Entscheidungsstichwort (Thema)
Anteilige Steuerbefreiung einer Jubiläumszuwendung bei teilweiser Tätigkeit im Ausland - Quellenstaat nach Art. 23 Abs. 3 DBA-Kanada - Vertretungszwang für Verzicht auf mündliche Verhandlung
Leitsatz (amtlich)
1. Wird einem Arbeitnehmer eine Jubiläumszuwendung für 25-jährige Betriebszugehörigkeit gezahlt und waren die vom Arbeitnehmer in diesem Zeitraum bezogenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wegen einer Tätigkeit in den USA teilweise steuerfrei nach dem DBA-USA, so ist die Steuerbefreiung anteilig auf die Jubiläumszuwendung anzuwenden.
2. Die Steuerbefreiung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Jubiläumszuwendung erst nach Beendigung der Auslandstätigkeit zufließt.
3. Die von einem Arbeitnehmer für eine Tätigkeit in Kanada bezogenen Vergütungen stammen nur dann aus Quellen innerhalb Kanadas i.S. des Art.23 Abs.2 Buchst.a DBA-Kanada 1981, wenn sie tatsächlich in Kanada besteuert wurden (Art.23 Abs.3 DBA-Kanada 1981).
Orientierungssatz
NV: Die Erklärung des Klägers zum Verzicht auf mündliche Verhandlung kann nicht als wirksame Prozeßhandlung gewertet werden, wenn er im vom FA angestrengten Revisionsverfahren nicht entsprechend Art. 1 Nr. 1 BFHEntlG vertreten ist.
Normenkette
DBA USA Art. 10 Abs. 1, Art. 15 Abs. 1 Buchst. b Nr. 1D Buchst. Aa; DBA CAN 1981 Art. 15 Abs. 1, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3; BFHEntlG Art. 1 Nr. 1; LStDV 1981 § 4 Fassung: 1982-06-23
Tatbestand
I. 1. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Bankangestellter. Er erhielt im Streitjahr 1985 für seine 25-jährige Zugehörigkeit zu dem Betrieb seines Arbeitgebers eine Jubiläumsvergütung in Höhe von 20 750 DM. In seiner Einkommensteuererklärung ließ er ein Fünftel des nach Abzug des Freibetrags gemäß § 4 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23.Juni 1982 (BGBl I 1982, 700, BStBl I 1982, 592) verbleibenden Teils der Jubiläumsvergütung außer Ansatz. Er bezog sich insoweit auf eine fünfjährige Auslandstätigkeit innerhalb der letzten 25 Jahre und auf Steuerbefreiungsvorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit USA und Kanada. Für den nach seiner Berechnung noch steuerpflichtigen Betrag beantragte er die Steuervergünstigung nach § 34 Abs.3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte die Jubiläumszuwendung abzüglich des Freibetrags gemäß § 4 LStDV als steuerpflichtigen Arbeitslohn und verteilte sie entsprechend dem Antrag des Klägers auf die Jahre 1978, 1979 und 1982 (§ 34 Abs.3 EStG). Mit Einkommensteuerbescheid vom 17.Juli 1986 wurde die Einkommensteuer auf 40 130 DM festgesetzt. Die auf die Jubiläumszuwendung festzusetzende Steuer war darin anteilig in Höhe von 6 436 DM enthalten.
2. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage des Klägers statt. Es behandelte den Teil der Jubiläumszuwendungen als steuerfrei, der zeitanteilig auf Zeiträume entfiel, in denen der Kläger steuerfreie Auslandsbezüge erhielt.
Die Steuerberechnung übertrug das FG gemäß Art.3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit (VGFGEntlG) dem FA.
3. Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der DBA USA und Kanada. § 34 Abs.3 EStG stelle eine rein tarifliche Vergünstigung dar. Es könnten lediglich die Einkünfte auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt werden. Sie blieben aber Einkünfte der Zuflußjahre.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die streitigen Einkünfte des Klägers nach den Bestimmungen des Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 2.Juli 1954/17.September 1965 (DBA-USA) von der Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) ausgenommen waren, soweit sie anteilig auf seine Tätigkeit in den USA entfielen.
Nach Art.XV Abs.1 Buchst.b Nr.1 aa DBA-USA werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen natürlichen Person Einkünfte aus Quellen in den USA von der deutschen Besteuerung ausgenommen, wenn die Einkünfte nach den Bestimmungen des Abkommens in den USA besteuert werden können.
Diese Voraussetzungen liegen vor.
a) Nach Art.X Abs.1 DBA-USA können die USA Einkünfte aus in den USA ausgeübter nichtselbständiger Tätigkeit besteuern, sofern nicht die Voraussetzungen des Art.X Abs.2 (sog. 183-Tage-Klausel) vorliegen. Die letztere Einschränkung war im Streitfall nicht gegeben, da sich der Kläger in den Jahren 1978 und 1979 jeweils länger als 183 Tage in den USA aufhielt.
b) Der Kläger hat mit der ihm im Streitjahr 1985 zugeflossenen Jubiläumsvergütung Einkünfte für eine in den USA ausgeübte nichtselbständige Arbeit erhalten. Die an den Kläger gewährte Jubiläumszuwendung wurde für die 25-jährige Betriebszugehörigkeit des Klägers gezahlt. Sie stellte ein nachträgliches Zusatzentgelt für die während dieser Zeit erbrachten Dienstleistungen des Klägers und dafür dar, daß er in dieser Zeit sein Kündigungsrecht nicht ausgeübt hat (vgl. Urteil des Bundesarbeitsgerichts --BAG-- vom 13.September 1974 5 AZR 48/74, Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts, Arbeitsrechtliche Praxis --AP--, § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-- "Gratifikation" Nr.84; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 5.Februar 1987 IV R 81/84, BFHE 149, 55, BStBl II 1987, 845). Die Zuwendung entfiel damit auch anteilig auf die Tätigkeit des Klägers in den USA.
c) Die anteilige Jubiläumsvergütung ist auch als Arbeitsvergütung aus Quellen in den USA anzusehen. Zwar hat das FG nicht festgestellt, daß die Jubiläumszuwendung anteilig zu Lasten der US-amerikanischen Betriebsstätte des Arbeitgebers des Klägers gezahlt wurde. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum DBA-USA 1954/1965 sind Einkünfte aus unselbständiger Tätigkeit in den USA jedoch stets als Einkünfte aus Quellen in den Vereinigten Staaten anzusehen (BFH-Urteile vom 2.Mai 1969 I R 176/66, BFHE 96, 163, BStBl II 1969, 579; vom 31.Juli 1974 I R 27/73, BFHE 113, 437, 439, BStBl II 1975, 61; vom 12.April 1978 I R 100/75, BFHE 125, 59, 62, BStBl II 1978, 425; vgl. auch Korn/Debatin, Doppelbesteuerung, Kommentar, DBA-USA, Art.XV Anm.4 d). Es kann im Streitfall dahinstehen, inwieweit sich die Rechtslage durch das neue DBA-USA vom 29.August 1989 geändert hat (vgl. Art.23 Abs.2 letzter Satz DBA-USA 1989).
d) Die Anwendung der Steuerbefreiung des Art.XV Abs.1 Buchst.b Nr.1 Buchst.aa DBA-USA auf die anteilige Jubiläumszuwendung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß der auf die Auslandstätigkeit entfallende Teil der Jubiläumszuwendung dem Kläger erst im Jahre 1985, d.h. nach Beendigung der Auslandstätigkeit zugeflossen ist. Art.X Abs.1 DBA-USA, auf den sich die Befreiungsvorschrift bezieht, fordert eine Vergütung für eine in den USA geleistete (unselbständige) Arbeit. Es kommt für die Anwendung der Vorschrift nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt und wo die Vergütung bezahlt wird, sondern allein darauf, daß sie dem Arbeitnehmer für eine Auslandstätigkeit gewährt wird (Korn/Debatin, a.a.O., Art.X DBA-USA, Anm.3 d; Vogel, Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 2.Aufl., Art.15 Rdnr.15). Nachzahlungen für eine frühere aktive Tätigkeit gehören zu den Bezügen für diese aktive Tätigkeit (BFH-Urteil vom 27.Januar 1972 I R 37/70, BFHE 105, 8, BStBl II 1972, 459).
e) Eine Ausnahme vom Besteuerungsrecht der USA bestünde nur, wenn es sich bei der anteiligen Jubiläumszuwendung um ein Ruhegehalt i.S. des Art.XI Abs.2 DBA-USA handeln würde. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung liegen jedoch nicht vor. Ruhegehälter sind Bezüge, die nach dem Eintritt in den Ruhestand gezahlt werden und zumindest teilweise der Versorgung des Empfängers dienen (BFH-Urteil vom 12.Oktober 1978 I R 69/75, BFHE 126, 209, BStBl II 1979, 64; Flick/Wassermeyer/Wingert/ Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland/Schweiz, Art.18 Rdnr.10; Vogel, a.a.O., Art.18 Rdnr.11). Ein Versorgungscharakter ist im Streitfall schon deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger im Streitjahr unverändert aktiv für denselben Arbeitgeber tätig war.
2. Die Feststellungen des FG tragen dessen Entscheidung nicht, soweit es eine Steuerfreiheit auch für die auf die Tätigkeit in Kanada entfallenden Teile der Jubiläumsvergütung bejaht hat. Die Sache ist insoweit nicht entscheidungsreif.
a) Nach Art.23 Abs.2 Buchst.a DBA-Kanada vom 17.Juli 1981 werden bei einer in der Bundesrepublik ansässigen Person Einkünfte aus Quellen in Kanada von der deutschen Besteuerung ausgenommen, wenn die Einkünfte nach dem Abkommen in Kanada besteuert werden können.
b) Gemäß Art.15 Abs.1 DBA-Kanada kann Kanada Vergütungen für eine in Kanada ausgeübte nichtselbständige Tätigkeit besteuern. Die Voraussetzungen der dieses Besteuerungsrecht beschränkenden 183-Tage-Regelung (Art.15 Abs.2 DBA-Kanada) liegen auch für die in Kanada ausgeübte Tätigkeit des Klägers nicht vor.
c) Es ist jedoch nicht festgestellt, ob die anteilige Jubiläumsvergütung i.S. des Art.23 Abs.3 DBA-Kanada aus Quellen innerhalb Kanadas stammt. Nach Art.23 Abs.3 DBA-Kanada gelten Einkünfte einer in einem der Vertragsstaaten ansässigen Person als aus Quellen innerhalb des anderen Vertragsstaates stammend, wenn sie in Übereinstimmung mit dem Abkommen im anderen Vertragsstaat besteuert werden. Aus der Sicht des Wohnsitzstaates ist damit der andere Vertragsstaat nur dann als Quellenstaat anzusehen, wenn dort eine tatsächliche Besteuerung der streitigen Einkünfte stattfindet (Korn/Debatin, a.a.O., DBA-Kanada, Art.23 Anm.3 c, aa). Durch die Regelung wird --abweichend von der früheren Regelung im DBA-Kanada vom 4.Juni 1956-- nicht mehr die sog. virtuelle, sondern nur die tatsächliche Doppelbesteuerung vermieden. Das FG hat nicht festgestellt, daß die auf die Tätigkeit in Kanada entfallenden Teile der Jubiläumszuwendung in Kanada besteuert wurden. Nur in diesem Fall greift in der Bundesrepublik die Steuerbefreiungsvorschrift des Art.23 Abs.2 Buchst.a DBA-Kanada ein. Das FG wird die entsprechenden Feststellungen noch nachholen müssen.
++/ 3. Die Erklärung des Klägers zum Verzicht auf mündliche Verhandlung kann nicht als wirksame Prozeßhandlung gewertet werden, da er im Revisionsverfahren nicht entsprechend Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zu Entlastung des Bundesfinanzhofs vom 8. Juli 1975 (BGBl I 1975, 1861) i.d.F. des Gesetzes vom 20. Dezember 1991 (BGBl I 1991, 2288, BStBl I 1992, 44) vertreten war. /++
Fundstellen
Haufe-Index 64445 |
BFH/NV 1992, 61 |
BStBl II 1992, 660 |
BFHE 167, 496 |
BFHE 1992, 496 |
BB 1992, 1482 (L) |
DB 1992, 2067 (L) |
DStR 1992, 1126 (KT) |
HFR 1992, 597 (LT) |
StE 1992, 427 (K) |
WPg 1992, 575-576 (ST) |
StRK, Abk. 1965 Art XV R.5 (LT) |
Information StW 1992, 450 (T) |
RIW/AWD 1992, 692 (KT) |
IWB, 1993/8 Fach 3a Gruppe 1, 357 (KT) |