiten zu bestimmen. Im Senatsurteil in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705 ist hierbei allerdings offen geblieben, ob die Begünstigung des Aufgabegewinns nach § 16 Abs. 1 (Satz 1) Nr. 1, 2. Halbsatz EStG uneingeschränkt gilt oder ob der ausgekehrte Betrag insoweit als laufender Gewinn zu behandeln ist, als er eine Gewinnausschüttung für die Zeit vor Beginn der Liquidation enthält. Der Senat sieht angesichts des gegenwärtigen Sachstands keine Veranlassung zu einer abschließenden Erörterung dieser Streitfrage, da nach den Akten davon auszugehen ist, dass das FA im Hinblick auf die Begünstigung der vor der Auflösung erzielten Überschüsse am 19. Februar 1996 eine verbindliche Auskunft (dazu z.B. Klein/Rüsken, AO, 8. Aufl., § 204 Rz. 17 ff., § 4 Rz. 22, m.w.N.) erteilt hat.
5. Vorrangig wird das FG allerdings zu überprüfen haben, ob in der Missachtung der Regelungen des § 73 GmbHG, nach denen im Falle der Liquidation einer GmbH ihr Vermögen nicht vor Tilgung oder Sicherstellung der Gläubiger und nicht vor Ablauf eines Jahres seit der dritten Bekanntgabe des Auflösungsbeschlusses (§ 65 Abs. 2 GmbHG) verteilt werden darf (sog. Sperrfrist), unter den Gegebenheiten des Streitfalls ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) zu sehen ist.
Eine Verletzung der Bestimmungen des § 73 GmbHG lässt zwar nach herrschender Meinung --von Ausnahmefällen wie beispielsweise dem kollusiven Zusammenwirken zum Nachteil der Gläubiger abgesehen-- die Wirksamkeit des dinglichen Rechtserwerbs der Gesellschafter unberührt (vgl. Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., § 73 Rdnr. 19 und 21, m.w.N.). Dies ändert jedoch nichts daran, dass § 73 GmbHG dem Schutz bekannter und unbekannter Gläubiger i.S. einer gegenüber § 30 GmbHG verschärften Ausschüttungssperre dient und damit die Vermögensverteilung nur unter Wahrung seiner tatbestandlichen Voraussetzungen gestattet (vgl. einschließlich der Beurteilung einer Kreditgewährung an die Gesellschafter Scholz/Karsten Schmidt, a.a.O., § 73 Rdnr. 1 bis 3; Schulze-Osterloh/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 73 Rn. 1). Gegen dieses Thesaurierungsgebot, das selbst Abschlagszahlungen verbietet (Schulze-Osterloh/Noack in Baumbach/ Hueck, a.a.O., § 73 Rn. 2), wurde mutmaßlich --d.h. mit Rücksicht darauf, dass sich nach Aktenlage die Verbindlichkeiten der X-GmbH jedenfalls zum 1. Juli 1996 auf mehr als 5 Mio. DM belaufen haben-- in gravierender Weise verstoßen.
Der Senat kann aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG nicht ausschließen, dass die Verletzung des § 73 GmbHG im Zusammenhang mit der ab 1. Januar 1997 zu beachtenden Neuregelung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2, 2. Halbsatz EStG durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049, BStBl I 1996, 1523) stand (vgl. hierzu bereits Empfehlung der Ausschüsse des Bundesrats vom 26. Juni 1996, BRDrucks 390/1/96). Danach sind --ebenso wie zuvor für Anteile im Privatvermögen (§ 17 Abs. 4 Satz 3 EStG 1997) --auch für betriebliche Auflösungsgewinne-- abweichend von der Rechtsprechung des Senats (BFH-Urteil in BFHE 175, 243, BStBl II 1995, 705)-- die Bezüge nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 EStG (also auch die Auskehrung des Abwicklungsgewinns) als laufender Gewinn zu qualifizieren. Sollte sich demnach im zweiten Rechtsgang ergeben, dass die von der Klägerin gewählte rechtliche Gestaltung (vgl. hierzu Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 42 AO Rz. 88 ff.) --dinglich wirksame Vermögensverteilung unter Missachtung der gesetzlich zwingend zu beachtenden Sperrfrist nach § 73 GmbHG i.V.m. dem Ansatz eines Aufgabegewinns nach dem Realisationsprinzip noch im Jahre 1996-- vor allem dem Ziel diente, den Folgen dieser geänderten steuerlichen Rechtslage zu entgehen, so wäre hierin ein Missbrauch i.S. von § 42 AO 1977 zu sehen (ebenso zur vergleichbaren Regelung des § 58 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG im Falle einer Kapitalherabsetzung BFH-Urteil vom 6. April 1976 VIII R 72/70, BFHE 118, 230, BStBl II 1976, 341). Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang zu untersuchen haben, ob im Streitfall das Vorziehen der Vermögensauskehrung für einen Zeitraum von ca. 9 Monaten --trotz Bestehens der Betriebsaufspaltung über einen Zeitraum von 8 Jahren und trotz Übernahme der bisherigen Geschäftstätigkeit der GmbH durch die Klägerin ab dem 1. Juli 1996-- zumindest auch von außersteuerlichen Gründen von anzuerkennendem Gewicht bestimmt gewesen ist (vgl. hierzu allgemein Klein/Brockmeyer, a.a.O., § 42 Rz. 10 ff.). Lassen sich Gründe dieser Art nicht feststellen, ist der Aufgabegewinn dem Jahr 1997 zuzuordnen. Unerheblich wäre unter dieser Voraussetzung auch, dass das ausgekehrte Vermögen auf Dauer bei der Klägerin verblieben ist bzw. verbleiben sollte (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 1998 VIII R 10/96, BFHE 186, 534, BStBl II 1999, 729).
Fundstellen
Haufe-Index 1623367 |
BFH/NV 2007, 145 |
BStBl II 2009, 772 |
BFHE 2008, 183 |
BFHE 215, 183 |
BB 2006, 2682 |
BB 2006, 2730 |
DB 2006, 2606 |
DStR 2006, 2168 |
DStRE 2006, 1561 |
HFR 2007, 131 |